Das Optikunternehmen Oculus will seinen "Campus" neben einer Reihenhaussiedlung bauen. Wetzlars Bürgermeister Viertelhausen hat sich nun öffentlich zum Bauprojekt geäußert.
Von Sebastian Reh
Volontär
Das Oculus-Werk im Wetzlarer Stadtteil Dutenhofen: In gut 500 Metern Entfernung, auf einem Feld in Münchholzhausen, will die Firma einen weiteren Standort bauen. Das stößt bei den Anwohnern auf Kritik. Archivfoto: Franz Ewert
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WETZLAR-MÜNCHHOLZHAUSEN - Es ist ein warmer Sommerabend in Münchholzhausen. Nachbarn der Reihenhaussiedlung im Ohlacker sitzen beieinander. Sie essen Kuchen, trinken Kaffee. "Wir leben seit 1994 hier", erzählt Uwe Kinzenbach. Er fühlt sich wohl am östlichen Ortsrand von Münchholzhausen - eigentlich. "Mittlerweile kommt man schon auf Gedanken", sagt er. Die Option wegzuziehen, spricht Kinzenbach gar nicht aus. Die Anwesenden wissen, was gemeint ist.
Wo heute Vögel zwitschern, könnten bald Lüftungsanlagen dröhnen - das befürchten die Anwohner zumindest. Denn das Optikunternehmen Oculus mit Hauptsitz in Dutenhofen will expandieren. Neben ihren Häusern, wo derzeit noch gut 200 Meter Feld die beiden Stadtteile voneinander trennen, soll der "Oculus Campus" entstehen.
Das Oculus-Werk im Wetzlarer Stadtteil Dutenhofen: In gut 500 Metern Entfernung, auf einem Feld in Münchholzhausen, will die Firma einen weiteren Standort bauen. Das stößt bei den Anwohnern auf Kritik. Archivfoto: Franz Ewert
Auf diesem Feld am östlichen Ortsrand von Münchholzhausen, will Oculus bauen. Im Hintergrund sieht man die vier weißen Reihenhäuser, die unmittelbar davon betroffen wären. Archivfoto: Olivia Heß
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"Natürlich kann sich die Firma vergrößern", sagt Anwohnerin Simone Krombach. "Aber hier ist nicht der richtige Ort dafür", ergänzt Kinzenbach. Es geht den Anwohnern der Reihenhaussiedlung im Ohlacker nicht um das Bauvorhaben per se, sondern um die Dimensionen. Diese seien untragbar für den Stadtteil Münchholzhausen.
Offiziell sind noch gar keine Pläne für das Bauvorhaben "Oculus Campus" veröffentlicht worden. Doch bereits im Februar ist ein Entwurf an die Öffentlichkeit durchgesickert. Diesem zufolge will Oculus ein 42 Meter hohes Hochlager, Fertigungsanlagen und Wohn- sowie Bürohäuser neben den Reihenhäusern errichten. Das Grundstück gehört der Familie Kirchhübel, den Geschäftsführern von Oculus.
Die Folgen dieses Bauprojekts wären aus Sicht der Anwohner fatal: mehr Verkehr, mehr Lärm, schlechtere Luft, weniger Parkplätze. Und das würde nicht nur für die Menschen im Ohlacker gelten, sondern für alle Münchholzhäuser, meinen die Bewohner der Reihenhäuser. "Unsere Lebensqualität würde beeinträchtigt werden", ist sich Kinzenbach sicher. Dazu kommt, dass die Häuser im Ohlacker vermutlich an Wert verlieren würden.
Die Pläne von Oculus sind aber nicht das Einzige, was die Anwohner stört. Es geht ihnen auch um das Vorgehen der Stadt Wetzlar. Sie werfen ihr Intransparenz vor. Aus einer E-Mail, die der Redaktion vorliegt, geht hervor, dass die Stadt Oculus "nochmals" darum gebeten habe, "die Anwohner und Öffentlichkeit erst zu informieren, nachdem der Antrag auf Einleitung des Bauleitplanverfahrens in der Stadtverordnetenversammlung beschlossen wurde". Diese Versammlung findet im Juli statt.
Das Verhalten der Stadt erklärte Wetzlars Bürgermeister und Baudezernent Andreas Viertelhausen (FW) am Donnerstagabend in den Ortsbeiratssitzungen in Münchholzhausen und Dutenhofen. An beiden Sitzungen hatte auch die Familie Kirchhübel teilgenommen und stand für Fragen zur Verfügung.
"Wir sind bewusst nicht an die Öffentlichkeit gegangen", sagte Viertelhausen. Die Stadtverordneten hätten nicht nur "Stimmvieh" für ein Projekt sein wollen, was öffentlich sowieso schon bekannt und womöglich als bereits beschlossen gilt. Die Kommunalpolitiker hätten sich gewünscht, mehr in das Vorhaben eingebunden zu werden. So hätte ihnen Oculus auch die Möglichkeit gegeben, sich persönlich über die Pläne der Firma zu informieren. Das hätten alle "demokratischen Fraktionen" auch getan.
Viertelhausen hat die Ortsbeiratssitzungen genutzt, um das weitere Vorgehen der Stadt in puncto "Oculus Campus" zu erklären. Das Interesse der Bürger war besonders in Münchholzhausen groß. Schätzungsweise etwa 70 Menschen waren zur Sitzung gekommen.
Der "Startschuss" für das Vorhaben sei nun gefallen, erklärte Viertelhausen. Mittlerweile gibt es zwei Beschlussvorlagen. Damit Oculus auf dem Grundstück in Münchholzhausen bauen kann, muss zum einen der Flächennutzungsplan geändert werden. Zum anderen muss der Bebauungsplan aufgestellt werden. Über diese Vorlagen stimmen in den nächsten Wochen der Magistrat, der Umwelt-, Verkehrs- und Bauausschuss sowie die Stadtverordnetenversammlung ab.
"Das bedeutet aber nicht automatisch, dass das Werk dann auch gebaut wird", sagte der Bürgermeister. Er versuchte, den Gegnern des "Oculus Campus" die Sorgen zu nehmen. Bevor gebaut werden kann, müssten noch viele Fragen geklärt und Gutachten, etwa zu den Auswirkungen auf den Verkehr, erstellt werden. Und wegen der Höhe des Hochregallagers führe Viertelhausen derzeit "harte Gespräche" mit Oculus.
"Uns würde es wirklich wehtun, wenn die Gewerbesteuer der Firma Oculus wegfallen würde."
Andreas Viertelhausen, Baudezernent
Gereicht hat das dem Münchholzhäuser Ortsbeirat aber offensichtlich nicht. Er entschied sich mehrheitlich gegen die beiden Beschlussvorlagen. Das hat zwar keine Auswirkungen auf die Umsetzung der Pläne - ein Ortsbeirat kann nur eine Empfehlung abgeben -, aber es ist ein Stimmungsbild aus dem Ort. "Grundsätzlich begrüßen wir die Pläne, dass Oculus wachsen will", sagte Ortsvorsteher Jörg Schneider (CDU). Es gebe aber noch zu viele Bedenken, die ausgeräumt werden müssten.
Auch Anwohnerin Simone Krombach konnte von Viertelhausen nicht überzeugt werden. "Warum kann die Stadt nicht einfach eine Alternative finden, zum Beispiel im Dillfeld, wo der Verkehr egal ist?", fragte sie nach der Sitzung.
Der Ortsbeirat in Dutenhofen stimmte nicht über die Vorlagen ab, da nicht in dem Stadtteil gebaut werden soll. Aber auch dort äußerte Ortsvorsteher Andreas Altenheimer (CDU) Sorgen wegen des Verkehrs. Eine zweite Anbindung Münchholzhausens an die Landstraße 3451 sei wichtig. Das prüfe die Landesbehörde Hessen Mobil auch bereits, teilte Viertelhausen mit.
Das Bauvorhaben ist der Stadt Wetzlar offensichtlich wichtig. "Uns würde es wirklich wehtun, wenn die Gewerbesteuer der Firma Oculus wegfallen würde", sagte Viertelhausen im Dutenhofener Ortsbeirat. Mit dem Bau des "Oculus Campus" in Münchholzhausen würden nicht nur die bestehenden Arbeitsplätze in Wetzlar gesichert, sondern auch weitere geschaffen werden. Laut Viertelhausen arbeiten in den Wetzlarer Oculus-Standorten etwa 300 Menschen. Durch den "Campus" würde sich diese Zahl laut Viertelhausen mehr als verdoppeln.