Wie schlimm ist das Verspätungs-Chaos bei der Bahn?

Wenn die Bahn Verspätung hat oder ausfällt, bedeutet das für Pendler vor allem zweierlei: Stress und Ärger.

Zugausfälle und Verspätungen sorgen bei Reisenden täglich für Frust. Die Statistik zeigt: In diesem Jahr sind die Fernzüge der Bahn besonders unpünktlich. Eine Bestandsaufnahme.

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Wiesbaden / Mainz. Krankes Personal, Baustellen und kurzfristige Streckensperrungen sorgen vor allem im Rhein-Main-Gebiet derzeit für viele Zugausfälle und Verspätungen im Nah- und Fernverkehr. Wer oft mit der Bahn auf den ohnehin schon stark ausgelasteten Strecken zwischen den Knotenpunkten Frankfurt, Mainz/Wiesbaden, Darmstadt und Mannheim unterwegs ist, hat es nicht leicht. Mitunter müssen Fahrgäste Umwege und deutlich längere Reisezeiten in Kauf nehmen.

Aber nicht nur im Nahverkehr hakt es bei der Deutschen Bahn. Die monatlich veröffentlichten Pünktlichkeitswerte für das Jahr 2022 zeigen ein eindeutiges Bild: Insbesondere die Fernzüge sind immer unpünktlicher. Mit Ausnahme einer minimalen Verbesserung im Juli (59,9 Prozent) im Vergleich zum Vormonat Juni (58 Prozent) zeigt der Jahrestrend bei den pünktlichen Ankünften nach unten und erreichte im August mit 56,8 Prozent seinen bisherigen Tiefstwert.

Ausgefallene Züge nicht berücksichtigt

Lichtblick war der September, in dem 62,8 Prozent der Fernzüge pünktlich ihr Ziel erreichen – deutlich weniger als im bislang besten Monat Januar (80,9). In den Sommermonaten allerdings waren im Fernverkehr mehr als 40 Prozent der Züge zu spät. Dabei wird ein Halt schon als „pünktlich“ gewertet, wenn der Zug weniger als sechs Minuten Verspätung hat. Das reicht aber mitunter, den ganzen Reiseplan zu ruinieren. Ausgefallene Züge werden in der Verspätungsstatistik der Bahn gar nicht berücksichtigt.

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Ihren eigenen Ansprüchen hinkt die Bahn deutlich hinterher. Das am Jahresbeginn selbst gesteckte Ziel von 80 Prozent Pünktlichkeit im Fernverkehr wird das Unternehmen dieses Jahr wohl nicht mehr erreichen. Besser sieht es im Regionalverkehr aus. Zwischen Juni und August war hier nur knapp jeder zehnte Zug mehr als sechs Minuten verspätet. In den ersten drei Monaten des Jahres lag Pünktlichkeitsquote allerdings noch bei deutlich über 90 Prozent.

38 Millionen Euro Entschädigung

Für die Bahn hat die Zunahme der Verspätungen auch finanzielle Folgen. Im Jahr 2021 hat das Unternehmen im Rahmen der Fahrgastrechte insgesamt 38,2 Millionen Euro Entschädigungen im Nah- und Fernverkehr gezahlt. Die Pünktlichkeitsquote im Fernverkehr lag 2021 mit 75,2 Prozent in etwa auf dem Niveau der Jahre 2018 und 2019. Im ersten Corona-Jahr 2020 kamen im Fernverkehr 81,8 Prozent der Züge pünktlich – allerdings bei stark reduzierten Fahrgastzahlen. Die Bahn zahlte seinerzeit mehr als 30 Millionen Euro Entschädigung an Fahrgäste.

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„Die massive Bautätigkeit im Netz bei gleichzeitig sehr hoher Nachfrage im Personen- und Güterverkehr (u.a. durch das Rhein-Niedrigwasser) wirkt sich aber nach wie vor negativ auf die Pünktlichkeit des Schienenverkehrs insgesamt aus“, teilt die Bahn mit. Im Interview mit dem Handelsblatt hatte Bahn-Chef Richard Lutz deutliche Worte gefunden und von einer „strukturell unterfinanzierten Schieneninfrastruktur“ gesprochen. „Die Qualität und Zuverlässigkeit der Bahn ist zurzeit nicht akzeptabel“, sagte er.

Helfen soll eine Bau-Offensive. In einem ersten Schritt plant die Bahn ab Juni 2024 die Sanierung der Strecke zwischen Frankfurt und Mannheim. Ein Fünftel der bundesweiten Fernzüge und ein Viertel der Fahrgäste sind auf diesem Abschnitt unterwegs. Bis dahin wird jedoch noch einige Zeit vergehen – und dann geht es mit den Einschränkungen erst richtig los. Fünf Monate soll die Sperrung dauern.