SOLMS-OBERNDORF - Darf ein Oberndorfer eine alte Scheune zum Wohngebäude ausbauen oder nicht? Mit dieser Frage musste sich das Gießener Verwaltungsgericht im Zusammenhang mit einem Antrag auf einen Baustopp befassen.
Hintergrund: In Hessen müssen Bauherren einen Mindestabstand zur Grenze des Nachbargrundstücks einhalten. Dieser beträgt in der Regel drei Meter. In Neubaugebieten ist dies meist kein Problem.
Schwierig wird es dagegen in alten Ortskernen, wenn bestehende Bauten erneuert, aus- oder umgebaut werden sollen. Denn Wohnhäuser, Ställe und Scheunen wurden dort einst dicht an dicht gebaut. Wer also alte Gebäude um- oder ausbauen will oder gar alte Bausubstanz erneuern will, kann dies nur tun, wenn der Nachbar dem Bauvorhaben zustimmt. Dass es dabei zu Konflikten aufgrund unterschiedlicher Interessen kommen kann, ist vorprogrammiert. Aufgrund des 2018 erlassenen Gesetzes zur Neufassung der Hessischen Bauordnung ist es mittlerweile möglich, eine Baugenehmigung (vereinfachtes Genehmigungsverfahren) zu erhalten. Die Bauordnung führt auf, dass die erforderlichen Abstände zum Nachbarn in bestimmten Fällen unterschritten werden dürfen, sofern es sich um ein bereits bestehendes Gebäude handelt, das rechtmäßig errichtet wurde. Das trifft zu, wenn die Veränderungen beispielsweise nur innerhalb des Gebäudes vorgenommen werden oder es sich um einen gleichartigen Neubau handelt.
Umbau einer Scheune sorgt für Missstimmung
Trotz dieser Regelung führt die dichte Grenzbebauung in den alten Ortskernen auch weiterhin zu Streitfällen. Dies zeigt auch der Antrag, der jüngst beim Verwaltungsgericht Gießen verhandelt wurde. Dessen Entscheidung könnte bei ähnlich gelagerten Fällen in Zukunft eine Rolle spielen.
In der Sache ging es um Folgendes: Im Solmser Stadtteil Oberndorf will ein Mann eine alte Scheune zum Wohnhaus ausbauen. Der Bauantrag wurde vom Bauamt des Lahn-Dill-Kreis genehmigt.
Durch das Vorhaben sieht der Nachbar, dessen Wohnhaus samt Scheune direkt an die Bebauung des Oberndorfers angrenzt, allerdings seine Interessen eingeschränkt. Er legte zunächst Widerspruch gegen die Genehmigung ein. Seine Begründung: Der Mindestabstand werde nicht eingehalten und es handle sich beim Umbau der Scheune aufgrund massiver baulicher Veränderungen um einen Neubau. Was folgte, waren mehrere Anträge, die der Lahn-Dill-Kreis jedoch ablehnte.
Der Nachbar, der dies anders sieht, versuchte schließlich, einen kurzfristigen Baustopp über das Verwaltungsgericht in Gießen zu erreichen. Das hat den Antrag allerdings als unbegründet abgewiesen. Der Beschluss umfasst elf Seiten. Ein Punkt dabei ist, dass die Scheune, um die es geht, in einem unbeplanten Innenbereich liegt. Für solche Bereiche gilt ein anderer Paragraf im Baugesetzbuch. Nach diesem ist das Bauvorhaben unter bestimmten Bedingungen zulässig.
Gebäude passt ins Ortsbild
Dazu gehören folgende Aspekte, die das Gericht als gegeben ansah. Das Gebäude, so heißt es in der Begründung, füge sich auch nach dem geplanten Umbau in das Bild der Bebauung der näheren Umgebung ein. Das Ortsbild werde nicht beeinträchtig. Insgesamt sei der Ortskern von Oberndorf geprägt von dichter und überwiegend grenzständiger oder grenznaher Bebauung. Auch blieben die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse gewahrt. Änderungen innerhalb eines rechtmäßig errichteten Gebäudes seien zudem zulässig. Das Verwaltungsgericht folgte damit der Auffassung, dass es sich nicht um einen Neubau, sondern um einen Umbau handle. Dieser sei zulässig, wenn die bestehende Bausubstanz durch den Umbau sinnvoll erhalten werden könne. Das Gericht geht ferner davon aus, dass die Scheune, da sie der benachbarten gleicht, einst rechtmäßig errichtet wurde.
Eine Beeinträchtigung der Bebauung des Nachbargrundstücks, die nicht hinnehmbbar sei, sah das Gericht nicht gegeben. Zwar gebe es eine Nutzungsänderung – von der Scheune zum Wohngebäude – aber: „Die beantragten Änderungen betreffen alle das Innere des Gebäudes“. Zudem werde „die grenzständige Außenwand zum Grundstück des Antragstellers brandschutztechnisch verstärkt“. Den Umbau seiner Scheune in ein Wohngebäude darf der Oberndorfer nach der Entscheidung weiter verfolgen.