Mehrere Ökonomen fordern, die Sanktionen endlich auf Swift auszudehnen und Russland davon abzukoppeln. Einige Experten befürchten, dass das nicht die gewünschte Wirkung bringt.
FRANKURT/BERLIN/NEW YORK. Vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges plädieren verschiedene Ökonomen nachdrücklich dafür, Russland endlich vom Banken-Informationssystem Swift abzuschneiden. "Wir müssen handeln, um glaubwürdig zu bleiben", sagte Veronika Grimm, Mitglied im Sachverständigenrat, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Samstag) laut Vorabmeldung. Das Argument für einen Aufschub überzeuge nicht. "Auf welche weitere Eskalationsstufe will man denn noch warten?" Ein Ausschluss Russlands vom Swift-System sei zwar angesichts dann drohender Engpässe und Preissteigerungen bei Öl und Gas einschneidend. "Aber das Szenario wurde vorbereitet und ist handhabbar", wird die Ökonomin zitiert.
Stopp von Swift hat auch Folgen für alle anderen
Ähnlich äußerte sich der Direktor des arbeitgebernahen Institutes der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther. "Stoppt man Swift, bricht alles zusammen - das konnte man im Iran beobachten. Anders ist Putin aber womöglich nicht zu bremsen", sagte Hüther der Funke Mediengruppe. "Die Sanktionen müssen bis zur äußersten Schärfe gezogen werden." Das habe Folgen für den Westen. So würde die Inflation kurzfristig hoch sein. "Die ökonomischen Folgen sind in Kauf zu nehmen - das muss auch die Wirtschaft akzeptieren", sagte Hüther. Putin müsse wirksam sanktioniert werden.
Swift ist ein System zum Datenabgleich zwischen Banken bei internationalen Zahlungen. Die Bundesregierung argumentiert, ein Ausschuss Russlands hätte auch starke Auswirkungen auf den Zahlungsverkehr in Deutschland und für deutsche Unternehmen im Geschäft mit dem Land.
Russland kann Swift mit Krypto-Währungen teilweise umgehen
Ein Rauswurf von Russland aus dem internationalen Zahlungssystem Swift gilt als technisch aufwendig – und hat eventuell auch enorme Auswirkungen auf Unternehmen in Europa. Die Abkopplung Russlands von Swift wird immer als das schärfste Schwert bei den Sanktionen bezeichnet. Doch einige Experten sind da weniger optimistisch. Sie befürchten, dass Russland dank Bitcoin & Co. auch ohne Swift klarkommen könnte.
Ein Ausschluss Russlands vom internationalen Banken-Kommunikationsnetzwerk Swift muss nach Einschätzung von Experten mittel- und langfristig nicht zu einer kompletten finanziellen Isolation führen. Russland stünden im Bereich der Digitalwährungen zumindest theoretisch zwei Swift-Alternativen zu Verfügung, sagte Philipp Sandner, Wirtschaftswissenschaftler an der Frankfurt School of Finance & Management, der Deutschen Presse-Agentur. Zum einen könne Russland auf klassische Kryptowährungen ausweichen. Zum anderen könne Präsident Wladimir Putin versuchen, sein Land an die neue chinesische Digitalwährung e-Yuan (eCNY) anzudocken.
Kurzfristig helfen Kryptos nicht, aber mittelfristig
"Kurzfristig sind die Ausweichmöglichkeiten in Richtung Krypto-Assets wie Bitcoin und Ethereum sowie e-Yuan noch eher theoretischer Natur", sagte Sandner, der als einer der führenden Experten für Digitalwährungen in Deutschland gilt. Mittelfristig könnte dies aber ganz anders aussehen. "In einem Zeitraum von sechs bis zwölf Monaten kann man schon viel bewegen. Man wird das aber nicht in wenigen Tagen umsetzen können."
Höhere Hürden sieht Sandner bei einem Ausweichen auf die chinesische Digitalwährung, die zu den Olympischen Winterspielen in China eingeführt wurde: "Beim digitalen e-Yuan ging es bislang nur um den Zahlungsverkehr im Inland. Eine Anbindung von Menschen und Firmen aus dem Ausland stand bislang dort nicht im Fokus."
Russland hat sich eventuell längst vorbereitet
Man könne über Kryptowährungsplattformen seit Jahren Werte verschieben, sagte Sandner. Das gelte nicht nur für den Bitcoin oder Ethereum, sondern auch für so genannte Stablecoins, die fest an den US-Dollar gebunden sind wie Tether (USDT), USD Coin von Circle oder PAX. "Der Transfer auch von großen Summen funktioniert. Bislang machen da aber vor allem Individuen mit, hauptsächlich junge Leute, die technikaffin sind. Die machen aber nur rund fünf Prozent der Bevölkerung aus." Firmen hätten in der Regel gar keine Erfahrungen mit Bitcoin & Co., sondern seien fest im Swift-System verankert.
Ross S. Delston, ein Experte für die Einhaltung von Anti-Geldwäsche-Vorschriften, glaubt, dass Russland sich bereits seit längerer Zeit auf die Finanzsanktionen vorbereitet hat. "Wenn die Russen beschließen - und ich bin mir sicher, dass sie das bereits tun -, keine andere Währung als Kryptowährungen zu verwenden, können sie praktisch alle Sanktionen umgehen", sagte er im US-Fernsehsender CNN. Es sei allerdings nicht so einfach, Sanktionen zu umgehen, indem man sein gesamtes Dollar-Vermögen in Bitcoin umschichte. "Es ist schwer, etwas mit Kryptowährungen zu kaufen, vor allem große Dinge."
Politik soll sich mit diesem Thema mehr beschäftigen
Sandner forderte die europäische Politik auf, sich intensiver mit dem Thema Blockchain zu beschäftigen. "Auf der politischen Ebene in Europa herrscht zu wenig Verständnis über die Dinge, die in diesem Bereich geschehen, egal ob wir jetzt über den Bitcoin oder den e-Yuan sprechen. Und das ist schon gefährlich, weil man dann nicht richtig damit umgehen kann."
Von dpa