EU-Staaten einigen sich auf Grundzüge für Sanktionen

aus Krieg in der Ukraine

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Ursula von der Leyen (CDU), Präsidentin der Europäischen Kommission, gibt zusammen mit Josep Borrell, EU-Außenbeauftragter, eine Presseerklärung zum Ukraine-Konflikt im EU-Hauptquartier ab.  Foto: dpa

Russlands Präsident Putin schickt Kampfflugzeuge und Panzer in die Ukraine. Die Nato aktiviert Verteidigungspläne - und auch die UEFA reagiert.

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MOSKAU / KIEW. Russland hat einen Krieg gegen die Ukraine begonnen. Präsident Wladimir Putin ordnete am frühen Donnerstagmorgen eine Militäroperation in den Regionen Luhansk und Donezk an. Angriffe mit Kampfflugzeugen, Hubschrauber und Raketen wurden auch aus anderen Teilen der Ukraine gegen militärische Infrastruktur gemeldet.

Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine wird die Europäische Fußball-Union St. Petersburg das Champions-League-Finale entziehen. Das Endspiel ist bislang für den 28. Mai in der WM-Arena in Wladimir Putins Heimatstadt vorgesehen. Der Beschluss zur Aberkennung der Gastgeberrolle soll nach dpa-Informationen auf der außerordentlichen Sitzung des UEFA-Exekutivkomitees am Freitag (10.00 Uhr MEZ) fallen. Eine Entscheidung über einen Ersatzort wird am Freitag noch nicht erwartet.

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Russische Truppen haben einen Flugplatz nahe der ukrainischen Hauptstadt Kiew angegriffen. Dabei seien mindestens drei russische Hubschrauber abgeschossen worden, teilte das ukrainische Verteidigungsministerium am Donnerstag mit. Der Flugplatz Hostomel liegt rund 30 Kilometer nordwestlich des Zentrums der ukrainischen Hauptstadt.

Für Meldungen, dass russische Truppen den Airport eingenommen haben, gab es zunächst keine unabhängige Bestätigung. Der Berater des ukrainischen Innenministers, Anton Heraschtschenko, teilte bei Facebook Videos von angeblich abgeschossenen russischen Hubschraubern.

Nato reagiert

US-Präsident Joe Biden, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), die westlichen Verbündeten sowie die Europäische Union und die Nato verurteilten Putins Vorgehen scharf und kündigten umgehend weitere Sanktionen an. Russland hat nach den Worten von Biden "vorsätzlich" einen "Krieg" gegen die Ukraine begonnen. Die Nato geht angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine in den Krisenmodus. "Wir haben beschlossen (...) zusätzliche Schritte zu unternehmen, um die Abschreckung und Verteidigung im gesamten Bündnis weiter zu verstärken», heißt es in einer am Donnerstag verabschiedeten Erklärung der 30 Bündnisstaaten. Alle Maßnahmen seien und blieben aber «präventiv, verhältnismäßig und nicht eskalierend». Der Oberbefehlshaber der Nato-Streitkräfte bekommt damit weitreichende Befugnisse, um zum Beispiel Truppen anzufordern und zu verlegen.

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Scholz: "Für all das gibt es keine Rechtfertigung."

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat am Donnerstagmittag dem russischen Präsidenten Wladimir Putin vorgeworfen, mit seinem Angriff auf die Ukraine den Frieden in ganz Europa zu gefährden. "Mit seinem Angriff auf die Ukraine bricht der russische Präsident Putin abermals eklatant das Völkerrecht", sagte der SPD-Politiker am Donnerstag in Berlin. Putin bringe Leid und Zerstörung über seine direkten Nachbarn. Er verletze die Souveränität und die Grenzen der Ukraine und gefährde das Leben unzähliger Unschuldiger in der Ukraine, dem Brudervolk Russlands. Letztlich stelle Putin auch die Friedensordnung des europäischen Kontinents in Frage. "Für all das gibt es keine Rechtfertigung. Das ist Putins Krieg", sagte Scholz, der von einem furchtbaren Tag für die Ukraine und einem düsteren Tag für Europa sprach.

Die Nato aktiviert angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine die Verteidigungspläne für Osteuropa. Der Oberbefehlshaber der Nato-Streitkräfte bekommt damit weitreichende Befugnisse, um zum Beispiel Truppen anzufordern und zu verlegen.

Putin will "Entmilitarisierung" der Ukraine

In einer Fernsehansprache sagte Putin: "Ich habe beschlossen, eine Sonder-Militäroperation durchzuführen. Ihr Ziel ist der Schutz der Menschen, die seit acht Jahren Misshandlung und Genozid ausgesetzt sind." Russland strebe die Entmilitarisierung und die Entnazifizierung der Ukraine an.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj forderte "sofortige Sanktionen" gegen Moskau. Selenskyj telefonierte unter anderem mit Biden und Scholz. Selenskyj rief den Kriegszustand aus. Als Reaktion auf den russischen Einmarsch bricht die Ukraine die diplomatischen Beziehungen mit dem Nachbarland Russland ab. Das sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj am Donnerstag in der ukrainischen Hauptstadt Kiew.

Militärische Nato-Unterstützung für die Ukraine gilt weiter als ausgeschlossen, weil dadurch ein noch größerer Krieg zwischen der Nato und Russland ausgelöst werden könnte. Die EU wird nach Angaben von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratschef Charles Michel umgehend ein neues Sanktionspaket beschließen. Dieses werde "massive und schwerwiegende Folgen" für Russland haben. Für den Abend ist ein EU-Krisengipfel in Brüssel geplant. Die USA, die EU und weitere Verbündete haben bereits Sanktionen verhängt.

Putin hatte am Montag die Unabhängigkeit der Separatistenregionen Donezk und Luhansk in der Ostukraine anerkannt und eine Entsendung russischer Soldaten angeordnet. Der Kremlchef plant zum zweiten Mal nach 2014 einen Einmarsch in die Ukraine. Der Westen wirft Putin vor, gegen Völkerrecht zu verstoßen. Russland hat nach westlichen Angaben etwa 150.000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine zusammengezogen.

Nach Angaben des ukrainischen Generalstabs gab es russischen Beschuss im Osten des Landes. Russisches Militär habe Gebiete und Siedlungen entlang der Staatsgrenze sowie mehrere Flugplätze angegriffen, teilte der Generalstab in Kiew mit. Landungsoperationen des russischen Militärs in der südostukrainischen Stadt Odessa habe es nicht gegeben. "Die Situation ist unter Kontrolle." Das Militär schoss nach eigenen Angaben im Gebiet Luhansk fünf russische Flugzeuge und einen Hubschrauber ab.

Ein Korrespondent der Deutschen Presse-Agentur in Kiew berichtete, dass auch in Kiew Donnerschläge zu hören waren. Es war unklar, woher diese kamen. "Jetzt hören wir einige Explosionen", schrieb auch eine Anwohnerin aus Kiew in einem privaten Chat, der dpa vorlag.

Die von Russland unterstützten Separatisten meldeten nach dem Einmarsch die Einnahme von zwei Kleinstädten. Es handele sich dabei um Stanyzja Luhanska und um Schtschastja, teilten die Separatisten mit. Demnach sind Truppen über den Fluss Siwerskyj Donez vorgedrungen, der bisher die Frontlinie bildete.

Weitere harte Sanktionen der USA gegen Russland

US-Präsident Biden verurteilte den "unprovozierten und ungerechtfertigten" russischen Angriff auf die Ukraine in dem Gespräch mit Selenskyj. Er habe ihn über weitere harte Sanktionen der USA gegen Russland informiert.

Biden wollte noch am Donnerstag seinen Amtskollegen aus der Gruppe der sieben wichtigsten Wirtschaftsnationen besprechen. "Wir werden der Ukraine und dem ukrainischen Volk weiter Hilfe und Unterstützung zukommen lassen", erklärte Biden.

US-Außenminister Antony Blinken, Verteidigungsminister Lloyd Austin und Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sprachen über eine Stärkung der Präsenz des Bündnisses in den osteuropäischen Mitgliedsstaaten. Blinken betonte, dass die Verpflichtung der USA, das Bündnisgebiet im Angriffsfall zu verteidigen, "eisern" sei.

Die US-Regierung hat seit Beginn des Konflikts um die Ukraine bereits rund 6000 Soldaten in osteuropäische Nato-Mitgliedsländer verlegt oder deren Verlegung angekündigt. Die meisten von ihnen wurden nach Polen verlegt, das im Osten an die Ukraine grenzt.

Von dpa