Gießen: Verleihung des Hein-Heckroth-Bühnenbildpreises an Katrin Brack
Einmal in zwei Jahren besticht das Stadttheater Gießen mit hauptstädtischem Glanz und internationalem Flair. Im April wird der Hein-Heckroth-Preis an bedeutende Bühnenbildner aus dem In- und Ausland verliehen.
Von Ursula Hahn-Grimm
Gruppenfoto nach der Preisübergabe: Dr. Marcus Kiefer, Vorsitzender der Hein-Heckroth-Gesellschaft, Oberbürgermeisterin Dietlind Grabe-Bolz, die Preisträger Manuel Gerst und Katrin Brack, Ministerin Angela Dorn und Gründungsmitglied Dietgard Wosimsky (v.l.). Fotos: Rolf K. Wegst
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GIESSEN - Einmal in zwei Jahren besticht das Stadttheater Gießen mit hauptstädtischem Glanz und internationalem Flair. Im April wird der Hein-Heckroth-Preis an bedeutende Bühnenbildner aus dem In- und Ausland verliehen. In diesem Jahr ging die Auszeichnung an die Bühnenbildnerin Katrin Brack, der Nachwuchspreis an den Bühnenbildner und Performer Manuel Gerst. Im Namen der Hein-Heckroth-Gesellschaft, die diesen Preis vor neun Jahren initiiert hatte, hieß Vorsitzender Dr. Marcus Kiefer die Gäste zur Preisübergabe willkommen. In diesem Jahr gibt es eine Besonderheit: Das Preisgeld wurde von 5000 auf 10 000 Euro erhöht, der Nachwuchskünstler wird mit 5000 Euro ausgezeichnet.
Nach einer exquisiten musikalischen Einleitung durch Rike Huy (Trompete) und Katrin Zurborg (Jazzgitarre) würdigte Kiefer die herausragenden Qualifikationen der Preisträgerin, die zur Preisverleihung aus Wien angereist war. "Die Festgesellschaft bezieht ihr Fluidum auch durch den Raum", stellte er fest. Zuvor hatte er Gäste aus den Bereichen Kultur, Politik und Wirtschaft im Großen Haus begrüßt und an die Leistungen seiner Vorgängerin Dietgard Wosimsky erinnert.
"Heute geht es um das, was sonst im Hintergrund steht, aber große Wirkung für das Theater hat", betonte Angela Dorn, Ministerin für Wissenschaft und Kunst, die in Vertretung von Ministerpräsident Volker Bouffier sprach. Bouffier musste die Preisverleihung aus gesundheitlichen Gründen absagen. Ihr sei es eine große Freude, den Preis an eine international erfolgreiche und renommierte Künstlerin zu überreichen. Angela Dorn erinnerte an den Namensgeber des Bühnenbildpreises, Hein Heckroth. Dessen Karriere schien 1933 durch seine Berufung auf eine Professur in Dresden vor der Krönung zu stehen. Doch es war der Abend vor Beginn der Nazidiktatur und die neuen Machthaber machten die Scheidung von seiner jüdischen Ehefrau zur Einstellungsvoraussetzung. Heckroth verzichtete, wenige Jahre später musste er ins Exil ausreisen. Alles, was den Vorstellungen der Machthaber nicht entsprach, wurde als entartet diffamiert und vernichtet. "Heute ist die Freiheit der Kunst in unserem Grundgesetz verankert", betonte die Ministerin. "Es ist kein Zufall, dass die rechten Strömungen hier und weltweit gerade an der Kulturförderung den Rotstift ansetzen." Die Landesregierung schließe mit der Verleihung des Hein-Heckroth-Preises eine Lücke in der Landschaft der deutschen Kulturpreise, da mit dieser Auszeichnung die Gattung Bühnenbild in den Mittelpunkt rückt. Die Ministerin bezeichnete Katrin Brack als eine "Meisterin des Minimalismus und der Assoziationen".
IN GIESSEN KEIN UNBEKANNTER
GIESSEN (uhg). Der Bühnenbildner und Performer Manuel Gerst, gestern im Großen Haus des Stadttheaters Gießen mit dem Hein-Heckroth-Förderpreis geehrt, ist in Gießen kein Unbekannter. 1979 in Edenkoben in der Pfalz geboren, absolvierte er zunächst ein Semester an der Freien Kunstschule in Herxheim (1999) und schloss sich dann einer freien Theatergruppe in Berlin an. 2003 kam er zum Studium der Angewandten Theaterwissenschaft bei Heiner Goebbels an die Justus-Liebig-Universität. Zusammen mit anderen Studierenden gründete er hier das freie Theaterkollektiv "Monster Truck". Die Gruppe arbeitet in den Bereichen Theater/Performance, szenische Installation und Video und kooperiert in den meisten Produktionen mit anderen Performern, Regisseuren, Musikern und projektbezogenen Spezialisten. In Gießen waren die jungen Theatermacher vor allem beim Diskurs-Festival der Angewandten Theaterwissenschaften und Veranstaltungen der freien Theaterszene zu sehen. 2008 schloss Gerst sein Studium mit dem Bachelor ab.
Seit 2012 studierte er Bühnenbild in München bei Katrin Brack, die ihn nun auch als Preisträger für den Förderpreis vorgeschlagen hatte.
Seither realisierte er Projekte unter anderem am Schauspiel Düsseldorf, Schauspiel Leipzig, Schauspielhaus Zürich, und war bei renommierten Festivals im Einsatz. Unter anderem beim Impulse Festival NRW, Heidelberger Stu¨ckemarkt, Lagos live (Nigeria), Politik im Freien Theater oder auch dem Radikal jung Festival Mnchen.
Manuel Gerst war in der Spielzeit 2014/15 "Artist in Residence" im Theater Rampe Stuttgart im Rahmen der Doppelpass-Förderung der Kulturstiftung des Bundes. In der Spielzeit 16/17 war er hier verantwortlich für Bühne und Kostüme bei der Uraufführung von "Tauben fliegen auf". Aktuell ist er nun am Theater Aachen für die Ausstattung von "Die Verwandlung" von Franz Kafka engagiert.
Derzeit wohnt er mit seiner Freundin zusammen in Bochum, wo zur Zeit das Kollektiv "Monster Truck" das Schauspiel Marat/Sade von Peter Weiss bearbeitet.
Ein vielseitiger Künstler: "Manuel Gerst schafft beeindruckende Bühnenbilder und vereint darin verschiedene Kunsttypen", bescheinigte ihm bei der gestrigen Preisverleihung Angela Dorn, Ministerin für Wissenschaft und Kunst.
"Es trifft genau die Richtige", freute sich auch Catherine Miville, Intendantin des Stadttheaters Gießen. Sie wies darauf hin, dass Brack bereits mit zahlreichen renommierten Preisen ausgezeichnet worden sei, unter anderem mit dem Faust-Theaterpreis und einem Preis der Filmfestspiele Venedig. In dieser Liga der herausragenden Preise sei auch der Hein-Heckroth-Preis anzusiedeln. Miville nutzte die Gelegenheit, auf die schwierigen Arbeitsbedingungen der Bühnenbildner und Ausstatter bundesweit hinzuweisen. "Schauen wir auf diesen Berufsstand. Er leistet Wunderbares."
Bei jedem Festakt zur Verleihung des Preises wird ein besonderer Aspekt im Schaffen des 1901 in Gießen geborenen Künstlers beleuchtet. Diesmal sprach Prof. Dr. Sigrid Hofer über Hein Heckroth und die Künstlergruppe Quadriga. Heckroth kam 1956 nach seinem Exil wieder nach Frankfurt, wo er ab 1920 am Städelschen Kunstinstitut studiert hatte und nun die Bühnenausstattung des Schauspiels leiten sollte, betonte die Referentin. Heckroth fasste schnell im Nachkriegsdeutschland Fuß und habe sich zu einem der Protagonisten der progressiven Künstlerszene in Frankfurt entwickelt.
Der Höhepunkt des Festaktes folgte durch die Laudatio des Journalisten Till Briegleb, der die "ergreifend schöne und kluge Kunst" von Katrin Brack würdigte: "Es scheint hier eher eine miese Idee, ein Loblied auf den Klimawandel zu singen". Aber wie alles im Leben wandelt auch dieser Begriff sein Klima mit dem Kontext. Tatsächlich sei die wichtigste Requisite von Katrin Brack die Luft. "Sie füllt Bälle, Ballons und Seifenblasen mit Luft, um die formvollendete Selbstorganisation zur Kugel zu demonstrieren", nennt Briegleb nur ein Beispiel. "Es geht bei ihren luftigen Setzungen um Symbolik und Metaphern, um Atmosphäre und Kommentar."
Briegleb schließt seine Ausführungen mit der Erkenntnis: "Wenn Katrin Brack wie Ariel die Sphären bewegt, damit wir das Altbekannte neu betrachten können, dann ist das Traurigste daran, dass ihr Klima so vergänglich ist". Doch schon der alte Theatermacher Peter Brooks habe gewusst: Theater ist immer in den Wind geschrieben.
Nach ihrer Auszeichnung durch Ministerin Angela Dorn würdigte Bühnenbildnerin Katrin Brack die kreative Arbeit von Förderpreisträger Manuel Gerst. Vor sieben Jahren habe sich Gerst, bekannt durch seine Arbeit in Monster Truck, bei ihr für ein Studium als Bühnenbilder beworben. Sie sei beeindruckt gewesen, dass er häufig in hierarchiefreien Kollektiven arbeite und ist sich sicher: "Da wird noch einiges kommen."
Oberbürgermeisterin Dietlind Grabe-Bolz freute sich besonders, dem ehemaligen Gießener Studierenden der Angewandten Theaterwissenschaften den Förderpreis, der von der Stadt Gießen auf 5000 Euro erhöht worden sei, überreichen zu dürfen. Den Studiengang "Angewandte Theaterwissenschaften" bezeichnete sie als "Kaderschmiede der freien Szene" und erinnerte daran, dass Manuel Gerst 2005 in Gießen die Gruppe "Monster Truck" mitbegründet habe. So könne die Stadt Gießen Manuel Gert durchaus "als Lebensabschnitts-Sohn" ansehen.
Auch Gerst erinnerte sich gern an seine Gießener Jahre zurück. "Da schließt sich für mich ein Kreis." Und zum Thema Theater betonte er: "Ein gutes Bühnenbild soll alles zeigen, was wichtig ist und den restlichen Schnickschnack einfach weglassen". Das könne auch für andere Lebensbereiche angewandt werden.
Wie in den vergangenen Jahren führte die Schauspielerin Petra Soltau wieder sehr kenntnisreich als Moderatorin durch das Programm.