Corona-Krise bringt Wetzlarer Tierheim in Schwierigkeiten
Keine Einnahmen, wenige Spenden: Unter der Corona-Krise leiden auch die Vierbeiner. Das Wetzlarer Tierheim ist auf Unterstützung angewiesen.
Von Gert Heiland
Redakteur Wetzlar
Geschenke aus Biebertal: Dusty hat großes Interesse an den leckeren Gaben. Foto: Heiland
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WETZLAR - Gut, wirklich still ist es nicht im Tierheim Wetzlar. Dafür sorgt allein schon die agile Pinscherdame Stella, die sich als Wachhund versteht. Aber viel zu melden hat sie die Tage nicht, auch das Tierheim leidet unter der Corona-Krise, erzählen Leiterin Melanie Vornholt und die 1. Vorsitzende des Tierschutzvereins Wetzlar und Umgebung, Miriam Heykamp.
Letztere ist für Stella im Moment ihr Lieblingsmensch. Die Hündin, deren Besitzer sie aus Altersgründen nicht mehr behalten konnten, sucht den Kontakt - und ein neues Zuhause; was auch für sieben weitere Hunde, 20 Katzen sowie fünf Meerschweinchen und Kaninchen gilt. Nur die sind im Gegensatz zur wuseligen Stella eher ruhige Vertreter. Typisch Pinscher eben.
Apropos ruhig. Die Lage ist ruhig, das Tierheim hat seit zwei Wochen zu. Das heißt, es kommen keine Besucher mehr und die Zahl der Vermittlungen geht zurück, denn viele ergeben sich durch einen Besuch im Tierheim. Nun bleiben noch Facebook und die Homepage (www.tierheim-wetzlar.de) als Forum.
OFFENER BRIEF AN MINISTERIN HINZ
Im Offenen Brief wenden sich Karsten Plücker (Vorstandsvorsitzender Bund gegen Missbrauch der Tiere und Vorstandsmitglied Stiftung Hessischer Tierschutz), Hans-Jürgen Kost-Stenger (Vorsitzender Landestierschutzverband Hessen und Vorstandsmitglied der Stiftung Hessischer Tierschutz) sowie Mike Ruckelshaus (Leiter Tierschutz Inland, "Tasso") an Priska Hinz, Hessens Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz.
Sie bitten in der aktuellen Ausnahmesituation, dass die Finanzmittel aus der Stiftung Hessischer Tierschutz aus ihrem "restriktiven Auflagenkorsett" befreit werden, sodass Tierheime und Tierschutzvereine, die in den kommenden Wochen ihren Betrieb aus eigener Kraft nicht aufrechterhalten können, sie unbürokratisch abrufen können. In der Stiftung sei aktuell Geld im sechsstelligen Bereich eingestellt, das geeignet wäre, das Schlimmste zu verhindern, ohne dabei Mittel in Anspruch zu nehmen, die derzeit zum Erhalt der hessischen Wirtschaft dringend benötigt werden.
Auch die Pensionshunde, im Schnitt sind es jedes Jahr um die 22, fallen weg, weil die Menschen den Urlaub streichen mussten. Und so fehlen diese wichtigen Einnahmen, etwa 5000 Euro Einbußen hat der Verein in dem Bereich.
Veranstaltungen wie Basar und Sommerfest werden gestrichen, auch weil man ja nicht planen kann. "Man kann im Grunde mit nichts rechnen, nichts kalkulieren, weil man ja nicht weiß, wie es weitergeht", sagt Heykamp.
Die Einnahmen fehlen und Spenden, oft hätten Besucher Geld oder Futter dagelassen, auch neue Mitglieder für den Verein sind Mangelware. Aber nicht alles bleibt aus. Plötzlich verrät Stella bellend, dass jemand am Tor ist: Eine Frau aus Biebertal stellte davor Kisten mit Futterspenden ab; die Sachen stoßen bei Border Collie Dusty auf großes Interesse.
Noch kein Tier wegen Corona abgegeben
Auch die etwa fünf regelmäßigen Gassigänger dürften nicht kommen, bedauern die beiden Frauen. Und so bleibt das meiste an Aufgaben an den 3,5 Mitarbeitern, die in zwei Schichten arbeiten müssen, hängen. Ihr Tag dauert von 8 bis 18 Uhr, sieben Tage die Woche und 365 Tage im Jahr - plus Bereitschaft nachts. Zum Glück ist keiner von ihnen krank, denn dann würde es eng im Tierheim.
Positiv sei aber, dass bislang noch kein Tier wegen der Angst vor Corona abgegeben wurde; die Menschen hätten inzwischen wohl begriffen, dass da keine Gefahr besteht. Sinkenden Einnahmen und Spenden stehen bleibende Kosten gegenüber.
Nicht nur fürs Personal, sondern vor allem für den Tierarzt. Letztere summieren sich im Jahr auf etwa 70.000 Euro, weiß die Vorsitzende. Was nicht am Veterinär liege, der Vertragstierarzt müsse mindestens den einfachen Satz nehmen.
Ins Geld gehen zum Beispiel Katzen aus schlechter Haltung, Tiere, die abgegeben werden, weil sie alt oder krank oder beides sind. Bei verwahrlosten Katzen muss man in der Regel die Zähne machen, dazu kommen Blutbild, Impfung, Kastration, Medikamente. Das läppert sich.
Oder die Kosten für die Endoskopie bei einem Kater mit unklaren Schluckproblemen, 600 bis 800 Euro stehen da im Raum. Oder die "Riesen-OP" von Herdenschutzhund Kenai, deren Kosten dürften im vierstelligen Bereich liegen. Viel Arbeit, wegbrechende Einnahmen, hohe Kosten - all das zu stemmen, das muss man wirklich, wirklich wollen... "Oh ja", sagt Melanie Vornholt, "aber alle Mitarbeiter und der Vorstand sind mit Leib und Seele dabei."