Während Eswe Verkehr um Geschäftsführer Jan Görnemann immer stärker von den Versäumnissen der Vergangenheit eingeholt werden, agiert Verkehrsdezernent Andreas Kowol zurückhaltend.
WIESBADEN. In der Werkstatt des Betriebshofs von Eswe Verkehr herrscht geschäftiges Treiben. Hydraulikschrauber surren, Materialwagen rollen lautstark über den Boden und bereits in die Jahre gekommenen Hebebühnen ächzen unter dem Gewicht von Personal und Arbeitsgerät.
Geschäftsführer Jan Görnemann hat nicht ohne Grund an diesen Ort zum Pressegespräch geladen. Er will seine Mitarbeiter stärker in den Fokus stellen. „So wird hier gearbeitet“, sagt er und verhehlt nicht, dass die Arbeitsbedingungen auf dem Betriebshof mit denen aus den 80er- und 90er vergleichbar sind. „Ein einziger Investitionsstau, den sie hier sehen“, sagt der 51-Jährige und verweist nicht nur auf die veraltete Ausstattung, sondern auch auf frühere Versäumnisse bei der städtischen Gesellschaft. „Es gab keine Strategie, keinen Blick nach vorne, kein Angebot und keine Wertschätzung für die Mitarbeiter bei den Führungskräften.“
Dem Zuhörer wird schnell bewusst, Görnemann und Eswe Verkehr werden in diesen Tagen und Wochen Schritt für Schritt von der Vergangenheit eingeholt. Nach dem turbulenten und skandalgetriebenen Führungswechsel, den die Verkehrsgesellschaft hinter sich gebracht hat, sind viele der alten Entscheidungsträger zwar weg, ihr Erbe aber nicht. Und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind natürlich auch noch da – zumindest ein großer Teil von ihnen.
Sie baden das aus, was jahrelang in den oberen Etagen der Gesellschaft schief gelaufen ist. Auch die neue Geschäftsführung hat diese Aufgabenstellung. Die Zahlen lesen sich dramatisch: Über 200 Busfahrer fehlen, um den eigentlich regulären Busbetrieb überhaupt gewährleisten zu können. Ein Defizit, das in Zeiten von bundesweitem Fachkräftemangel kaum aufzuholen scheint. Ab Montag tritt die zweite Fahrplanreduktion innerhalb weniger Monate in Kraft. Ein alternativloser Schritt für Eswe Verkehr, die derzeit kaum eine andere Wahl hat.
Krankheitsfälle und aggressive Abwerbeversuche sind echte Tiefschläge für eine Gesellschaft, die eine neue Servicekultur in ihrer Belegschaft etablieren will. „Wir wollen Druck von den Fahrern nehmen, sie brauchen mehr Wertschätzung“, hatte Görnemann als einen der Gründe für die Etablierung des Samstagsfahrplans genannt.
Wiesbadener machen ihrem Unmut Luft
Die Szenerie in der veralteten Werkstatt mit den fleißigen Mitarbeitern im Hintergrund ist an Symbolik kaum zu übertreffen. Genau für diese Leute will man jetzt da sein. Trotz einer bisweilen zu gewollten Botschaft, die man vermitteln möchte, sind die Verbesserung des Betriebsklimas und bei den Arbeitsbedingungen der Busfahrer natürlich trotzdem richtige Schritte. Die eigentliche Begründung für die Fahrplanreduktion sollte aber eher lauten: Aktuell kann Eswe Verkehr einfach nicht mehr leisten. Jan Görnemann muss für diese ehrliche Erkenntnis nun gerade stehen.
Wiesbadens Bürger haben bereits auf vielen Kanälen ihrem Unmut Luft gemacht. Viele Familien graut es vor dem Schulstart am Montag, nach einer Ferienzeit, die durch das 9-Euro-Ticket einige kostengünstige Möglichkeiten in der Freizeit- und Urlaubsplanung geschaffen hatte. Sehr zum Gefallen von Verkehrsdezernent Andreas Kowol (Grüne), der das Ticket als großen Erfolg verbucht.
Görnemann sieht das ganz anders. „Das 9-Euro-Ticket wurde auf dem Rücken aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verkehrsbetriebe ausgetragen und hat das Personalproblem aufgrund der hohen Belastung sogar noch verschärft.“
Doch nicht nur beim 9-Euro-Ticket scheinen sich der Geschäftsführer und der Aufsichtsratsvorsitzende uneins zu sein. Während Görnemann mit dem neuen Busfahrplan eine mehr als unpopuläre Entscheidung an die Wiesbadener tragen musste, hüllt sich Kowol bisher in Schweigen. Man wird das Gefühl nicht los, dass er dieser Tage bei schlechten Nachrichten um den Mobilitätsdienstleister deutlich zurückhaltender agiert als es bei freudigen Anlässen wie dem 100. Batteriebus der Fall ist.
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Doch gerade jetzt muss sich die Stadtpolitik, und besonders der Verkehrsdezernent, der auch nach dem anstehenden Magistratsumbau noch Verkehrsdezernent und Eswe Aufsichtsratschef sein wird, klar positionieren und ihrer Gesellschaft, in welcher Form auch immer, den Rücken stärken. Den Buhmann darf nicht immer nur der spielen, der sich der Verantwortung stellt.