Noch nie hatten die Deutschen laut einer neuen Studie so wenig Angst wie in diesem Jahr. Daran ändert auch Corona nichts. Für die größten Sorgen sorgt jedoch ein Mann.
WIESBADEN. Corona macht den Deutschen keine Angst. Nur jeder Dritte Bundesbürger sorgt sich vor einer Erkrankung. Und: Gerade mal 42 Prozent der Deutschen glauben, dass die Globalisierung für mehr Pandemien sorgen könnte. Das zeigt die Studie „Die Ängste der Deutschen“, für die die R+V-Versicherung zum 29. Mal 2400 Menschen nach ihren größten Sorgen befragt hat.
Mehr noch: Die Deutschen haben im Jahr der Pandemie so wenig Sorgen wie noch nie. Der „Angstindex“, also der Durchschnittswert der abgefragten Sorgen, war mit 37 Prozent noch nie geringer. Wie kann das sein?
„Aus Erfahrung wissen wir, dass der Angstindex besonders hoch ist, wenn die Menschen sich hilflos fühlen und vor scheinbar unlösbaren Problemen stehen“, sagte die Leiterin der Umfrage, Brigitte Römstedt, der dpa. „Momentan haben wohl viele Menschen das Gefühl, dass sie sich durch das Einhalten der AHA-Regeln vor Corona schützen und dass auch die Regierung so weit alles im Griff hat. Das verhindert offensichtlich eine allgemeine Panik.“
Für allgemeines Unwohlsein sorgt dagegen ein Mann: US-Präsident Donald Trump. Das zeigt auch die Top 10 der größten Ängste der Deutschen.
Zum zweiten Mal nach 2018 ist Trump die größte Sorge der Deutschen. Das liege vor allem an der US-Außenpoltik, erklärt der Heidelberger Politikwissenschaftler Dr. Manfred G. Schmidt. Als Beispiele nennt er den Handelskonflikt mit China oder sicherheitspolitische Attacken gegen NATO-Partner. Dazu zählt beispielsweise auch der angekündigte Rückzug einiger US-Truppen aus Deutschland.
Je älter die Befragten, desto sorgenvoller ist übrigens der Blick auf Trumps Politik. Das ist eine generelle Tendenz: Ältere Bürger haben mehr Ängste als ihre jüngeren Mitbürger.
Aber nochmal zur Pandemie: Die macht den Deutschen nämlich doch Angst – und zwar in Form ihrer Konsequenzen. Zwischen Flensburg und Garmisch-Partenkirchen sorgt man sich ums Geld und den eigenen Wohlstand.
Konkret: Erstmals seit sechs Jahren ist die Furcht vor steigenden Lebenshaltungskosten wieder unter den sieben größten Ängsten. Nach einem Anstieg um acht Prozentpunkte klettert sie von Platz zehn auf Platz zwei und liegt bei 51 Prozent. Ebenso befürchtet fast jeder zweite Befragte, dass die deutschen Steuerzahler für überschuldete EU-Staaten zur Kasse gebeten werden.
Gleiches gilt für eine generelle Angst vor einer schlechteren Wirtschaftslage (48 Prozent, im Vorjahr sorgten sich lediglich 35 Prozent). Auch die allgemeine Furcht vor einer wachsenden Arbeitslosigkeit hat zugenommen (40 Prozent, plus zwölf Prozentpunkte). Den eigenen Job zu verlieren, befürchtet wie im Vorjahr aber lediglich jeder vierte Berufstätige. Die Deutschen können also durchaus unterscheiden zwischen einer Gesamtbetrachtung und ihrer eigenen Lage in verschiedenen Branchen.
Unverändert sind die Umweltsorgen der Deutschen. Dazu zählen Wetterextreme (44 Prozent) und belastete Nahrungsmittel (42 Prozent). Dass es negative Folgen des Klimawandels auf die Menschheit geben wird, befürchten indes lediglich 40 Prozent der Befragten – ein Prozent weniger als 2019. Die Klimabewegung wirkt also nicht auf die Gesamtbevölkerung.
Dass die Umwelthemen im Ranking präsenter sind als in früheren Jahren liegt an weniger Sorgen in einem anderen Bereich. Politische Themen machen den Deutschen weniger zu schaffen. Ein häufiges Krisenphänomen: Das Vertrauen in die Politik steigt. 40 Prozent der Deutschen befürchten, dass die Politiker von ihren Aufgaben überfordert sind – so wenige wie nie zuvor in diesem Jahrtausend.
Das gilt auch für die Folgen der Flüchtlingskrise: 43 Prozent der Befragten haben Angst vor Konflikten zwischen Deutschen und hier lebenden Ausländern. Das sind so wenige wie seit fünf Jahren nicht mehr (2019: 55 Prozent) Unter die 40-Prozent-Marke gerutscht sind auch die Ängste vor politischem Extremismus (37 Prozent) und Terroranschlägen (35 Prozent).
Geflüchtete machen dem Osten noch immer Angst
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In den ostdeutschen Bundesländern bleibt die Sorge vor Konflikten mit Geflüchteten jedoch präsent. Während lediglich 39 Prozent der Westdeutschen befürchten, dass die große Zahl der Geflüchteten die Deutschen und ihre Behörden überfordert, ist im Osten die überwiegende Mehrheit dieser Ansicht (Ost: 59 Prozent, Rang eins; West: Rang elf). So rangiert im Westen der Republik Donald Trump mit 54 Prozent als größter Angst-Faktor auf Platz eins. Bei den Ostdeutschen landet er mit 48 Prozent hingegen nur auf Platz acht.
Deutliche Unterschiede gibt es auch zwischen Hessen und Rheinland-Pfalz. Die Hessen zeigen sich generell ängstlicher (40 Prozent, RLP: 35 Prozent). Und es dominieren die wirtschaftlichen Ängste bei den Hessen. Die Angst vor einer generell schlechteren Wirtschaftslage liegt in Hessen sogar knapp 20 Prozentpunkte über dem Bundesschnitt. In Rheinland-Pfalz bietet sich ein durchmischteres Bild: Hier folgt auf Trump und die Konjunktur bereits die Sorge vor Wetterextremen.
Deutschland hat weniger Angst
Nach den Krisen der vergangenen Jahrzehnte lassen sich die Deutschen diesmal scheinbar nicht unterkriegen. Ja, die wirtschaftlichen Sorgen steigen. Aber: Noch nie bereite eine „Top-Angst“ wie nun die möglichen Folgen der Trump-Politik so wenig Sorgen. Trump rangiert bei 53 Prozent. Die Sorge vor Überforderung durch Flüchtlinge kam im Vorjahr auf 56 Prozent. Diese Werte sind jedoch weit entfernt von der Angst vor Terror im Jahr 2016 oder Angst für Kosten für die Steuerzahler in der Eurokrise im Jahr 2012 (jeweils 73 Prozent) oder aber der Angst vor steigenden Lebenshaltungskosten im Jahr 2004 (76 Prozent).