Wiesbadener Awo-Skandal: Herzchen von der Heiligen Hannelore 

Olaf Streubig.

Wochenschau von Olaf Streubig: Wolfgang Gores und seine Tochter machen vor Gericht keine gute Figur. SMS und Mails offenbaren pikante Details.

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Wiesbaden. Die Fernsehteams und Fotografen zogen enttäuscht wieder ab. Zu gerne hätten sie Hannelore Richter, die Protagonistin im Awo-Skandal, vor die Linse bekommen. Doch die ehemalige Geschäftsführerin der Wiesbadener Arbeiterwohlfahrt kam nicht. Ebenso wenig erschien ihr ehemaliger Mitgeschäftsführer Murat Burcu. Ihn hatte das Amtsgericht als Zeugen im Prozess gegen Wolfgang Gores und dessen Tochter wieder ausgeladen, die Befragung von Hannelore Richter wurde kurzerhand auf einen neuen Termin verschoben. Zu viel Zeit hatten die ausschweifenden Einlassungen von Gores („Ich war mehr als 40 Jahre lang sozial und ehrenamtlich aktiv, immer gesetzeskonform und zum Wohle der Allgemeinheit.“) und dessen Befragung durch den sehr gut präparierten Richter Fabian Schicke in Anspruch genommen.

Showeinlage vom siegessicheren Bernhard Lorenz

Gores und seine Tochter sind wegen Anstiftung zu Untreue und Beihilfe zur Untreue angeklagt, weil die heute 36-Jährige drei Jahre lang Awo-Gehalt einstrich, ohne dafür zu arbeiten.

Für Verzögerung am ersten Verhandlungstag sorgte Bernhard Lorenz mit einer kleinen Showeinlage: Er rügte die Zuständigkeit des Gerichts, dozierte nach Kräften und verlangte das Verfahren nach Frankfurt zu verlegen. Schließlich hätte Gores Tochter für die Flüchtlingshilfe der Awo Frankfurt arbeiten sollen. Da Gores in Wiesbaden lebt und es um Geld der Wiesbadener Awo geht, verpufften diese Nebelkerzen.

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Gores weist Schuld von sich ab

Lorenz war als Rechtsbeistand von Wolfgang Gores beim Verfahren, das muss explizit erwähnt werden. Denn auch dessen Tochter hat er schon vertreten – erfolglos vor dem Arbeitsgericht in Freiburg. Und dann wirkt Lorenz in anderer Sache auch noch als Anwalt von Hannelore Richter, die hier als Zeugin auftreten wird. Interessenkonflikte gebe es da keine, erklärte uns Lorenz während einer Prozessunterbrechung vor dem Saal und zeigte sich wie immer siegessicher: Die Staatsanwaltschaft habe nichts gegen seinen Mandanten in der Hand. Dieser habe „nur einen Termin für das Bewerbungsgespräch seiner Tochter ausgemacht“. Dass daraus eine Anstellung resultierte, die junge Frau mehr als 53.000 Euro kassierte und dafür nie einen Finger krumm machen musste, habe nichts mit Gores zu tun. Auch der Tochter könne man kein Scheinarbeitsverhältnis unterstellen. Ein solches hätte qua Definition im Vorfeld geplant worden sein müssen.

Genau das ist die Annahme der Staatsanwaltschaft, die ihre Anklage unter anderem auf ein umfangreiches Paket an E-Mails und SMS-Korrespondenz stützt. Das lässt vermuten, dass Gores eine Scheinanstellung seiner Tochter mitgeplant und eng begleitet hat.

Der frühere Wiesbadener CDU-Stadtverordnete Wolfgang Gores. 
Der frühere Wiesbadener CDU-Stadtverordnete Wolfgang Gores.  (© René Vigneron)

„Im Auftrag meines Vaters“, schreibt da die Tochter an Hannelore Richter oder bittet „in Absprache mit meinem Vater“ dreist um gefälschte Arbeitsnachweise. Gores gibt sich ahnungslos. „Das mag merkwürdig klingen“, sagt er immer wieder, aber er habe lediglich mal Unterlagen seiner Tochter an Hannelore Richter weitergereicht.

Wollte Richter Gores instrumentalisieren?

Der Awo-Chefin habe er voll vertraut. Das sei wenig überraschend, erklärte sein Verteidiger: Durch ihr Wirken in der Stadt und durch euphorische Presseberichterstattung sei Richter doch „kurz vor der Heiligsprechung“ gewesen.

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Dass sie Wolfgang Gores instrumentalisieren wollte, lässt eine SMS von ihr an Gores vermuten, die Richter Fabian Schicke verlas. Darin heißt es: „Lieber, ich weiß, worum es geht.“ Man könne darüber nicht telefonieren. Es gebe „Neider und Übelreder. Mir wird blümerant“. Es gebe Probleme mit dem Robert-Krekel-Haus, man müsse sich treffen „bei einem Gläslein“. Die SMS ende mit Kussmund-Herzchen-Smiley, stellt Schicke verwundert fest.

An die SMS kann Gores sich erinnern, bei dem in Schieflage befindlichen Pflegeheim der Awo konnte er aber nicht helfen. Er habe beim Sozialdezernat nachgefragt, aber rechtlich sei da nichts möglich gewesen. Das habe er Hannelore Richter mitgeteilt. Die verfügt ein paar Tage später, dass Gores‘ Tochter das Gehalt um mehr als die Hälfte gekürzt wird. Man muss kein Mathegenie sein, um hier eins und eins zusammenzuzählen.

Auch der Tochter dämmerte längst, dass mit ihrer Scheinanstellung der Vater – ein einflussreicher Kommunal- und vor allem Sozialpolitiker – wohl beeinflusst werden sollte. Die Anstellung beendet sie aber nicht. „Allein das schon reicht zur Beihilfe für Untreue von Frau Richter“, erklärte Schicke.

Gores sieht das anders: „Der Arbeitgeber hat auch eine Pflicht“, sagte er laut. Ein Arbeitnehmer müsse doch nicht hinterherrennen? Wie das denn mit seinem Credo „Leistung und Gegenleistung“ zusammenpasse, wollte der Richter wissen. Ausführlich hatte der pensionierte Polizist Gores zu Beginn des Prozesses ein Präventionsprogramm vorgestellt, das auch als Motto für sein Leben gelte: „Gegenleistung nur für Leistung.“

Schicke hatte damit einen wunden Punkt herausgearbeitet und legte nach. Auf die Ausführungen der Angeklagten, sie hätte die Anstellung früher beenden müssen, und manchmal plage sie das schlechte Gewissen, fragte er: „Haben Sie denn schon etwas zurückgezahlt?“ Nein. Und das sei auch nicht beabsichtigt, hatte Bernhard Lorenz schon im April vor dem Arbeitsgericht klargestellt und Rechtsmittel gegen die dort verfügte Rückzahlung eingelegt. Von echter Reue also keine Spur.