Flutkatastrophe und Ukraine-Krieg seien „Zäsuren“ im Bevölkerungsschutz, sagt Hessens Innenminister Peter Beuth. Wie das Land reagiert und was anders läuft als in Rheinland-Pfalz.
WIESBADEN. Die Hochwasserkatastrophe im Ahrtal und der Krieg in der Ukraine haben der Debatte um den Bevölkerungsschutz in Deutschland auf der politischen Agenda nach oben katapultiert. Bund und Länder haben in den vergangenen Monaten die Bemühungen um Verbesserungen bei der materiellen Ausstattung und der Organisation des Katastrophenschutzes intensiviert. Auch in Hessen tut sich einiges.
Innenminister Peter Beuth (CDU) spricht mit Blick auf die Ereignisse im Ahrtal und in der Ukraine von „Zäsuren“, auf die auch sein Ministerium in Wiesbaden reagiert. Die Erfahrungen hessischer Rettungskräfte, die bei der Flutkatastrophe im Ahrtal im Einsatz waren, spielten eine wichtige Rolle bei den Planungen zur Stärkung des Katastrophenschutzes im Land, sagt Beuth. Unter anderem würden mehr Fahrzeuge beschafft, die auch in verwüstetem Gelände durchkommen. Diese seien multifunktional nutzbar und könnten etwa auch bei der Bekämpfung von Waldbränden zum Einsatz kommen.
Zehn Milliarden Euro für den Zivilschutz
Der Klimawandel und seine Folgen sind eine dauerhafte Herausforderung für die zuständigen Behörden. Seit 2008 hat Hessen 70 Millionen Euro für einen besseren Brand- und Katastrophenschutz ausgegeben. Davon wurden unter anderem Notstromaggregate, moderne Funktechnik und neue Fahrzeuge beschafft. Damit ist es aber nicht getan. „Es gibt noch viele, viele Aufgaben“, sagt Beuth. Mit Beginn des Kriegs in der Ukraine sei der Zivilschutz wieder in den Fokus gerückt. Dort seien in den vergangenen Jahren viele Strukturen zurückgebaut oder nicht gepflegt worden, sagt der Minister. Diese wiederherzustellen, sei jedoch hauptsächlich Aufgabe des Bundes.
Lesen Sie auch: Wie gut ist Hessen auf den Krisenfall vorbereitet?
Neben Investitionen in die Verteidigung sei es laut Beuth wichtig, auch den Zivil- und Katastrophenschutz vor Ort zu stärken. Der Bund stellt auf Druck der Innenministerkonferenz dafür in den nächsten Jahren zehn Milliarden Euro zur Verfügung. Das entspricht zehn Prozent des für die Aufrüstung der Bundeswehr vorgesehenen Investitionspakets von 100 Milliarden Euro. Auch Beuth hatte sich bei Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) dafür starkgemacht. Das Geld soll unter anderem in die Beschaffung von Anlagen zur Wiederaufbereitung von Trinkwasser und Notstromaggregate fließen.
Lehrgänge für Bürgermeister
Während der Katastrophenschutz in Rheinland-Pfalz Teil der kommunalen Selbstverwaltung ist, greift in Hessen das Land stärker ein. Das Innenministerium stellt die Ausstattung der 23.000 (meist freiwilligen) Helfer vor Ort und unterstützt die lokalen Behörden bei der Organisation. In einigen Kommunen bestehe noch Nachholbedarf, sagt der Leiter der Abteilung Brand- und Katastrophenschutz im Innenministerium, Tobias Bräunlein. Manchen Verantwortlichen müsse noch stärker klargemacht werden, wer im Notfall welche Aufgaben hat.
Lehrgänge für Bürgermeister gibt es schon. Es gehe darum, dass die Verwaltungschefs Gefahren richtig einschätzten und im Krisenfall wüssten, was ihre Aufgaben seien, so Bräunlein. „Hochwasserschutz ist kein Selbstläufer, sondern eine Daueraufgabe“, sagt er. Nun soll auch die Vernetzung der Akteure im hessischen Katastrophenschutz weiter verbessert werden. Ein weiterer Aspekt sei die Stärkung des Ehrenamts, etwa mit Ehrungen und Fortbildungen, heißt es aus dem Innenministerium. Darum kümmert sich das Land. Auch von den rund 70.000 Feuerwehrkräften in Hessen arbeiten die meisten ehrenamtlich.
Neben der Ausstattung der Helfer tragen Warnmittel zum Bevölkerungsschutz bei. Die etwa 4500 Sirenen in Hessen allein reichen laut Innenministerium jedoch nicht aus, um alle Menschen zu erreichen. Mehr als 1000 weitere Sirenen wären dafür nötig, schätzen die Experten im Innenministerium. Dafür hat Hessen weitere Kanäle wie die „Hessenwarn“-App. Eine zentrale Übersicht, welche Warnmittel in Deutschland wo zur Verfügung stehen, gibt es nicht. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) in Bonn erstellt derzeit ein solches Warnmittelkataster. Es soll bis Ende 2022 fertig ein.
Doch auch die Bürger müssten ihren Teil zum Katastrophenschutz beitragen, sagt Peter Beuth: „Wir brauchen eine stärkere Krisenresilienz in der Bevölkerung.“ Dazu gehöre auch, sich die nötigsten Vorräte für Krisensituationen anzulegen. Ein Bewusstsein dafür könnte laut dem Minister möglicherweise künftig schon in der Schule vermittelt werden.