Wissenschaftskabarettist Vince Ebert in der Gießener Kongresshalle
Wissenschaftskabarettist Vince Ebert befasste sich in Gießen mit der Zukunft - und versuchte dem Publikum Ängste davor mit dem Mordfall Mooshammer zu nehmen.
Von Petra Zielinski
"Was wir gestern über das heute dachten, erweist sich heute als ziemlich naiv", sagt Wissenschaftskabarettist Vince Ebert. Foto: Zielinski
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GIESSEN - "Wir gestalten die Zukunft jeden Tag. Wir sollten etwas Vernünftiges daraus machen." Mit diesen Worten verabschiedete Vince Ebert seine rund 400 Zuhörer am Samstagabend in der Kongresshalle. Zuvor hatte der Diplom-Physiker aus dem unterfränkischen Amorbach, der seit 20 Jahren mit großem Erfolg auf der Bühne steht, gewohnt witzig und wortgewandt einen Blick in die Zukunft geworfen. Und das nicht nur für naturwissenschaftlich bewanderte Fachleute, sondern auch für Laien verständlich.
"Zukunft is the Future" lautete denn auch der Titel seines aktuellen Bühnenprogramms, in dem er Themen, wie die Beziehung zwischen Mann und Frau ("Ich fürchte mich nicht vor Terrorismus, ich bin verheiratet") ebenso aufgriff wie den Trend zum Veganismus und den Wunsch nach Designerbabys. "Wie werden wir in 20 Jahren leben?", fragte der Wissenschaftskabarettist.
"Was wir gestern über das heute dachten, erweist sich heute als ziemlich naiv", stellte er fest. "Haben Sie vor 30 Jahren die Möglichkeit vermisst, eine SMS zu schreiben?", wollte er vom Publikum wissen und nannte Beispiele grober Fehleinschätzungen in den vergangenen Jahrzehnten: In den 50er Jahren habe IBM betont: "Wir denken, dass es einen Weltmarkt für vielleicht fünf Computer gibt." Und Warner Brothers wird das Zitat "Wer zum Teufel will Schauspieler sprechen hören?" zugeordnet.
Sein Fazit: "Genauso wenig wie wir gestern wussten, was heute ist, wissen wir heute, was morgen sein wird." So sei Viagra ursprünglich als Herzmedikament entwickelt worden, "das Patienten nicht mehr absetzen wollten" und Tesafilm sei als Heftpflaster vorgesehen gewesen. Seine Schlussfolgerung: "Die Welt ist viel zu komplex, um sie vorhersehen zu können."
Die Digitalisierung müsse keine Angst machen, betonte der Physiker. Im Gegenteil: Noch vor zehn Jahren sei Rudolph Moshammer mit einem Telefonkabel erdrosselt worden. "Ein Vorgang, der heute rein technisch überhaupt nicht mehr möglich ist." Nicht nur mit diesem Vergleich bewies er, dass (schwarzer) Humor in der Wissenschaft nicht zu kurz kommen muss. Auch Sprüche, wie "die größten Flaschen sind meistens die lautesten" oder "viele halten das jüngste Gericht für eine Kochshow" kamen beim Publikum gut an.
"Damals betrieben wir die Partnersuche analog mit realen Menschen", spielte er auf Parship und Co. an und betonte, dass jeder fünfte Mord in Deutschland auf das Konto des jeweiligen Ehepartners zurückgehe. Auch eine Scheidung koste den Menschen sechs Lebensjahre. Aber - so Vince Ebert: "Ein Leben ohne Tod wäre öde."
In diesem Zusammenhang wies der Diplom-Physiker darauf hin, dass die Verbesserung der Lebenserwartungen ein Megatrend sei. Bei Ärztestreiks sinke erwiesenermaßen die Sterblichkeitsrate. Ein weiterer Megatrend sei, dass mittlerweile weniger als zehn Prozent der Weltbevölkerung in Armut lebten. 1822 sei es fast jeder gewesen. Dennoch seien die Deutschen "Dauerpessimisten".
Rente und Schimpansen
"Wir Menschen besitzen im Gegensatz zu Tieren die Fähigkeit, über die Zukunft nachzudenken." So kämen Schimpansen beispielsweise nie auf die Idee, sich über die Rente Gedanken zu machen. "Warum auch sollte man über Dinge nachdenken, die es nicht gibt", fragte er provokant.
"Ist Reduzieren und Verzichten die richtige Zukunftsstrategie?", wollte Ebert wissen. Und: "Lösen wir die Probleme der Welt, wenn wir nachhaltig leben?" In der Natur sei es noch nie um Reduzierung gegangen, gab Ebert zu bedenken und kam auf den Kirschbaum zu sprechen, "der in seiner Verschwendung Leben für 200 andere Arten schafft." Erfindungsreichtum und Kooperation seien in Zukunft gefragt. Und vor allem sei es wichtig, von anderen Kulturen zu lernen.