"Critical Mass" in Gießen erinnert an tödlich verunglückten Radfahrer
Bei der jüngsten "Critical Mass"-Rundfahrt in Gießen legten die Teilnehmer an der Ecke Ludwigstraße/Liebigstraße einen Stopp ein. Mit Schweigeminute und "Die In" erinnerten sie an den tödlich verunglückten Radler.
Von Rüdiger Schäfer
Eindringliche Demonstration: Mit einem "Die In" erinnern die Teilnehmer an den Tod des jungen Radfahrers, der an der Kreuzung Liebigstraße/Ludwigstraße vor drei Wochen schwer verletzt wurde und an den Folgen starb. Foto: Schäfer
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GIESSEN. "Wir Radfahrer sind auf den Straßen gerade in Gießen die schwächsten Verkehrsteilnehmer. Es gibt so oft brenzlige Situationen, bedingt durch die wesentlich stärkeren Kraftfahrzeuge. Solch ein Gefahrenmoment hat sicherlich schon jeder von uns Zweiradfahrern erlebt. Fast immer geht es gut aus und es passiert nichts. Aber dann der Schock, wenn es wirklich mal knallt; bei einem von 1000 Mal." Der Mann mittleren Alters ist noch immer sichtlich erschüttert, wenn er an das tragische Unglück zurückdenkt, das sich vor drei Wochen an der Ecke Ludwigstraße/Liebigstraße ereignet hat. Dort nämlich war ein 20-Jähriger mit seinem Rad von einem Auto erfasst worden und später seinen schweren Verletzungen erlegen. Bei der jüngsten "Critical Mass"-Rundfahrt legten die Teilnehmer nun an dieser Stelle einen Stopp ein. Die Polizei sperrte die Kreuzung ab. Einer Ansprache von Andrea Barany schlossen sich eine Schweigeminute und ein "Die In" an.
Bei der "Critical Mass" (zu Deutsch: "kritische Masse") handelt es sich um eine lose Vereinigung von Radfahrern, die in vielen Städten eine Abwechslung zum fortdauernden Kampf um Raum und zur ständigen Behinderung und Gefährdung durch den Autoverkehr suchen. In Gießen treffen sie sich jeden ersten Donnerstag im Monat um 19 Uhr und an jedem dritten Sonntag um 16 Uhr vor dem Uni-Hauptgebäude in der Ludwigstraße, um gemeinsam durch die Stadt zu radeln. Mindestens 16 müssen es sein, um nach Paragraf 27 der Straßenverkehrsordnung als Verband - das bedeutet zweireihig nebeneinander in Kolonne - fahren zu dürfen. Auch wenn eine Ampel auf Rot springt, kann der Rest des Radlertrupps weiter durchfahren, ohne anhalten zu müssen. Seit 2014 gibt es die "Critical Mass" in Gießen. Das Projekt sei gelegentlich mal eingeschlafen, berichten Andrea Barany und "Fusl". In den Wintermonaten sinke die Teilnehmerzahl witterungsbedingt so stark ab, dass es im Frühling darum gehe, die Bewegung am Leben zu erhalten. Allerdings habe es auch schon mehr als 200 Mitstreiter gegeben. Und manchmal werde eine Tour, die etwa eine Stunde in Anspruch nimmt, auch ein zweites Mal zurückgelegt.
Die Routen sind unterschiedlich. "Letztes Mal waren wir mehr als 50", diesmal sind es genauso viele. Immerhin ist es eine besondere Fahrt. Denn es soll an den Tod des jungen Radfahrers erinnert werden, der am 12. August mit einem Auto kollidierte und einige Tage später aufgrund der starken Kopfverletzungen verstarb. Der genaue Unfallhergang ist noch unklar. In der Öffentlichkeit bekannt ist bisher nur, dass der Radfahrer an jenem Mittwochabend um 21.30 Uhr die Ludwigstraße hinunter Richtung "Dachcafé" fuhr. Auf der Kreuzung Liebigstraße war ihm eine 22-jährige Autofahrerin entgegengekommen. Vermutlich wollte sie nach links stadtauswärts in die Liebigstraße einbiegen und hatte den Radler erwischt. Am unteren Eckhaus der Liebigstraße ist an der Einzäunung inzwischen zum Gedenken ein weiß lackiertes Fahrrad platziert worden, drapiert mit roten Rosen, Leuchten und Schildern.