Der letzte Wolf, der auf dem Gebiet des heutigen Lahn-Dill-Kreises erschossen wurde, starb 1841 bei Brandoberndorf. 2017 wurde wieder einer gesehen – in Biebertal. Weidetierhalter machen sich seitdem große Sorgen. Ist die Angst vor dem Wolf berechtigt?
Von Jenny Berns und Anna-Lena Fischer
Eigentlich ist er ein scheues Tier, dennoch fürchten sich die meisten Menschen vor ihm: der Wolf.
(Symbolfoto: Heinl/dpa)
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Braunfels-Philippstein - Der letzte Wolf, der auf dem Gebiet des heutigen Lahn-Dill-Kreises erschossen wurde, starb 1841 bei Brandoberndorf. 2017 wurde wieder einer gesehen – in Biebertal. Weidetierhalter machen sich seitdem große Sorgen. Ist die Angst vor dem Wolf berechtigt?
„Der Wolf gefährdet unsere Tiere, wir müssen sie vor ihm beschützen!“, sind sich landesweit Bauern und Schäfer einig. In Braunfels veranstalteten sie deshalb kürzlich ein Mahnfeuer. Etwa 200 Bauern und Schäfer aus Hessen versammelten sich auf einem Schäfereibetrieb von Andrea Gerlach in Philippstein. Die Weidetierhalter wollten auf die sogenannte „Wolfsproblematik“ aufmerksam machen.
Volker Lein, Vizepräsident vom Hessischen Bauernverband, warnte vor dem Wolf, der sich bislang hauptsächlich in Brandenburg, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern aufhalte. Er ist sicher, dass es nur eine Frage der Zeit sei, bis der Wolf sich auch in Hessen ausbreite. „Der Wolf vermehrt sich rasant, im Odenwald trieb er schon sein Unwesen und tötete acht Schafe, weitere verletzte er schwer“, sagte Lein. „Schafe und Ziegen liefern Wolle, Milch und Lammfleisch von höchster Qualität und nehmen eine wichtige Aufgabe in der Landschaftspflege wahr – nun ist es an der Politik, sich für diese Tiere einzusetzen.“ „Während Wölfe einen hohen Schutzstatus genießen, fehlt ein klares Bekenntnis für den Schutz unserer Tiere“, kritisierte Volker Lein.
„Wölfe gefährden nicht nur Weidetiere, sondern auch den Menschen – dies muss von der Politik erkannt und dementsprechend müssen Maßnahmen ergriffen werden“, lautete die Forderung der Schäfer und Bauern. Die Weidetierhalter werfen der Politik einen zu leichtfertigen Umgang mit dem Wolf vor.
„Rund 500 Wölfe leben derzeit in Deutschland, in Schweden werden ab einer Grenze von 300 Wölfen 50 Tiere zum Schuss freigegeben“, führte Armin Müller, Vorsitzender des Verbandes der Jagdgenossenschaft Hessen (einer Vereinigung von Landbesitzern) an – ein in den Augen der Versammlung gelungenes Beispiel, wie mit dem Wolf umzugehen sei.
Die Weidetierhalter richteten klare Forderungen an die hessischen Politiker: Sie fordern, Problemwölfe „entnehmen“ zu dürfen. Dies sei bislang nur unter besonderen Voraussetzungen möglich. Des Weiteren seien für alle Bestände bundesweit finanzielle Mittel für Schadensausgleiche bereitzustellen. Ein Rechtsanspruch auf diese Mittel solle eingeführt werden. Die Kosten für Vorsorgemaßnahmen wie Zäune und Verluste von Tieren seien außerdem vollständig zu ersetzen. „Wir sind nicht gegen den Wolf, wir sind für den Schutz unserer Tiere,“ hieß es abschließend.
Zu dem Thema gibt es allerdings auch andere Meinungen: „Wir sind kein Wolfsgebiet“, sagt der Vorsitzende des Nabu-Kreisverbands Lahn-Dill, Walter Veit, der die Sorge der Weidetierhalter derzeit nicht teilen will. Seit Jahren würden Wölfe auch durch die heimischen Wälder streifen. Sie seien allerdings auf der Wanderung von Osten in Richtung Frankreich und Italien. Angesiedelt hätte sich bisher noch keiner. Den Wolf sieht Veit deshalb nicht als Bedrohung. „Das ist ein scheues und sehr unauffälliges Tier.“
Auch Spaziergänger müssten sich im Lahn-Dill-Gebiet nicht fürchten: „Die Leute liegen da völlig daneben. Ein schlecht ausgebildeter Listenhund ist potenziell eine größere Gefahr. Und was völlig vergessen wird, sind die Wildschweine, die, wenn sie sich bedroht fühlen, durchaus Spaziergänger angreifen.“
Bisher keine bestätigten Nachweise für Populationen des Wolfes in ganz Hessen
Das Regierungspräsidium in Gießen (RP) teilte auf Anfrage mit, dass es in Hessen, derzeit keine bestätigten Nachweise für eine Wolfspopulation gebe. Nachgewiesene Sichtungen einzelner Tiere habe es in 2017 an fünf verschiedenen Orten in Hessen gegeben. Eine davon am 31. Mai in der Gemeinde Biebertal. „Die Wölfe sind an den gemeldeten Orten anschließend nicht mehr nachgewiesen worden“, hieß es in der Erklärung.
Auch Weidetiere wurden laut dem RP im Lahn-Dill-Gebiet in 2017 nicht gerissen. Die vom Vize-Präsidenten des Bauernverbands angeführten, getöteten Tiere im 150 Kilometer entfernten Odenwald, bestätigt das RP: Acht Schafe und eine Ziege wurden dort nachweislich durch den Wolf gerissen. Hierzu schreibt die Behörde jedoch: „In allen Fällen führte die Nichteinhaltung des Grundschutzes nach guter fachlicher Praxis zu den Übergriffen durch den Wolf.“
Eine Stellungnahme gab es im Vorfeld der Kundgebung auch vom BUND Hessen. „Der wahre Feind der Weidetierhalter ist nicht der Wolf, sondern Lidl, Aldi und Co“, war diese betitelt. Man habe zwar Verständnis für die Sorgen der Tierhalter, allerdings würde das Töten von Wölfen die Probleme der Weidetierhalter nicht lösen. Deren Ursachen lägen in einer verfehlten Agrarpolitik und den Preiskämpfen der großen Discounter bei Grundnahrungsmitteln. Der BUND fordert Weidetierprämien und wendet sich gegen eine Aufnahme des Wolfes in das Jagdrecht. EU-Länder wie Italien, Spanien und Schweden hätten bewiesen, dass „Weidtiere und Wölfe gemeinsam existieren können, sagte der BUND-Vorstandssprecher Jörg Nitsch. Eine Diskussion, was ein Problemwolf sei und wie mit diesem umgegangen werde, sei notwendig.