Keine Berufung: Erschlagener Chihuahua Norbert findet Frieden
Die juristische Auseinandersetzung um den erschlagenen Chihuahua "Norbert" hat nun doch ein Ende. Und das nicht erst mit einem Berufungsverfahren vor dem Landgericht Limburg.
Von Christian Keller
Redakteur Wetzlar
Findet nun zumindest aus juristischer Sicht endlich Frieden: der erschlagene Chihuahua "Norbert". Foto: privat
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Wetzlar/Waldsolms/Limburg. Aus, Schluss, vorbei: Die juristische Auseinandersetzung um den erschlagenen Chihuahua "Norbert" hat nun doch ein Ende. Und das nicht erst mit einem Berufungsverfahren vor dem Landgericht Limburg, wie zunächst geplant.
Allein fünf Verhandlungstage hatte der Prozess gegen einen 64-jährigen Hochschulprofessor aus Waldsolms am Wetzlarer Amtsgericht gedauert. Unerwartet lang hatten sich die Verhandlungen hingezogen, unter anderem weil der damalige Strafverteidiger des Angeklagten, Klaus-Dieter Henze, im Prozessverlauf etliche Beweisanträge eingebracht hatte, Zeugen vorladen ließ, deren Auskünfte aus Sicht des Gerichts letztlich aber wenig zur weiteren Aufklärung des Falls beitragen konnten.
Die Vorsitzende Richterin sah es letzten Endes als erwiesen an, dass der Hochschulprofessor im Frühjahr des vergangenen Jahres auf seiner Joggingrunde den Chihuahua namens "Norbert" einer 33-jährigen Pferdepflegerin mit mehreren Stockschlägen so heftig verletzte, dass dieser später in der Tierklinik der Uni Gießen verstarb.
Zehn Monate Haft auf Bewährung sowie die Zahlung von 3000 Euro an eine Tierschutzorganisation, 1500 Euro Schadenersatz für entstandene Tierarzt- und Bestattungskosten und nochmal 1500 Schmerzensgeld an Norberts Besitzerin waren Bestandteile des Urteils. Und das folgte damit weitgehend der Forderung von Oberstaatsanwalt Uwe Braun sowie der Nebenklagevertreterin Christiane Bender.
Während der Angeklagte, der bei einer Verurteilung von mehr als einem Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung unter anderem seine Professur im öffentlichen Dienst und seine Pensionsansprüche verloren hätte, sich als Monster, das durch Wald und Wiesen jogge, falsch dargestellt sah, betonte die Richterin in ihrer Urteilsbegründung: "Diese Kälte und Empathielosigkeit hat mich nachdenklich gemacht". Auch darüber, dass in fast einem Jahr zwischen der Tat und der Verhandlung am Amtsgericht nie der Schritt unternommen worden sei, sich bei der Hundebesitzerin zu entschuldigen oder Kontakt mit der Nebenklage aufzunehmen, stimmte die Richterin nachdenklich.
Strafverteidiger Henze hatte Freispruch gefordert und behauptet, die Tatwaffe - ein "Südtiroler Wanderstock" wie von einer Zeugin beschrieben - sei eine Erfindung, die im Gerichtssaal geboren wurde. Nachdem die Ehefrau des Angeklagten bei mehreren Aussagen im Zeugenstand widersprüchliche Angaben gemacht hatte, wollte Oberstaatsanwalt Braun zumindest prüfen, ob ein Verfahren wegen Falschaussage eingeleitet werden müsse.
Henze legte nach dem Urteil, ebenso wie die Staatsanwaltschaft, Berufung ein. "Zum einen ist das Urteil falsch, zum anderen müssen wir - bei zutreffender Berufsauffassung - auf Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft angemessen reagieren", sagte der Strafverteidiger im Februar. Für die Staatsanwaltschaft ging es in erster Linie um "Waffengleichheit" bei einer Neuauflage des Prozesses am Landgericht. Da beide Seiten Berufung eingelegt hatten, hätte das Strafmaß auch zuungunsten des Angeklagten höher ausfallen können.
Die Überraschung dann am Dienstag: Das Urteil vom Amtsgericht Wetzlar ist rechtskräftig. "Die Staatsanwaltschaft hat nach Rücksprache mit der Nebenklagevertreterin und dem neuen Strafverteidiger die Berufung zurückgenommen", bestätigte der Leitende Oberstaatsanwalt Michael Sagebiel auf Nachfrage dieser Zeitung. Gleiches habe der neue Strafverteidiger des verurteilten Hochschulprofessors, Michael Marks, getan.
"Meine Mandantin ist außerordentlich erleichtert, dass sie jetzt nicht nochmal alles vor Gericht durchleben muss", erklärte Rechtsanwältin Christiane Bender, die die Hundebesitzerin vor Gericht als Nebenklägerin vertreten hatte.
Dass es nun doch zu einer Einigung ohne Berufungsverfahren gekommen sei, mag auch am neuen Strafverteidiger liegen. Von einem "äußerst fairen Umgang" und einer "fairen Lösung", sprach Bender mit Blick auf die nun erfolgte Einigung. Zusätzlich zu den Bewährungsauflagen habe der 64-jährige Waldsolmser mittlerweile weitere 1500 Euro an die Hundebesitzerin gezahlt und die Anwaltskosten der Nebenklage vollumfänglich übernommen. Die Kosten des Verfahrens hätte er zwar ohnehin übernehmen müssen, allerdings habe er ihre abgerechneten Kosten "ohne Wenn und Aber" bereits bezahlt, erklärte Rechtsanwältin Bender.
Die Nachfrage beim neuen Strafverteidiger des nun rechtskräftig verurteilten Hochschulprofessors, woher dieser Sinneswandel und eine ganz andere Verteidigungsstrategie, als die von Klaus-Dieter Henze komme, lies die Kanzlei unbeantwortet. "Wir werden keine Stellungnahme zu dieser Sache abgeben", teilte eine Mitarbeiterin der Marburger Anwaltskanzlei auf Nachfrage mit.