Anselm Oelze widmet sich in seinem Roman dem vergessenen britischen Naturforscher Alfred Russel Wallace (1813 - 1913). Foto: Hahn-Grimm
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GIESSEN - Geschichtenerzähler, Schriftsteller, Philosoph: Die Rede ist von Autor Anselm Oelze, der jetzt auf Einladung des Literarischen Zentrums Gießen (LZG) im Hörsaal der Hermann-Hoffmann-Akademie aus seinem Debütroman "Wallace" vorlas.
Die Akademie gehört zum Fachbereich Biologie der Justus-Liebig-Universität (JLU). Kaum ein Ort, der geeigneter für diese Lesung sein könnte als dieser Hörsaal, stellte Prof. Volker Wissemann fest, der den Abend als Hausherr moderierte. Denn über dem Lesepult schwebt seit 2018 das in Gießen präparierte Skelett eines jungen Pottwals, ein paar Meter weiter unten bei den Rednern ging es um die Entstehung der Arten, sei es großer Walfische oder kleiner Käfer, sei es aus wissenschaftlicher Sicht oder aus der puren Lust am Fabulieren.
Dass die Grenzen dabei durchaus fließend sein können, ohne dass dabei Fake News produziert werden, das wurde im Laufe von 90 spannenden Vorlese- und Diskussionsminuten deutlich. Als kleine Einführung zum Roman las Wissemann aus dem Klappentext des Verlags vor: "Frühjahr 1858: Ein Brief verlässt eine kleine Insel in den Molukken. Sein Ziel ist Südengland, sein Inhalt: ein Aufsatz über den Ursprung der Arten. Kaum ein Jahr später sorgt die Schrift für Aufsehen und wird bekannt als Theorie der Evolution. Doch nicht der Verfasser des Briefes, der Artensammler Alfred Russel Wallace (1813 - 1913), erntet den Ruhm dafür, sondern sein Empfänger, der Naturforscher Charles Darwin..."
150 Jahre später stößt der Museumsnachtwächter Albrecht Bromberg auf das Schicksal des vergessenen Wallace. Er begibt sich auf seine Spuren und je länger er mit Wallace unterwegs ist, desto mehr zweifelt Bromberg an, ob alles so bleiben muss, wie es ist..."
Autor Anselm Oelze, 1986 in Erfurt geboren, studierte Philosophie, Politikwissenschaft und Philosophical Theologie in Freiburg und Oxford und promovierte an der Humboldt-Universität in Berlin. Derzeit lehrt er an der Ludwig-Maximilian-Universität München. "Wallace" ist keinesfalls seine erste Veröffentlichung, aber doch sein erster Roman, der in vielen Kritiken bereits positiv hervorgehoben wurde.
Folglich wollte der Moderator im Gespräch als erstes von Autor wissen, wie es denn zur Hinwendung zur Literatur gekommen ist. Oelzes bilderreiche Antwort belegte, dass er auch als mündlicher Erzähler große Talente hat. In der Schule habe er eigentlich wenig Interesse an Literatur gehabt, nur Reiseliteratur habe er immer schon verschlungen. Aus Entdeckerlust wollte er nach der Schule Archäologie studieren, nachdem er aber über 1000 historische Münzen fotografieren und durchnummerieren musste, sei ihm die Lust vergangen. Dann schon lieber das Abenteuer Buch. Beim Lesen sei er auf den Artensammler Alfred R. Wallace gestoßen und ihm war klar: "Der Mann ist die perfekte Romanfigur". So waren bereits viele Geschichten erzählt, bevor überhaupt die erste Zeile aus dem Roman vorgelesen war.
Aus drei Textpassagen konnten sich die Zuhörer ein Bild über den Roman Oelzes machen. Eingeführt wurde mit dem Museumswächter Bromberg, der bei seinem nächtlichen Rundgang über eine Teppichfalte stürzt und dabei einen Stapel Bücher verliert. Erstmals fällt ihm dabei in einem der Bände ein Bild des bärtigen Alfred Wallace auf ... Nächstes Bild, 150 Jahre früher, auf einem anderen Kontinent: der britische Artensammler in einem Boot auf dem Amazonas, im Kampf mit einem Kormoran.
Im Stil des 19. Jahrhunderts
Auffallend an dem Roman ist der geradezu altmodische Erzählduktus. Viele Nebensätze und verschachtelte Satzkonstruktionen machen dem Leser das Vorwärtskommen nicht leicht. Diese Art des Schreibens habe er bewusst gewählt, passend zur Zeit des 19. Jahrhunderts, erläuterte Oelze an anderer Stelle. Doch im Gießener Hörsaal fielen bei seiner flüssigen Art des Vorlesens die langen Sätze kaum auf. Die deutliche Aussprache Oelzes, seine angenehme Stimmlage, trugen viel dazu bei, die Spannung wach zu halten. Es blieb immer unterhaltsam, auch wenn im Roman beispielsweise die Direktoren des Naturkundemuseums einzeln ihr System des Katalogisierens erläuterten ... Für Freunde enzyklopädischen Wissens jedenfalls ein großes Vergnügen.
Weder Autor noch Moderator waren bereit, den finalen Clou der Geschichte zu verraten. Langer Applaus, der Bücherverkauf im Anschluss lief glänzend. Am Rande noch ein Tipp: Es gibt den Roman auch als Hörbuch.