"Über Ecken und Kanten": Ausstellung des Mathematikums mit rund 60 Objekten
Der Architekt Friedhelm Kürpig und der holländische Mathematiker Koos Verhoeff zeigen im Mathematikum bildschöne und ausgewogen komponierte Skulpturen.
Von Heiner Schultz
Holz und Metall sind die Werkstoffe von Mathematiker Koos Verhoeff und Architekt Friedhelm Kürpig. Foto: Schultz
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GIESSEN - "Ecken und Kanten" sind in der aktuellen Ausstellung des Mathematikums zu sehen, irgendwie einleuchtend. Doch was der Architekt Friedhelm Kürpig und der holländische Mathematiker Koos Verhoeff da unter dem englischen Titel "Round about" zeigen, ist bei aller Bezogenheit auf die Mathematik zunächst einmal eine Sammlung nicht selten bildschöner, ungewöhnlich ausgewogen komponierter Skulpturen.
Kürpig (geboren 1942) und Verhoeff (1927 - 2018) "verbinden in ihren Arbeiten auf einzigartige Weise Mathematik mit Kunst", schreibt das Museum. Zu sehen sind etwa 60 Skulpturen, deren gemeinsames Thema der geometrische Weg über alle Ecken diverser Körper ist. Verhoeff arbeitete hauptsächlich in Holz, Kürpig in Metall. Einige der Werke zeigen eine kreative Synthese, bei der sich die beiden Materialien scheinbar durchdringen, fast eine folgerichtige Konsequenz: Die beiden Künstler arbeiteten eng zusammen. Zur Eröffnung gab Tom Verhoeff, Informatik- und Kunstprofessor an der Technischen Hochschule Eindhoven und Sohn des Künstlers, ein paar Erläuterungen zu den Arbeiten seines Vaters. Dabei veranschaulichte er einige kurvige "Verschlingungen" des Weges anhand verschiedener Materialien.
Hausherr Prof. Albrecht Beutelspacher wies bei der Eröffnung darauf hin, dass bei Kürpigs Objekten der Körper an sich zuweilen schwer zu sehen sei, so weitgehend hatte ihn der Künstler aus seiner Arbeit entfernt - die Konturen ermöglichen es jedoch, sich die Objekte vorzustellen. Zur Veranschaulichung des theoretischen Verfahrens stellt das Museum drei geometrische Körper aus, an dem man Zugang zur Mathematik hinter der Kunst finden und das Gedankliche zum Konkreten machen kann. Mathematisch wird dieser Weg nach einem bedeutenden Theoretiker "Hamiltonkreis" genannt. In den Vitrinen zu sehen sind verschiedene Stadien der Körper.
Es ist eine attraktive Schau geworden, was auch daran liegt, dass die Körper - oder was von ihnen zu sehen ist - mit höchster Präzision und aus hochwertig bearbeiteten Materialien zusammengefügt sind. Die schlichten Aluminiumrohre wirken so geradezu kostbar, die Holzarbeiten ebenso preziös. Originell ist der Name der einen Metallskulptur vor dem Eingang. "Zaun um nichts". Da spürte man den Künstler im Mathematiker oder beim "Hamiltonkreis auf einem Fußball". Eine Arbeit nennt Verhoeff dann trocken "Hamiltonkreis auf einem abgestumpften Oktaeder mit windschiefen Gehrungsverbindungen". Ein anderes heißt "Rechtwinkliger Champion", die meisten tragen jedoch ganz prosaische Namen.
Ganz besonders reizvoll sind die Arbeiten ("Joint venture"), die beide kreativen Ebenen und Materialien zusammenführen, was Kürpig nach dem Tod seines Kollegen übernahm. Nicht zuletzt stehen nun zwei attraktive Stahlskulpturen Kürpigs vor dem Gebäude. Nach einer Weile des Betrachtens sehen diese Werke aus, als stellten sie verschiedene Stadien der Vollendung dar. Darüber hinaus besitzen sie eine nahezu magische Ausstrahlung: Sie sind sich der Vereinnahmung ihres Raums ganz gewiss, der Betrachter staunt über die Freiheit der Verformungen und Loslösung von der Schwerkraft, einfach so, gepaart mit einer rätselhaft innigen Konzentration auf sich selbst.
Die Ausstellung läuft bis zum 5. Mai. Ein Künstlergespräch mit Friedhelm Kürpig gibt es am Sonntag, 28. April, um 14 Uhr. Führungen gibt es am 10. April (17 Uhr) und 5. Mai (14 Uhr).