Vom Schokoriegel über Pudding bis zu Wurst – neue Protein-Angebote boomen. Doch was taugen sie? Das Portal Lebensmittelklarheit hat einen Marktcheck vorgelegt.
REGION. „Viel Protein, viel Power, echter Geschmack: der High Protein Joghurt ist super cremig bei starken 20 Gramm Protein pro Becher. Der ideale Begleiter für einen erfolgreichen Tag.“ Die Werbebotschaften für „die Extraportion Fitness“ versprechen nicht nur den „perfekten Begleiter für Deinen aktiven Lifestyle“, sondern auch mehr Gesundheit. Denn Proteine seien wichtig für den Muskelaufbau, schützten das Herz, regulierten den Stoffwechsel und beschleunigten die Fettverbrennung.
Schwarze Verpackung kennzeichnet neue Produkte
Protein-Produkte erobern im Lebensmitteleinzelhandel immer neue Sortimente. Nach Trinkpulver-Mischungen, Milch und Protein-Riegeln finden sich oft erkennbar an einer schwarzen Verpackung inzwischen Joghurts, Eis, Pudding und andere Desserts, Snacks, Eiweißbrot und inzwischen sogar Nudeln, Fertiggerichte, Gemüsekonserven, Wurst und Käse mit höherem Protein-Gehalt im Angebot.
Der Trend ist ungebrochen. Im Kühlregal haben Proteinprodukte ein kräftiges Wachstum erzielt. Der Absatz legte nach Untersuchungen des Marktforschungsinstituts NielsenIQ innerhalb eines Jahres (September 2021) um 30 Prozent zu. Der Umsatz stieg gleichzeitig sogar um satte 58 Prozent. Das ist ein klares Indiz für eine kräftige Preissteigerung. Alle großen Hersteller – von Ehrmann, Müller, Karwendel bis Emmi und Dr. Oetker – spielen die Proteinkarte aus. So baut die Molkerei Ehrmann beispielsweise ihr Sortiment mit der limitierten Edition „High Protein Drink Pistacia“ aus, um Impulskäufer zu locken. „Wir wollten bewusst eine etwas ausgefallene Sorte anbieten, die den Mutigen auf der Suche nach Abwechslung etwas bietet“, berichtete Produktmanagerin Susanne Bagaméri der Lebensmittelpraxis.
Grundsätzlich gilt, dass Werbung als „proteinreich“ oder „High Protein“ nur erlaubt ist, wenn das Lebensmittel – bezogen auf den Brennwert – mindestens 20 Prozent Protein enthält. Für die Angabe „Proteinquelle“ oder „enthält Protein“ müssen es zwölf Prozent sein. Nicht zulässig ist aber Werbung mit Selbstverständlichkeiten. Das wäre der Fall, wenn vergleichbare Lebensmittel ohnehin von Natur aus besonders proteinhaltig sind. Das Portal Lebensmittelklarheit, welches im Auftrag der Verbraucherzentralen betrieben wird, hat in einem Marktcheck 59 Produkte mit Proteinwerbung sowie 57 Vergleichsprodukte untersucht.
Der direkte Vergleich zeigte, dass in den Proteinlebensmitteln nicht immer außergewöhnlich viel Eiweiß steckt. Knapp ein Viertel der Produkte habe genauso viel oder nur geringfügig mehr Eiweiß als das Vergleichsprodukt ohne Proteinwerbung enthalten. „Besonders häufig war das bei Käse der Fall. Sechs Produkte im Check unterschieden sich im Proteingehalt nicht oder kaum von vergleichbarem Käse ohne Proteinwerbung“, heißt es. Vier Anbieter hätten mit dem Hinweis „von Natur aus“ geworben, um die Gefahr einer Werbung mit Selbstverständlichkeiten zu vermeiden.
Günstig sind Protein-Produkte allerdings nicht. Wer Lebensmittel mit Proteinwerbung kauft, muss tief in die Tasche greifen: 49 von 57 Proteinprodukten waren nach der Untersuchung von Lebensmittelklarheit teurer als entsprechende Vergleichsprodukte. „Jedes fünfte Produkt im Marktcheck kostete sogar mehr als doppelt so viel.“ Kritisiert wird zudem, dass bei den Produkten oft der Proteingehalt bezogen auf die jeweilige Verpackung angegeben wird. Damit werde die Vergleichbarkeit der Produkte erschwert. Außerdem erscheine der Eiweißgehalt damit größer, als er tatsächlich ist. Ein Drittel der untersuchten Produkte fällt darüber hinaus durch einen hohen Fett- und Salzgehalt auf. Gesund ist das nicht.
Isländische Skyr-Joghurt war der Trendsetter
Pionier bei den Proteinprodukten war die Molkereigenossenschaft Arlo Foods, die mit dem isländischen Skyr-Joghurt die Regale eroberte. Bei der Produktion wird ausschließlich entrahmte Milch benutzt. Dadurch erhält Skyr seinen hohen Proteingehalt. Der Absatzboom stachelt nun den Erfindungsgeist an. Ständig kommen neue Innovationen auf den Markt. „In Omas Garage haben wir eine Hybrid-Bratwurst entwickelt, die mit einem geringen Fettgehalt und einem hohen Proteingehalt punkten kann“, erläuterte Michael Ziegler, Gründer von Grillido, der Lebensmittelpraxis.
Der Geschmacksträger Fett sei durch Gemüse, Käse und Gewürze ersetzt worden. Damit seien neue Sorten wie Huhn-Spinat-Feta oder Rind-Almkäse-Chili entwickelt worden. „Protein ist definitiv ein Trend.“ Genauso wie Flexitarismus, also reduzierter Fleischkonsum.