Die Pflanze als Lebewesen, das auch adoptiert werden kann, stand im Mittelpunkt einer Buchvorstellung im Gießkannenmuseum.
Von hsc
Die Autoren: Torsten Grosch und Haike Rausch. Foto: Schultz
Jetzt teilen:
Jetzt teilen:
GIESSEN * - Ein Buch über Pflanzen sollte vorgestellt werden, das konnte man sich im Gießkannenmuseum gut vorstellen. Doch was die Autoren Haike Rausch und Torsten Grosch da mitgebracht hatten, war zum einen etwas Ungewöhnliches. Und zum Zweiten purzelten aus ihrem Band "Urban Plants - Bio-Biographies" jede Menge heitere Aspekte und sogar mehrere Denkansätze heraus. Das Publikum im Museum war höchst angetan. Rausch und Rösch, die das Prokekt "431art" betreiben, stellen einige Kandidaten mit kurzen Profilgeschichten vor.
Dabei wird ein weiterer Aspekt des Projekts klar - die Adoption von Pflanzen, die dabei ganz selbstverständlich als Lebewesen betrachtet werden. Zur Klärung sei gesagt, dass die Texte des Bandes deutsch und englisch verfasst sind. Und die "Bio-Biografien" sind tatsächlich kurze Lebensgeschichten, allerdings von adoptierten Pflanzen. Das zweite Novum sind die Namen der Pflanzen, sehr originell und teils sogar exotisch. Als Beispiele seien genannt: Der "Bleistiftbaum Charcoal Joe" aus Münster, die Hortensie "Eco Punk", die Euphorbie "Chaos Theorist" oder der "Geldbaum Lehman", der ein halbes Jahr nach dem Crash der Bank "Lehman Brothers" an ein Frankfurter Geldinstitut vermittelt wurde - die deutsche Ausgabe der Financial Times berichtete. Man sieht sie alle in den hochwertigen Abbildungen, selbstverständlich auch mit ihren etwas weniger poetischen, lateinischen Namen.
Dabei geht es darum, die Verantwortung für eine Pflanze zu übernehmen und sich zu verpflichten, sie gut und sachgerecht zu behandeln. Pflanzenadoptionen sind in Deutschland inzwischen nicht mehr unbekannt, auch in Gießen nicht. "Jeden Samstag kommen junge Leute zu uns, verschwenden keinen Blick auf die Gießkannen und steuern zielstrebig auf den Tisch mit den zu adoptierenden Pflanzen zu," sagte Ingke Günther vom Museum. Man arbeite mit den Autoren schon seit zehn Jahren auf diesem Gebiet zusammen. Was man noch erfuhr: Es gibt seit zehn Jahren eine "Pflanzenklappe" des Projekts "Botanoadopt" , die Rausch und Grosch ein bis zwei Mal im Jahr an verschiedenen Orten fünf bis zehn Tage lang aufstellen, mit großem Erfolg. "Es werden immer so 200 Pflanzen abgegeben", sagt Rausch. Und "431art" lassen sie eben nicht verkommen, sondern vermitteln sie an adoptionswillige Leute; bisher in neun Staaten. Jede adoptierte Pflanze erhält einen Namen und eine Biografie. Diese Personifizierung dient nicht der Verniedlichung, sondern ist Teil der künstlerischen Utopie des Projekts "Botanoadopt", die Pflanzen als gleichberechtigte Lebewesen definiert. Es ist ein Unternehmen an der Grenze zwischen Satire und Ernst. Zum einen wollten Grosch und Rausch künstlerisch zu dem Thema arbeiten. Zugleich geht es indirekt um die Pflege der Umwelt, in der "die Chlorophyll erzeugenden Lebewesen" und die Menschen in einer recht groben Gemeinschaft existieren. Betrachtet man Pflanzen als bedeutsame und zumindest schützenswerte Lebewesen, sieht man die Welt da schon durch andere Augen.