Unterwegs in Gießen, Wien und der "Matratzengruft"
"Eine (r) liest": Die beliebte Literaturreihe unter den Marktarkaden startet am 1. August mit Christian Lugerths Hommage an den Schriftsteller Wolfgang Bochert.
Von uhg
Das Berliner Schauspielerpaar Anette Daugardt und Uwe Neumann führt am 15. August in Heinrich Heines "Matratzengruft". Fotos: Einerliest
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GIESSEN - Hauptsache, es geht wieder los. Am 1. August startet - etwas später als ursprünglich geplant - die beliebte Lesereihe "Eine (r) liest" unter den Gießener Marktarkaden. Dies gab Uwe Lischper, Leiter der Veranstaltungsreihe, bei einem Pressegespräch bekannt. Mit dabei war auch Annette Eidmann vom Kulturamt der Stadt Gießen, das von Anfang an als Mitveranstalter auftritt.
Dies ist die 14. Auflage der Lesereihe, und Lischper zeigte sich erleichtert, dass die Lesungen trotz Corona in diesem Jahr unter den gültigen Sicherheitsauflagen (Impfung, Genesung, Test) wieder stattfinden können. Beginn ist jeweils um 11.30 Uhr. Die Veranstaltungen dauern circa 60 Minuten und werden bei schlechtem Wetter in den Netanya-Saal des Alten Schlosses verlegt. Hier sind allerdings weniger Besucher möglich. Sollten die Infektionszahlen wieder deutlich ansteigen, müssen die Veranstaltungen möglicherweise abgesagt werden. Anstelle von Sitzbänken wird es in den Marktlauben wie im vergangenen Jahr Einzelbestuhlung unter Einhaltung der gültigen Abstandsregeln geben. Der beliebte Bücherflohmarkt muss allerdings auch in diesem Jahr ausfallen.
Klassiker zum Auftakt
Zum Auftakt am 1. August gibt es einen Klassiker: Der Gießener Schauspieler Christian Lugerth erinnert zum 100. Geburtstag von Wolfgang Borchert an Leben und Werk des bereits mit 26 Jahren verstorbenen Schriftstellers. Das Nachkriegs-Theaterstück "Draußen vor der Tür" wurde international bekannt, Lugerth wird nicht nur aus diesem Werk vorlesen, sondern auch unbekanntere Texte Borcherts vorstellen.
Um Heinrich Heine geht es in der zweiten Lesung am 15. August. Das Berliner Schauspielerpaar Anette Daugardt und Uwe Neumann präsentiert eine szenische Collage von Berichten und Texten aus den letzten Lebensjahren Heines. Der Dichter musste endlose acht Jahre bettlägerig in Paris zubringen, von 1848 bis 1856, in seiner "Matratzengruft", wie er es nannte - ehe der Tod ihn erlöste. Der Kämpfer Heine beharrte jedoch trotz seiner schweren Krankheit darauf, weiter zu leben, zu denken - und zu schreiben. Einige seiner schönsten Texte sind in dieser Zeit entstanden. Viele Leute statteten ihm einen Besuch ab, um mit ihm zu sprechen und zu diskutieren. Einige schrieben später auf, in welchen Stimmungen sie ihn vorfanden, welche Gespräche sie mit ihm führten. Daraus und aus Heines Werken selbst haben Daugardt und Neumann eine szenische Collage zusammengestellt. Ihre Hörspiel-CD zur "Matratzengruft" belegte jüngst auf der hr2-Hörspiel-Bestenliste Platz drei. "Eine Rhapsodie" ist der Titel einer Kurzgeschichte der jungen Autorin Lina Thiede, die sie am 29. August in den Marktlauben vorstellt. Thiede ist 1996 geboren, aufgewachsen in Gießen, sie studierte Komparatistik sowie Musikwissenschaften in Bonn und Saarbrücken. Aktuell widmet sie sich im Master den Theorien und Praktiken professionellen Schreibens in Köln. Ihre Texte waren bereits bei Wettbewerben wie dem Ovag-Literaturpreis sowie dem jungen Literaturforum Hessen-Thüringen erfolgreich. Aktuell wurde ihre Kurzgeschichte "Eine Rhapsodie" mit dem hr2-Literaturpreis ausgezeichnet. Eine zeitgemäße Geschichte, die vom Zusammentreffen einer Familie unter Corona-Bedingungen erzählt. Moderiert wird diese Lesung von der Gießener Journalistin Ulla Hahn-Grimm.
Unter dem Motto "jung, flott frisch." präsentieren am 12. September die Gewinnerinnen des Ovag-Literaturpreises 2020 ihre Texte. Katharina Clauss beleuchtet in ihrer Erzählung "Vier Reiter" die Themen Umweltverschmutzung, Fremdenfeindlichkeit und Tod. Patrizia Krug erzählt mit "Die Seelenschlüssel" eine dramatische Familiengeschichte: Wie weit geht ein Vater, der beruflich die Kunst des Seelenziehens praktiziert, um seinen eigenen Sohn zu heilen? Abschließend nimmt Lilli Weiskopf mit ihrer Erzählung "Mitte 20" das Publikum mit auf eine Reise durchs Nachtleben. So muss es sich also anfühlen, Mitte 20 zu sein und auf lebensverändernde Erkenntnisse zu warten. Die Moderation übernimmt Beatrice Kaiser, Mitarbeiterin beim Literarischen Zentrum Gießen (LZG).
Stadtspaziergänge
"Spaziergang durch Gießen" eine Hommage an die mittelhessische Metropole vom Autorenduo Mark Schäfer und Norbert Schmidt, steht am Sonntag, 19. September, auf dem Programm. Das Buch führt zu Lieblingsorten und ungewöhnlichen Ecken der Lahnstadt und gibt Anregungen, genauer hinzuschauen. Die beiden Journalisten werden einige dieser Orte vorstellen.
Um die Donaumetropole Wien geht es bei der letzten der sechs Lesungen am 3. Oktober. "Frau im Fluss" ist der Titel eines ganz besonderen Krimis, den die Autorin, die Psychiaterin und Psychotherapeutin Gertraud Evers vorstellen wird. Die Autorin ist in Wien geboren und lebt mit ihrem Mann in Gießen. Zur Story: Ein heißer Sommer in Wien 1988. Mella, eine junge Frau, ist nachts auf dem Heimweg und beobachtet, wie eine Frau von der Friedensbrücke in den Donaukanal stürzt. Es gelingt Mella, die Verunglückte aus dem Wasser zu ziehen. Die herbeigerufene Polizei stellt Fragen, die Mella nur bruchstückhaft beantworten kann. Was ist tatsächlich auf der Brücke geschehen? Als die Presse berichtet und ein Bild von der Retterin veröffentlicht, muss Mella fürchten, ins Visier eines Täters zu geraten.