WETZLAR/BRAUNFELS/HÜTTENBERG Noch sind wenige Flüchtlinge in der Arbeitswelt angekommen, doch in den Köpfen regionaler Unternehmen sind sie längst präsent. Diese Zeitung hat nach der Haltung gegenüber Flüchtlingen in verschiedenen Branchen gefragt.
Von Manuela Jung
Redakteurin Wetzlar
Schwerindustrie, Gastronomie, KFZ-Werkstatt - viele Wetzlarer Unternehmen sagen "Ja" zu Flüchtlingen und gehen davon aus, dass schon bald Bewerbungen in ihre Briefkästen flattern.
(Foto: Hoppe/dpa)
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WETZLAR/BRAUNFELS/HÜTTENBERG Noch sind wenige Flüchtlinge in der Arbeitswelt angekommen, doch in den Köpfen regionaler Unternehmen sind sie längst präsent. Diese Zeitung hat nach der Haltung gegenüber Flüchtlingen in verschiedenen Branchen gefragt.
Karin Keller ist eine der Wenigen, die bereits mit Flüchtlingen im Arbeitsalltag zu tun hat. Sie ist die Inhaberin des Wetzlarer Bürgerhofs, ein junger Mann aus Eritrea absolviert dort seit dem 1. Dezember eine Einstiegsqualifizierung. Wenn alles gut geht, könnte dort im Sommer seine Ausbildung starten. "Es gibt in unserer Branche wenige Auszubildende, deshalb wäre es wünschenswert, wenn diese Menschen den Weg in unseren Beruf finden", sagt Karin Keller.
Voraussetzung sei allerdings, dass man sich auf sie verlassen könne, das müsse auch dieser junge Mann noch unter Beweis stellen: "Am Anfang war er sehr euphorisch, doch es gab auch schon Tage, an denen er nicht gekommen ist. Am 7. Januar zum Beispiel, da feiern viele Muslime Weihnachten", schildert die Inhaberin.
Doch Feiertage oder Wochenenden zählen als Ausrede in der Gastronomiebranche wenig, genau wie bei den Bäckereibetrieben. Ein Grund, weshalb Azubis fernbleiben und Unternehmer auf Flüchtlinge setzen: "Wir sind froh über jeden, der sich bewirbt; momentan leidet das Bäckerhandwerk unter den wenigen Bewerbern. Bei denen die nachkommen, fehlt es zudem oft an Motivation und der Qualität ihrer Arbeit", sagt Markus Eckhardt, Juniorchef der Bäckerei Heinz-Walter Eckhardt in Wetzlar. In Flüchtlingen sieht Eckhardt eine Chance: "Bislang gibt es bei uns noch keine Anfragen, ich kenne aber deutschlandweit andere frisch gebackene Meister, die schon erste Erfahrungen gemacht haben. Auch wir werden versuchen, den Flüchtlingen neue Möglichkeiten zu eröffnen. Sie haben genug erlebt und allemal eine Chance verdient."
Bedenken in Sachen Zuverlässigkeit hat Eckhardt keine: "Die Nationalität spielt bei uns keine Rolle, es gibt auch unter uns Deutschen schwarze Schafe. Ich bin überzeugt, Flüchtlinge werden froh sein, Arbeit zu bekommen. Sie werden den nötigen Respekt mitbringen und nicht erst um 5 Uhr erscheinen, wenn wir bereits um 2 Uhr loslegen."
Dass die Nationalität bei der Wahl künftiger Praktikanten oder Arbeitnehmer irrelevant ist, diesbezüglich sind sich alle angefragten Unternehmen einig: "Für eine Beschäftigung sind die passende Qualifikation und individuelle Eignung maßgeblich. Die Herkunft spielt keine Rolle", sagt Jörg Nitschke, Leiter der Kommunikation bei Zeiss.
Ähnlich sieht es auch Carmen Kludt vom Autohaus Kludt in Wetzlar. Sie sagt: "Bislang gab es bei uns noch keine Anfragen. Wenn sie dann aber kommen, müssen wir uns die jeweilige Person im Einzelfall ansehen. Fest steht für mich: Das sind wertvolle Menschen, die berechtigt bei uns nach Arbeit suchen."
Auch die BHD-Klinik (Fachklinik für Neurologie und neurologische Rehabilitation) in Braunfels versichert, sie sei als sozialer Arbeitgeber grundsätzlich offen für Flüchtlinge und nehme Bewerbungen gerne entgegen. "Wir behandeln Flüchtlinge wie jeden anderen auch", sagt Alexander Koch, Leiter des Personalservices. Eine Rolle spiele dabei allerdings auch, ob die jeweilige Person überhaupt eine Bleibeperspektive habe.
Damit hat sich auch die Firma Hoch- und Tiefbau Ernst Weber aus Rechtenbach auseinandergesetzt. Geschäftsführer Ulrich Weber schildert: "In der Baubranche sind die Flüchtlinge noch gar nicht angekommen. Das hängt mit den rechtlichen Voraussetzungen zusammen, die bei uns äußerst schwierig sind. Wenn du hier beschäftigt sein willst, musst du von der ersten Stunde an angemeldet sein. Das ist in der Industrie beispielsweise anders geregelt. Damit ist die Branche auch für Flüchtlinge einfacher zugänglich." Offen für Flüchtlinge sei man dennoch in jederlei Richtung, ein Praktikum sei zum Beispiel mit dem entsprechenden Vertrag möglich.
Deutschkenntnisse sind wichtig für einen reibungslosen Arbeitsalltag
Dem schließt sich auch Carmen Pentarakis von Pfeiffer Vakuum in Aßlar an: "Die Menschen müssen oft lange warten, bis ein Beschäftigungsantritt überhaupt realistisch ist", sagt die Mitarbeiterin des Personalwesens. Auch bei Pfeiffer Vakuum arbeiten bislang noch keine Flüchtlinge, das Thema ist im Unternehmen dennoch gegenwärtig: "Natürlich machen wir uns viele Gedanken darüber. Momentan steht alles noch auf Anfang, aber wir gehen davon aus, dass schon bald die ersten Bewerbungen von Flüchtlingen bei uns eintreffen werden."
Davon geht auch die Firma Duktus in Wetzlar aus. Über das Bildungswerk hat im Unternehmen bereits ein Flüchtling ein zweiwöchiges Praktikum absolviert: "Genauso werden wir in all unseren Bereichen für weitere Flüchtlinge offen stehen. Jemanden mit einem abgeschlossenem Studium werden wir aber auch nicht in die Produktion stecken", sagt Gabriele Auriga. Auch hier komme es auf den jeweiligen Einzelfall an.
Die Mitarbeiterin der Personalabteilung gibt aber auch zu Bedenken: "Sprachkenntnisse sind das A und O. Wir sind ein Unternehmen der Schwerindustrie, da sind Deutschkenntnisse allein aufgrund der Unfallgefahr absolut notwendig."
Deutschkenntnisse: Sicherlich eine kleine Hürde, das findet auch Joachim Bittner: "Es wäre denkbar schlecht, wenn mein Mitarbeiter die Frage ,Hast du die Reifen festgezogen‘ falsch versteht und mit ja beantwortet, obwohl dem gar nicht so ist", sagt der Meister der Kfz-Werkstatt der GWAB (Gesellschaft für Wirtschaftsförderung, Ausbildungs- und Beschäftigungsinitiativen) in Wetzlar. Für die Werkstatt gehört die Arbeit mit Flüchtlingen zum Aufgabengebiet. Allgemein erläutert Bittner jedoch: "In den KFZ-Werkstätten ist der Ausländeranteil generell höher, deshalb wird sich durch den Zustrom der Flüchtlinge vielleicht gar nicht allzu viel ändern."
Bittners aktuelle Erfahrungen mit Flüchtlingen sind durchweg positiv: "Mein Kollege hat uns mit einer Gruppe Flüchtlinge besucht, danach sind die Anfragen gestiegen. Flüchtlinge haben ein großes Interesse an unserem Beruf, der Wille ist vorhanden. Wenn sie die Ausbildung schaffen, warum soll man ihnen dann keine Chance geben?"