Es wird derzeit viel geflogen in Garbenheim: Noch bis Samstag starten Segelflieger bei der Wetzlarer Woche. Ein Mit-Flug ...
Von Pascal Reeber
Redakteur Wetzlar
Noch eine Wende über Niedergirmes, dann ist die Höhe aufgebraucht und es wird Zeit für eine Landung in den Garbenheimer Wiesen. Fluglehrer Steffen Hengst steuert an diesem Tag einen Motorsegler über Wetzlar. Die Maschine verfügt über einen ausklappbaren Propeller, mit dem das Flugzeug selbsttätig starten kann. Der Zusatzantrieb hilft zudem, bei schlechter Thermik die Rückkehr zum heimischen Platz zu schaffen. Foto: Pascal Reeber
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WETZLAR-GARBENHEIM - Am Himmel gelten eigene Regeln. Und eine eigene Sprache. Wenn Steffen Hengst in seinem Segelflieger über dem Forum kreist, kurz über dem Bauhaus und dann wieder Richtung Ikea abdreht, dann tut er dies, weil all die betonierten oder gepflasterten Flächen sich in der Sonne aufheizen. Die Luft erwärmt sich und steigt auf. Wie eine Luftblase vom Boden eines Kochtopfes. "Bart" heißen diese Aufwinde in der Sprache der Segelflieger. Sie halten die leichten Fluggeräte am Himmel. Und so ist Segelflug vor allem dies: die ständige Suche nach dem nächsten Bart.
Weil der Wind gedreht hat, wird nach Dorlar gestartet
9 Uhr, auf dem Fluggelände des VfL in den Garbenheimer Wiesen. Gerade läuft das Briefing, wie an jedem Morgen der Wetzlarer Woche. Die Mitglieder der 22 teilnehmenden Teams sitzen beisammen, analysieren den vergangenen Flugtag und lassen sich die Tagesaufgabe erläutern. Besonderheit dieses Tages: Der Wind hat auf Ost gedreht. Da auch Segelflieger in den Wind starten, muss die Winde umgestellt werden. Es wird also in Richtung Autobahnbrücke Dorlar gestartet. "Wir haben uns entschieden, heute nördlich der Lahn zu bleiben", sagt der Vereinsvorsitzende Jörg Mathes an der Karte. Die Aufgabe: bis nach Montabaur fliegen, dann nach Alsfeld, über Reiskirchen und Gießen zurück nach Wetzlar. Zielmarke ist der Bismarckturm.
An jedem Tag der Wetzlarer Woche ist eine Aufgabe vorgesehen. Gewertet wird ganz klassisch nach Zeit. Wer also zuerst zurück ist, gewinnt. Ein GPS-Logger in jedem Flugzeug zeichnet die Flugrouten auf und kontrolliert damit auch, ob die vorgegebenen Punkte angeflogen wurden. "Früher", erzählt Steffen Hengst, der zweite Vorsitzende des Ausrichtervereins VfL Wetzlar, "haben wir die Wendepunkte auf Rollfilm aus dem Cockpit fotografiert". Wendepunkte waren markante Bauwerke wie Türme oder Burgen. Heute, mit moderner Technik an Bord, können die Wendepunkte im Prinzip virtuell sein.
Die moderne Technik, erklärt Pilot Christian Volkmar, ist eine große Erleichterung. Alle modernen Segelflieger verfügen über einen Computer. Der zeigt und warnt dann zum Beispiel vor Flugverbotszonen. "Das nimmt Anfängern ein Stück Angst und lässt mehr Zeit für die Luftraumbeobachtung", sagt Volkmar.
Zwar geht es bei der Wetzlarer Woche um den Sieg - "hier fliegt aber keiner mit dem Messer zwischen den Zähnen", ergänzt er mit einem Schmunzeln. Die gemeinsame Freude am Luftsport sei viel zentraler. Und in der Tat: Wer am Morgen den Zusammenbau der Flugzeuge auf den Garbenheimer Wiesen verfolgt, der sieht viel Teamwork. Die Frage "Kann hier mal einer anpacken?" bleibt nie unbeantwortet.
Was macht den Sport so reizvoll? Wer das nicht versteht, sollte sich einmal selbst in so eine Maschine setzen und fast geräuschlos über das Lahntal gleiten. Die meisten Mitglieder kommen als Teenager dazu, weil sie fasziniert von Flugzeugen sind. Viele bauen erst Modelle. Und starten mit 16 ihre Ausbildung. Wer einmal in der Luft war, den hat die "Sucht" gepackt. "Kein Flug ist gleich", sagt Steffen Hengst. Die Thermik ist immer anders, der Wind auch. Echte Profis fliegen 1000 Kilometer am Stück. "Wenn kein Überlandflug möglich ist, fliegst du über der Stadt und schaust dir zwei Stunden den Dom von oben an", ergänzt er.
Aber natürlich sind die Überlandflüge das Größte. Christian Volkmar sagt: "Wenn man zum ersten Mal den Westerwald von oben sieht, fühlt man sich wie der König."