LIMBURG Ein positives Zeichen in schwierigen Zeiten und kontroversen Diskussion rund um das Thema Flüchtlinge setzen, das wollen Cara Basquitt und die Teilnehmer eines Theaterprojekts für Flüchtlinge. Und das gelingt ihnen eindrucksvoll.
Von Christian Keller
Redakteur Wetzlar
Noch ohne Bühnenbild, aber dennoch eindrucksvoll: Die Eingangsszene des Stücks, die mit der Überfahrt über das Mittelmeer beginnt.
(Foto: Keller)
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LIMBURG Ein positives Zeichen in schwierigen Zeiten und kontroversen Diskussion rund um das Thema Flüchtlinge setzen, das wollen Cara Basquitt und die Teilnehmer eines Theaterprojekts für Flüchtlinge. Und das gelingt ihnen eindrucksvoll.
Es braucht keine Kulisse, um zu erkennen, dass die sechs Männer in einem Boot sitzen. Die Paddelbewegungen machen die Szene eindeutig. Vorne sitzen Halid aus Syrien und Hamza aus Algerien. Durch Pfeifen in das Mikrofon wird Meeresrauschen erzeugt, das durch die Jugendkirche in Limburg dringt.
"Wir fliehen vor dem Krieg und hoffen auf ein Leben in Frieden", sprechen die Bootsinsassen auf arabisch zunächst leise vor sich hin, werden dann aber immer lauter, denn auch die Fahrt über das Meer wird augenscheinlich ruppiger. Die Szene friert ein.
"Wir waren viel länger als geplant auf dem Meer, mit viel zu wenig Essen und Wasser", erfährt der Zuschauer, bevor die Szene weitergeht. Hektisch, fast panisch paddeln Halid und Hamza weiter, während Bootsinsassen in der zweiten Reihe wie wild versuchen, Wasser aus dem Boot zu schöpfen. Erneut friert die Szene ein. Das Boot kentert, die jungen Männer werden gerettet.
"Ich erhebe meine Stimme für all diejenigen, die kein Rettungsring erreicht hat und die für immer im Meer bleiben", mahnt Shuaib aus Syrien und erinnert damit an all jene, die es nicht geschafft haben. "Bleibt ruhig, Asylbehörden, ich werde euch keine Belastung sein" "Ich danke dir Meer, dass du mich ohne Visum und Pass empfangen hast", und "Ich danke den Fischen, die meinen Körper aufteilen werden, ohne nach meiner Religion oder meiner politischen Überzeugung zu fragen", fährt er fort.
"Wir wollen ein positives Zeichen setzen und beweisen, wir können das schaffen mit der Integration", sagt Cara Basquitt. Die Diözesanreferentin für Ehrenamt und Flüchtlinge bei den Maltesern in Limburg ist ausgebildete Theaterpädagogin und übernimmt die Regie des Theaterprojektes, das vor allem aus jungen Männern aus Syrien und deutschen Laienschauspielerinnen besteht.
"Auf dem Weg" lautet der Titel des Stücks, das Ende Februar in der Jugendkirche Crossover aufgeführt werden soll.
Das Projekt hat sich innerhalb kurzer Zeit zu einer echten Integrations-Erfolgsgeschichte entwickelt. Denn schließlich passiere beim Theaterspielen genau das, was Integration ausmache, sagt Basquitt. "Hier kommen Menschen zueinander und es entsteht eine Gemeinschaft".
Seit August arbeitet die Gruppe gezielt am Stück "Auf dem Weg". Zuvor war die Fluktuation der Flüchtlinge in den Proben einfach zu hoch. Umzüge, Behördentermine oder Deutschkurse kamen dazwischen. Mittlerweile haben die Teilnehmer, die zwischen 16 und 33 Jahre alt sind, alle einen festen Wohnsitz in kommunalen Einrichtungen in Limburg und Umgebung. In ihrer Heimat waren sie Elektriker, Buchhalter oder haben Bauingenieurwesen und Englisch studiert, bevor sie vor dem Krieg flüchten mussten.
Das Besondere an dem Theaterstück: Das Drehbuch gibt "Regisseurin" Basquitt nicht selbst vor. Das haben die jungen Männer zusammen mit den deutschen Schauspielerinnen gemeinsam entwickelt.
"Sie lernen dabei nicht nur die deutsche Sprache, sondern auch demokratische Entwicklungen, denn schließlich entscheiden wir alle darüber, was Bestandteil des Stücks werden soll", sagt Basquitt. Jeder Einzelne lerne außerdem, Verantwortung zu übernehmen, denn schließlich sei die Gruppe aufeinander angewiesen, um kontinuierlich proben zu können.
Das Stück selbst ist biografisches Theater. Die Inhalte der einzelnen Szenen schildern das, was die jungen Männer in ihrer Heimat und auf der Flucht vor Krieg und Gewalt erlebt haben. "Die Inhalte werden durch theaterästhetische Elemente verfremdet", erklärt Basquitt. Das heißt, dass die oftmals sehr emotionalen Geschichten niemals von dem gespielt werden, der diese Ereignisse auch selbst erlebt hat.
Gestik, Mimik und andere Darstellungsformen des Theaters haben den Projektteilnehmern gerade zu Beginn dabei geholfen, sich miteinander zu verständigen. "Das Tolle dabei ist ja, dass Theater eben auch ohne Sprache auskommt", erklärt Basquitt.
Von Sprachschwierigkeiten ist mittlerweile keine Rede mehr: Hamza, der einzige Algerier unter den syrischen Männern, hat dabei die Rolle des Musterschülers übernommen und spricht nach gerade einmal gut einem Jahr in Deutschland ein sehr passables Deutsch. Er ist es auch, der zwischendurch mal schnell Regieanweisungen ins Arabische übersetzt.
Dass die Männer und Frauen das Projekt sehr ernst nehmen, zeigt auch die Disziplin, mit der sie alle an das Projekt herangehen. Wie bei den Profis auf den großen Bühnen wird eingangs jeder Probe der Körper gestimmt, wie Cara Basquitt sagt: "Musiker stimmen ihre Instrumente, Schauspieler ihren Körper."
Damit auch die Texte samt korrekter Betonung sitzen, treffen sich die Teilnehmer auch schon mal vor der eigentlichen Probe und gehen in gemischten Kleingruppen die Texte durch. "Es macht einfach riesen Spaß", sagt Laienschauspielerin Miriam aus Diez. Über die Zeitung habe sie davon erfahren, dass noch Leute für das Projekt gesucht werden. "Ich wollte etwas mit Theater und für Flüchtlinge machen", erzählt sie. Die gute Stimmung bestätigt auch Hamza: "Wir sind nicht einfach nur eine Theatergruppe, wir sind wie eine Familie. Wir gehen zusammen ins Kino, feiern gemeinsam Geburtstag und waren schon zusammen Tanzen", schildert er die Stimmung innerhalb der Gruppe.
"Wir sind nicht in euer Land gekommen, weil wir das wollten, sondern weil wir gezwungen wurden"
Auch im Hinblick auf die jüngsten Ereignisse in Köln haben die Projektteilnehmer eine klare Botschaft, die sie vermitteln wollen: "Wir wollen mit den persönlichen Geschichten der Flüchtlinge zeigen, dass man nicht einfach von einem auf Alle schließen kann", sagt Theaterpädagogin Basquitt mit Überzeugung.
Und auch für Alle, die den Flüchtlingen gerne die Rolle der Sozialschmarotzer zuschieben wollen, oder Angst vor der Überfremdung im eigenen Land haben, hat das Stück eine Botschaft: "Seid versichert, wir sind nicht in euer Land gekommen, weil wir das wollten, sondern weil wir dazu gezwungen wurden. Egal wie lange es dauern wird, bis wir wieder in unser Heimatland zurückkehren können, euer Land wird immer eures bleiben", heißt es in einem Brief, der Bestandteil des Stücks ist.
Aufführungen
Premiere feiert das Stück „Auf dem Weg“ am 26. Februar im Rahmen von zwei Schulaufführungen mit anschließender Diskussionsrunde zwischen Schülern und Flüchtlingen. Die Öffentlichkeit hat am 27. und 28. Februar jeweils ab 20 Uhr die Gelegenheit die Aufführung in der Jugendkirche Crossover (Tilemannstraße) in Limburg zu sehen. Karten kosten im Vorverkauf 7 Euro (ermäßigt 5 Euro) und an der Abendkasse 8 Euro (ermäßigt 6 Euro)