Das fünfteilige Programm "Barock festLich" bot Kammermusik, Solisten und zwei Chorensembles auf höchstem Niveau in der Licher Marienstiftskirche.
Von Heiner Schultz
Ein lang vermisstes Bild: der mächtige Klangkörper mit den beiden Solistinnen Nicole Tamburro und Michaela Wehrum, angeleitet von Christof Becker. Foto: Schultz
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LICH - Auf große Begeisterung stieß das Festivalprogramm "Barock festLich" in der evangelischen Marienstiftskirche Lich. In der von Kantor Christof Becker organisierten und geleiteten Serie gab es am Samstagabend fünf Konzerte. Von feiner Kammermusik bis zu machtvoll strahlendem Chorgesang reichte das Spektrum, musiziert wurde auf exzellentem Niveau.
Die Reihe, 2020 pandemiebedingt ausgefallen, zählt seit Jahren zu den Schwerpunkten der regionalen klassischen Konzertszene. Doch statt die Musikfreunde und die Teilnehmer mit einer Mammutstrecke zu strapazieren, wurde der Abend in separat genussfähige fünf Teile unterteilt. So bekam das Programm einen entspannten Charakter und, gemessen an den Umständen, eine beachtliche Besucherzahl.
Die Entscheidung, welchen Auftritt man besuchen wollte, fiel in jedem Fall schwer, denn schon der kammermusikalische Auftakt war verlockend: Susanne Oehler (Flöte), Elisa Friedrich (Violine), Torsten Oehler (Cello) und Christof Becker (Cembalo) musizierten Werke von Johann Sebastian Bach, Franz Benda und Carl Philipp Emanuel Bach. Es folgten kleine geistliche Konzerte, gesungen von Tenor Shawn Mlynek und Orgelmusik von Rosenmüller, Johann Joseph Fux und anderen sowie im Teil "Cellissimo" die a-Moll Cellosonate von Francesco Geminiani und die bedeutende 5. Suite für Violoncello solo von Johann Sebastian Bach mit Cellistin Katja Kapus.
Die Cellistin entfaltete schon bei Bachs Suite eine enorme Klangvielfalt und erarbeitete sensible emotionale Nuancen. Besonders war, wie sie von Anfang an den Klang in die machtvolle Akustik der Kirche förmlich hinein schmiegte. Sie begann das Prélude verhalten, fast gesetzt, fand in einen schönen, kräftigen Fluss und setzte höchst prägnante dramaturgische Akzente. Im zweiten Satz war ein sanftes, verspieltes Wandern mit sicher gestalteten Spannungsbögen zu erleben. Sanft aparte und lyrische Wendungen sorgten für Farben im Geschehen.
Zur abschließenden Gigue hin wurde das in einen tänzerischen Schwung gesteigert, flink und fokussiert ausgeführt bis in ein eine große umfassende Öffnung. Auffallend war Kapus' stets deutliche und genussfördernde inhaltliche Klarheit. Herausragende Transparenz und spürbare Emotionalität waren weitere Hauptmerkmale ihres starken Auftritts. Die Umsetzung von Francesco Saverio Geminianis Sonate Nr. 6, am Cembalo, sensibel begleitet von Becker, brachte die Stärken der Solistin noch einmal zur Geltung: ein einziges Glanzlicht. Das Finale des Abends bestritt der bekannte, herausragende Violinist Vesselin Paraschkevov mit der die Sonate und Partita I von Bach für Violine solo.
Mit besonderer Spannung erwartet wurde das Chorkonzert, das erste seit langer Zeit, in dem zwei Großwerke Vivaldis zu Gehör kamen. Als Erstes das "Magnificat" RV 610 (Der Lobgesang der Maria) in sieben Teilen, gefolgt vom "Gloria" in elf Teilen. Interpreten waren die "Camerata Vocale Hessen" und die "Cappella Instrumentalis" unter der Leitung Christof Beckers.
Mit Spannung erwartet
Schon im Auftakt mit dem "Magnificat" setzten Sopranistin Nicole Tamburro und Mezzosopranistin Michaela Wehrum dem Geschehen Glanzlichter auf; bereits die ersten beiden Sätze gelangen insgesamt wunderbar, mit exzellenten Interaktionen zwischen Solisten und Ensemble. Mit frischem Elan eröffnet, wurde der zweite Satz vielfältig verträumt und mit schöner dramaturgischer Variation gestaltet. Im Nu war klar, dass der bestmotivierte Chor mit den glänzenden Instrumentalisten und Solistinnen eine ideale Verbindung eingegangen war, die zahlreiche spannende Phasen hervorbrachte. Das reichte vom lieblichen Timbre bis zu strahlender barocker Klangpracht und war oft tänzerisch ausgelegt.
Auch im "Gloria" war die sehr gute Transparenz bemerkenswert, mit der Chor und Instrumentalisten agierten. Jeder Abschluss funktionierte mit minutiöser Präzision, entließ die Musik unmerklich ins Rauschen des Raums - es wirkte mühelos.
Ausnahmslos erfreulich agierten die Solistinnen, deren Stimmlagen und Timbres sich auf hohem klanglichen und interpretatorischen Niveau konstruktiv ergänzten. Christof Becker führte das Ganze mit Sensibilität, Engagement und Präzision; an diesem Tag machte einfach jeder aus dem Herzen Musik, und entsprechend packend gelang das Finale: fetzige Bläser, ein fröhliches Brodeln und ein authentischer barocker Glanz. Riesenapplaus, die Besucher wussten, dass sie gerade etwas Besonderes erlebt hatten.