Bedauern und Enttäuschung: Reaktionen zur Schließung der Geburtsstation
Das Bedauern und Entsetzen über die angekündigte Schließung der Geburtsstation am Kaiserin-Auguste-Victoria-Krankenhaus ist riesig. Innerhalb weniger Stunden verbreitete sich die Nachricht am Donnerstag. Allein auf dem Facebookauftritt von mittelhessen.de wurde der Artikel fast 300 Mal kommentiert. Bedauern, Lob, Wut: eine Auswahl.
Von Christian Keller
Redakteur Wetzlar
Nur noch bis zum 30. September können hier imKreißsaal des Kaiserin-Auguste-Victoria-Krankenhaus Kinder auf die Welt gebracht werden. Foto: Christian Keller
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EHRINGSHAUSEN - Floskeln und Phrasen gilt es ja stets zu vermeiden. Doch die Nachricht, dass der Kreißsaal und die Geburtshilfe am Kaiserin-Auguste-Victoria-Krankenhaus in Ehringshausen geschlossen wird, ist am Donnerstag dennoch eingeschlagen wie eine Bombe. Nicht nur auf mittelhessen.de, sondern gerade in den sozialen Netzwerken hat die Nachricht innerhalb kürzester Zeit Zehntausende Leser.
34 000 Menschen hatte der Artikel bis Freitag erreicht. 248 Mal wurde er geteilt und 279 Mal kommentiert (Stand 13. September, 16.25 Uhr). Auf Facebook war es vielen Usern ein Anliegen, die Schließung zu kommentieren. Mal mit Wut, mal mit Lob für die bisherige Arbeit und natürlich bei vielen mit Bedauern. Eine Auswahl:
Lob für die bisherige Arbeit
"Das ist sehr traurig. Ich wurde 1974 in Ehringshausen geboren und 2001 habe ich dort meinen Sohn entbunden. Sylke Krause war die Hebamme, die einfach nur spitzenmäßig war. Ich habe mich dort sehr gut aufgehoben gefühlt, das Personal war super freundlich und es war dort eine schöne Atmosphäre. Sehr, sehr schade", äußert Alexandra Weißmann ihr Bedauern zur Schließung.
Dane Anders: "Das ist überaus bedauerlich. Wir haben uns immer sehr wohl dort gefühlt. Mein Kompliment und Dankbarkeit an alle Mitarbeiter*innen: Sie haben eine großartige Arbeit geleistet."
Die Schwangeren
Unter den Kommentatoren sind auch Schwangere, die in Ehringshausen ihr Kind entbinden lassen wollten.
"Sehr sehr schade...für alle Beteiligten und für mich, da ich eigentlich im November dort entbinden wollte", schreibt Carina Hammer.
Anna Schneider: "Ich finde es schade, was mich nur wütend macht, das es so rasant geht. Man hätte den Frauen, die jetzt kurz vor der Entbindung stehen - mich eingeschlossen ET (Entbindungstermin, Anm. d. Redaktion) ist in 12 Tagen -, die Möglichkeit geben können, die Station bis Ende des Jahres geöffnet zu lassen. Ich darf jetzt hoffen, dass mein Kind sich vor dem ET auf den Weg macht, ansonsten darf ich in ein anderes Krankenhaus fahren."
Familiäre Atmosphäre
In vielen Kommentaren wird die familiäre Atmosphäre gelobt, die Ärzte und Hebammen den Familien vermittelt habe:
"Megaschade, eigentlich megaschlimm für für alle Beteiligten!!! Auch meine drei Kids sind dort geboren worden, auch das ist schon wieder 19 bis 21 Jahre her, aber trotzdem! Dieses hübsche kleine Krankenhaus, wo alle so nett und freundlich sind, alles nicht wie Fließbandarbeit abläuft ... Jetzt läuft das auch so ab, wie bei allen anderen Pflegeeinrichtungen, und das Geld steht an erster Stelle!! Nein, nein, nein!!", schreibt Corina Gébl
Sarah Hornivius: "Das ist aber mehr als schade. Habe da zwei meiner Kinder zur Welt gebracht und habe mich so gut aufgehoben gefühlt. Ärzte, Hebammen und Schwestern waren so herzlich und sogar das Reinigungspersonal war total lieb. Total schade. Hab das Krankenhaus immer weiter empfohlen ... jetzt kann man hier in der Gegend nur noch das kleinere Übel wählen."
Silvia Si: "Es macht mich so wütend, dass alle kleinen Krankenhäuser ihre Geburtshilfe schließen müssen. Biedenkopf, Wehrda, Ehringshausen ..."
Kritik an der Schließung
Bettina Friedrich: "Na klasse, wieder so ein Krankenhaus, wo es sehr familiär ist, schließt seine Entbindungsstation. Meine beiden Kinder sind zwar in Weilburg geboren, aber ich fand es da schon sehr traurig, wo dort die Entbindungsstation zugemacht wurde, weil Giessen Wetzlar und Limburg sind keine schönen Optionen für eine Geburt, schade, dass es kein Geburtenhaus mehr gibt wie früher in Herborn bei Frau Kolmer."
"Hier müssen dann schnell die Rahmenbedingungen geändert werden! Kann ja nicht sein, dass der gesamte Gesundheitssektor nur noch nach betriebswirtschaftlichen Kriterien geführt wird. Wenn das bedeutet, dass meine Krankenkassenbeiträge steigen, habe ich kein Problem damit. Wir müssen als Gesellschaft die Finanzierung umstellen, da kann ich unserem Landrat nur zustimmen", schreibt Sebastian Koch.
Egon Baum: "So wird es immer weitergehen, wenn nur nach den Umsatzzahlen geschaut wird und nicht nach dem Faktor medizinische Versorgung ... und Pflege der Kranken!!! Es ist einfach nur eine Schande."
Damaris Huber: "Traurig, überall werden Geburtshilfestationen geschlossen. Mittlerweile muss man sehr oft lange fahren, um sein Kind zur Welt bringen zu können. Wir haben im Kreis Biedenkopf keine mehr, die nächste ist in Marburg."
Befürworter
Wenn auch nur vereinzelt, so gibt es auch ganz andere Meinungen zum grundsätzlichen Konzept von kleineren, regionalen Krankenhäusern: "Es gibt viel zu viele Krankenhäuser in Deutschland. Eine erhebliche Reduzierung macht einfach Sinn. Die Qualität könnte sich verbessern. Aber insgesamt muss das Gesundheitswesen auf den Prüfstand", schreibt Gerhard Rink.
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Auch Ehringshausens Bürgermeister Jürgen Mock und Landrat Wolfgang Schuster (beide SPD) haben sich zur Schließung der Geburtshilfe geäußert. Mit "Bedauern und Verärgerung" nimmt die Gemeinde Ehringshausen die Nachricht zur Kenntnis. Weiter schreibt Bürgermeister Mock in seiner Stellungnahme: Mit deutlich mehr als 400 Geburten im Jahr konnte sich die Station an dem "kleinen" Krankenhaus in Ehringshausen sehen lassen, und es hatte in der Region einen hervorragenden Ruf.
Auch in seiner Funktion als Vorsitzender des Fördervereins schmerze dieser Verlust sehr, schreibt Mock. Der Verein unterstütze seit 50 Jahren die Patientenbelange und setze sich für den Erhalt des ehrwürdigen Krankenhauses am Standort Ehringshausen ein. Gut sei, dass die Strukturen in der Klinik erhalten blieben. Das Personal habe hervorragende Arbeit geleistet.
Zu kritisieren seien die unsäglichen Rahmenbedingungen für die Arbeit der Gynäkologen und Hebammen. Eine Versicherungsprämie von 50 000 Euro für einen Arzt sei höher als ein Jahreslohn für einen Arbeiter, "das ist völlig unakzeptabel und macht die Versorgung im ländlichen Raum kaputt", ärgert sich Mock. Er kündigt an: "Wir werden als Gemeinde und Förderverein die Gespräche aufnehmen und das Krankenhaus bei jeder Bemühung unterstützen, die Geburtsstation wieder mit Leben zu erfüllen."
Wenn auch keine leichte Aufgabe, sehen sich die Lahn-Dill-Kliniken mit den Standorten in Wetzlar und Dillenburg gerüstet: "Sowohl in Dillenburg als auch in Wetzlar besteht die In-frastruktur, um zusätzliche Geburten abbilden zu können", erklärt Pressesprecherin Stefanie Mohr auf Nachfrage. Ansonsten schließe man sich der Aussage von Landrat Wolfgang Schuster (SPD), der auch Aufsichtsratsvorsitzender der Lahn-Dill-Kliniken ist, auf Facebook an: "Wir werden uns darauf einstellen, zusätzliche Geburten zu ermöglichen. Das wird auch für uns nicht einfach zu lösen sein." Weiter schreibt Schuster auf Facebook: "Ein sehr sarkastischer Kommentar des Landrates: Liebe Hebammen und Ärzte: Betreibt doch ein Atomkraftwerk. Dann braucht ihr keine Haftpflichtversicherung. Entschuldigung."
Schuster betont in seinem Post, dass die Lahn-Dill-Kliniken ausdrücklich auf eine Gewinnausschüttung verzichten. Das Krankenhaus in Ehringshausen habe einen privatwirtschaftlichen Eigentümer. "Wir wollen weder mit der Geburt noch mit dem Tod eines Menschen Geld verdienen, um Schulen zu sanieren oder den Breitbandausbau sicherzustellen", so Schuster.
Wohnortnahe Geburtshilfe wird von Eltern gewünscht
Von der geplanten Schließung habe die Geschäftsführung der Lahn-Dill-Kliniken am Mittwoch, 11. September, erfahren. "Aus unserer Sicht ist sehr bedauerlich, dass eine weitere Geburtshilfeabteilung schließen muss. Die Erfahrung zeigt, dass werdende Eltern eine wohnortnahe Geburtshilfe wünschen. Dennoch sind die Rahmenbedingungen mittlerweile sehr schwierig, sodass wir die Schließung der Geburtshilfe in diesem Fall nachvollziehen können", heißt es schriftlich von den Lahn-Dill-Kliniken. Dort wurden 2018 am Standort Wetzlar 576 und am Standort Dillenburg 567 Kinder geboren. Zum Vergleich: In Ehringshausen waren es im selben Zeitraum 473 Geburten.