Die Anwohner in Tiefenbach hatten schon fast nicht mehr damit gerechnet: Mehr als drei Jahre nach der Anklage soll am 23. Januar der Prozess gegen den Chef der ehemaligen Recyclingfirma Woolrec und deren Gutachter starten.
Von Steffen Gross
Redakteur Wetzlar
Die Geschäftsidee, die einen Skandal auslöste: Dämmabfälle, die zu Woolit verarbeitet werden sollen, lagern 2012 in der Halle auf dem Woolrec-Betriebsgelände.
(Archivfoto: Gross)
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Braunfels/Gießen - Die Anwohner in Tiefenbach hatten schon fast nicht mehr damit gerechnet: Mehr als drei Jahre nach der Anklage soll am 23. Januar der Prozess gegen den Chef der ehemaligen Recyclingfirma Woolrec und deren Gutachter starten.
Wegen unerlaubten Umgangs mit Abfällen in mehr als 50 Fällen müssen sich Ex-Woolrec-Chef Edwin F. und Gutachter Stefan G. von der Universität Gießen vor dem Landgericht Gießen verantworten. 20 Verhandlungstage sind bis Anfang Juli angesetzt, sagte eine Gerichtssprecherin auf Anfrage. Die Staatsanwaltschaft geht von besonders schweren Fällen aus, weil die Angeklagten aus Gewinnsucht gehandelt hätten. Ihnen drohen Freiheitsstrafen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.
Bei den 50 vorgeworfenen Fällen handelt es sich um Unbedenklichkeitsbescheinigungen, die der Professor aus Gießen für die von Woolrec hergestellten Faserklumpen aus Dämmstoffabfällen namens Woolit ausgestellt haben soll. Woolit steht mehreren Gutachten zufolge im Verdacht, krebserregend zu sein.
Bis nun endlich der Termin für den Prozessauftakt feststeht, war es ein langer Weg. Über viele Jahre hatten die Nachbarn der ehemaligen Faserfirma um Gesundheit und Leben gefürchtet, die Bürgerinitiative kämpfte gegen die Woolit-Herstellung in ihrer direkten Nachbarschaft – bis das Regierungspräsidium Gießen den Betrieb 2012 stilllegte. Als „Woolrec-Skandal“ machte der Fall bundesweit Schlagzeilen.
Komplexer Fall: „Lkw-Ladung Akten“
Aufgrund der Anzeige eines besorgten Tiefenbachers nahm die Gießener Staatsanwaltschaft die Ermittlungen auf – zunächst gegen den Gutachter, später auch gegen den Firmenchef. Heraus kam eine Anklage mit einer „Lkw-Ladung Akten“. Der Fall gilt als äußerst komplex.
Die Anklage wurde im September 2016 nach fast zwei Jahren Prüfung vom Landgericht als „nicht ausreichend umrissen“ abgelehnt. Die Staatsanwaltschaft legte deshalb Beschwerde ein.
Das Oberlandesgericht Frankfurt gab der Beschwerde am 29. März dieses Jahres statt und erklärte die Anklage gegen Edwin F. und Stefan G. als zulässig. Die Frankfurter Richter forderten ihre Gießener Kollegen dazu auf, das Verfahren zu eröffnen. Ab September wurden die Verhandlungstage terminiert.
Tiefenbacher hoffen auf Gerechtigkeit
Die Woolrec-Gegner in Tiefenbach fiebern dem Prozess entgegen, den Termin werden sie sich rot im Kalender markieren. Ihre Hoffnungen auf den „Showdown“ vor Gericht und Gerechtigkeit hatten sie zwischenzeitlich fast begraben.