Sie gelten als pflegeleicht - in Lahnau sollen Schottergärten künftig aber dennoch verboten werden. Denn ihre Ökobilanz ist nicht besonders gut.
Kein Foto aus Lahnau, stellenweise sieht es dort aber ganz ähnlich aus. Die Schottergärten sind auf dem Vormarsch. Auf Antrag der SPD-Fraktion sollen die vermeintlich pflegeleichten Gärten nun verboten werden. Foto: Heike Lyding
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Lahnau (pre). Eigentlich dürfte es sie gar nicht geben - Vorgärten ohne Grün, zugepflastert mit Steinen. Denn die meisten Bebauungspläne verpflichten Grundstücksbesitzer dazu, Freiflächen zu begrünen. Dass sich immer weniger Menschen um die Vorgaben scheren, ist mittlerweile auch in Lahnau zu sehen: Die Schottergärten sind auf dem Vormarsch. Wie lange noch?
Im Gemeindeparlament hat die SPD-Fraktion den ökologisch minderwertigen Steingärten den Kampf erklärt und beantragt, eine Satzung zum Verbot von Schottergärten zu erlassen. Der Bau- und Verkehrsausschuss hat den Antrag bereits beraten und einstimmig beschlossen. Endgültig entscheidet am Donnerstag das Gemeindeparlament.
"Es ist erschreckend, wie viel Grün zu Schotter wird und ich kann den Grund nicht verstehen. Ist es die leichtere Pflege?", fragte Karl Heinz Weber in der Ausschusssitzung. Sie ist es vermutlich. "Grund für die Verschotterung ist oft der Wunsch nach einem pflegeleichten Garten, weil die Gartenpflege zu mühsam sei oder die Zeit für die Gartenarbeit fehle", heißt es in einem Aufsatz zu diesem Thema des Gemeinde- und Städtebundes Rheinland-Pfalz.
ENTSCHEIDUNG IM PARLAMENT
Soll Lahnau eine Satzung zum Verbot von Schottergärten erhalten? Darüber und über viele weitere Themen entscheidet die Gemeindevertretung in ihrer Sitzung am Donnerstag, 2. Juli, ab 19.30 Uhr im Bürgerhaus Atzbach. Weitere Themen sind die Erstellung eines Konzepts für barrierefreie Verkehrsräume, die Erweiterung des Gewerbegebietes in Dorlar sowie das Pflegekonzept für den Bahndamm. Auch über die Radwege und die Einrichtung eines Gremiums für Mobilität wird debattiert. (pre)
Pflege der Anlagen ist aufwendiger als gedacht
Dabei sei die Pflege von Schottergärten aufwendiger als gedacht. Zwischen den Steinen lagerten sich Staub und Laub ab, die ein Substrat für unerwünschte Wildkräuter bilden könnten und beseitigt werden müssten. Algen, Flechten und Moos sowie Straßenstaub könnten die Steine verfärben oder verschmutzen. Sie müssten dann gereinigt oder ersetzt werden.
Der Naturschutzbund nennt weitere Gründe gegen die Steinwüsten im Vorgarten: Sie verstärken den Verkehrslärm, sind ökologisch tot und verhindern an warmen Tagen eine nächtliche Abkühlung, da sich die Steine tagsüber aufheizen und dann nachts Wärme abstrahlen. "Eine Kiesfläche vor dem Haus bewirkt also lediglich, dass es heiß, stickig, staubig, laut, anstrengend und teuer wird und keine Tiere mehr den Garten besuchen", lautet das Fazit des Nabu-Bundesverbandes.
Die negativen Folgen für die Biodiversität betont auch die SPD in ihrem Antrag. "Für die Artenvielfalt ist es notwendig, neben großflächig versiegelten Flächen ausreichende Grünflächen zu belassen", heißt es. Und: "Wer körperlich und zeitlich in der Lage ist, Gartenpflege zu betreiben, sollte sich angesichts der ökologischen Folgen der Steinwüsten überlegen, ob sich die Mühe für einen grünen Garten vielleicht doch lohnt." Grundsätzlich bestand im Ausschuss Einigkeit über das Ansinnen der SPD. Bedenken meldete aber Bernd Weber (FW/FDP) an. Inhaltlich sei das Ansinnen der SPD völlig korrekt. "Aber im Prinzip brauchen wir dann einen Bußgeldkatalog und jemanden, der Verstöße gegen die Satzung kontrolliert." Will heißen: Das Verbot der Schottergärten könne schwer umsetzbar sein.
Auch Bürgermeisterin Silvia Wrenger-Knispel (CDU) hakte nach. "Was ist mit den heute schon bestehenden Schottergärten?", fragte sie in Richtung der SPD und bat diese, ihre Vorstellungen zu den Inhalten der Satzung doch etwas zu konkretisieren. Denn es bringe ja nichts, dass die Gemeindeverwaltung eine Satzung entwerfe, ohne genau zu wissen, was darin stehen solle. "Wir müssen nichts erarbeiten, was denn wieder vom Tisch gefegt wird."
Diese inhaltliche Arbeit sieht die SPD aber nicht im Parlament. "Es geht uns um einen Grundsatzbeschluss, unser Antrag zielt darauf ab, dass der Gemeindevorstand etwas erarbeitet", sagte Fraktionschef Jan Moritz Böcher. "Halb Deutschland hat solche Satzungen, man muss nur im Internet suchen", ergänzte Brigitte Sauter-Hill (geo).
Dass es wichtig ist, eine rechtssichere Satzung zu erarbeiten, war Tenor im Ausschuss. Womöglich könnte der Hessische Städte- und Gemeindebund hier helfen. Vielleicht führt ja auch Corona zu einem Rückgang der Versteinerung. Fernreisen fallen aus und viele Menschen werden im Sommer 2020 wohl mehr Zeit im heimischen Garten verbringen als zuvor. Ob eine Steinwüste da so attraktiv ist?