Wer zahlt das? So wird die Pflege im Krankenhaus finanziert

Tatsache ist: Das Pflegesystem bräuchte, um die Personalnot lösen zu können, mehr Geld. Warum es dort aber nicht ankommt, lässt sich nicht so leicht erklären. Foto: Romolo Tavani - stock.adobe; Bearbeitung: VRM
© Romolo Tavani - stock.adobe; Bearbeitung: VRM

An vielen Stellen fehlt es in der Pflege an Geld. Warum? Weil die vorgesehenen Mittel meistens nicht dorthin fließen, wo sie dringend gebraucht werden. Ein Erklärungsversuch.

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BERLIN/MAINZ. Im Bundestag war man sich Anfang der 1970er Jahre einig. Seit längerem stürzten sich die deutschen Krankenhäuser in dicke Miesen, die Pflegesätze deckten nicht einmal mehr die Kosten der sparsamsten Häuser. Doch was tun? Natürlich, ein Gesetz verabschieden. Am 1. Januar 1972 trat also eines in Kraft, das der Pflege in Kliniken große Stabilität garantieren sollte. Mit dem Krankenhausfinanzierungsgesetz, kurz KHG, sollte alles besser werden. Was die Unterzeichner damals nicht ahnten: Heute trägt das KHG einen erheblichen Teil dazu bei, dass in den Budgets vieler Einrichtungen eine Milliardenlücke klafft – und dass es in einer Industrienation wie Deutschland einen Pflegenotstand geben kann.

Grund vieler Probleme ist die duale Finanzierung

Aber der Reihe nach. Mit dem KHG regelte der Bund recht früh, wie Krankenhäuser dem wirtschaftlichen Kollaps entgehen sollen – nämlich durch eine sichere Finanzierung von zwei Seiten. Zum einen sollten die Investitionskosten, also Neubauten, Sanierungen oder Geräte, von den Bundesländern bezahlt werden. Zum anderen wurden die Krankenkassen dazu verpflichtet, die Betriebskosten zu tragen, zum Beispiel das Gehalt von Pflegekräften. Länder und Kassen, das schien ein schlüssiges System.

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Die ganze Sache aber hat einen Haken: Gesetzlich zum Zahlen verpflichtet sind die Länder nicht. Es existiert allein der Auftrag. „Ihrer Aufgabe der Investitionsfinanzierung kommen sie seit mindestens 20 Jahren nicht mehr nach“, rügt deshalb Dr. Gerald Gaß, der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG). Auch Dr. Karl Blum vom Deutschen Krankenhausinstitut (DKI) erklärt: „Die Hälfte der tatsächlich getätigten Investitionen müssen tatsächlich aus Betriebserlösen finanziert werden. Jedes Haus steht vor der Frage, wie es Kosten senken kann, um Mittel zur Verfügung zu haben.“

Und die Antwort? Gespart wird dort, wo es scheinbar am einfachsten ist – an der Pflege und am Personal. Eine Reform dieses Systems ist in den vergangenen Jahren im Bund immer wieder gescheitert. Trotz einer Verankerung in Koalitionsverträgen.

Gezwungen, am Personal zu sparen?

2020, so DKG-Mann Gaß, hätten „mehr als sechs Milliarden Euro“ in deutsche Kliniken investiert werden müssen. Nur drei Milliarden aber flossen von den Ländern. Damit hat sich die Fördersumme seit 1991 beinahe halbiert. Die Folgen in diesen mehr als 30 Jahren: Auf Krankenhäuser wuchs der wirtschaftliche Druck, sie „waren gezwungen, kontinuierliche Einsparungen auch beim Personaleinsatz vornehmen zu müssen“, teilt Gaß mit.

Das große Problem, das dieses Modell über Jahre barg: Direkt in das Abrechnungssystem der Kliniken mit den Krankenkassen war die Pflege integriert. Von den Ländern kam kein Geld, also saßen Krankenhäuser auf dem Trockenen. „Die für die Pflege eingerechneten Gelder in der Gesamtpauschale wurden dann oft zweckentfremdet genutzt“, sagt Christine Vogler, Präsidentin des Deutschen Pflegerats (DPR). Wenn irgendwo also ein Dach saniert werden musste, habe man sich einfach aus dem Pflege-Topf bedient – weil Reparaturen nun mal auch dringend nötig seien.

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„Über die Jahre hat sich aus Sicht der Pflegenden auch deshalb der Eindruck etabliert, dass es im Gesundheitswesen nur noch um Finanzierungsfragen und die Verfolgung von Einzelinteressen geht“, moniert Vogler.

Beim Gesundheitsministerium des Landes Rheinland-Pfalz haben wir angefragt, warum das mit der geordneten Finanzierung eigentlich nicht so richtig klappt. Eine konkrete Antwort kam nicht. Es heißt einzig: „Das Land hat sich schon seit langem dafür eingesetzt, dass sich die Situation der Pflegekräfte in den Krankenhäusern verbessert.“ Daneben listet das Ministerium eine Reihe von Maßnahmen, um die Bedingungen in der Pflege nachhaltig zu verändern – vom Auftrag der Krankenhausinvestitionen ist dabei nie die Rede.

Und was sagen die Krankenkassen zum dualen System und dessen Haken? Haben sie Auswege parat, das Finanzierungsproblem zu lösen?

Im Jahr 2020 flossen vonseiten der Kassen fast 249 Milliarden Euro in die Kliniken. Ausschließlich Geld der Beitragszahler – etwa jeder dritte Euro der Beiträge ging damit in die Krankenhäuser, vor allem auch reserviert für das Gehalt der Pflegekräfte. Der GKV-Spitzenverband teilt dazu mit: „Auf diesen Missstand in der stationären Versorgung und in der vollstationären Pflege wurde von uns seit Jahren öffentlich immer wieder hingewiesen.“ Man setze sich dauernd dafür ein, heißt es, „dass das Geld unserer Versicherten da ankommt, wo es hingehört: Bei der Pflege am Bett und für medizinische Leistungen für unsere Versicherten“.

Kassen stellen viele fehlerhafte Rechnungen fest

Viel ändern können aber auch die Kassen nicht an einem Milliardenloch, wenn die Länder ihre Verpflichtung nicht erfüllen. Weil sie, so die Antwort des GKV-Spitzenverbands, ihren Teil ja ins System zahlen. In den Krankenhäusern aber werde das Geld schließlich umgelenkt. Es lande oft dort, wo es – laut Auftrag – eigentlich nicht hingehöre. Und am Ende seien es nicht nur Pflegekräfte, sondern auch die Kassen, die geschädigt zurückbleiben. Ein Beispiel: die Abrechnungen der Kliniken. „In der Vergangenheit haben die Kassen immer wieder eine hohe Anzahl fehlerhafter Rechnungen festgestellt“, berichtet der Spitzenverband. 2019 hätte sogar die Hälfte nicht gestimmt, und das „zu Ungunsten der Kassen“.

Weil aber nur jede fünfte Rechnung gesetzlich neu geprüft werden darf, strömte viel Geld an falsche Stellen. Das bemängelte im Jahr 2019 sogar der Bundesrechnungshof. Eine Reform des Prüfsystems kam am 1. Januar dieses Jahres.

Wer nun noch fragt, warum den Pflegekräften nicht einfach mehr Geld überwiesen werden kann, der hat die Antwort: weil für sie, spitz formuliert, nichts übrig ist. „Keine Regierung kann ohne Weiteres höhere Löhne durchsetzen. Die müssten von Tarifparteien festgelegt werden“, erklärt DKI-Chef Blum. Nötig wären zum Beispiel höhere Kassenbeiträge zur Refinanzierung. Ob es tatsächlich eine Option ist, auf diesem Wege mehr Geld in die Pflege zu buttern und so die Krise anzugehen, dazu bezog der GKV-Spitzenverband keine Stellung.