Medizin-Nobelpreis 2022: Biontech geht leer aus

Der Neandertaler-Forscher Svante Pääbo steht vor der Preisverleihung beim Europäischen Wissenschaftspreis der Hamburger Körber-Stiftung im Rathaus. Der Nobelpreis für Medizin geht in diesem Jahr an den in Leipzig forschenden Schweden Svante Pääbo für seine Erkenntnisse zur menschlichen Evolution.  Foto: Christian Charisius/dpa

Svante Pääbo heißt der Preisträger des diesjährigen Nobelpreises für Medizin. Katalin Karikó, Özlem Türeci und Ugur Sahin werden noch Chancen auf den Chemie-Nobelpreis eingeräumt.

Anzeige

MAINZ/STOCKHOLM. Katalin Karikó, Özlem Türeci und Ugur Sahin haben es nicht geschafft: Der Medizin-Nobelpreis, der den Aufstieg in den Wissenschaftsolymp und ein Preisgeld von rund einer Million Euro bedeutet, geht an den Schweden Svante Pääbo, einen Spezialisten für evolutionäre Genetik. Das hat das Nobelpreis-Komitee in Stockholm gerade bekannt gegeben. Der 67-Jährige war als Wissenschaftler unter anderem in München tätig, 1997 wechselte er nach Leipzig an das neu gegründete Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie. Seit 1999 leitet er dort als einer von fünf Direktoren die Abteilung Evolutionäre Genetik. Er sequenzierte unter anderem als erster Forscher das Neandertaler-Genom.

Die Biontech-Gründer, Macher und Ehepartner Sahin und Türeci sowie die ungarische Biochemikerin Karikó, die heute bei Biontech als Senior Vice President ein eigenes Forschungsteam leitet, werden Experten zufolge aber noch Chancen auf den Chemie-Nobelpreis eingeräumt. Denn die Basis für die Corona-Impfstoffe von Biontech und Moderna bildet ein biochemisches Verfahren mit Messenger-RNA (mRNA). Die beiden Nobelpreise werden von unterschiedlich zusammengesetzten Gremien vergeben. Karikó legte mit ihren Forschungen an mRNA einen Grundstein, damit die Corona-Impfstoffe von Biontech und Moderna überhaupt wirken können.

Anzeige

Welche Chancen auf den Nobelpreis bestanden, war bis zuletzt unklar. Auch wenn Sahin, Türeci und Karikó in den Monaten zuvor mit Auszeichnungen förmlich überschüttet wurden. So erhielt Karikó zusammen mit dem US-Immunologen Drew Weissman, einem langjährigen Weggefährten bei der RNA-Forschung, den Rosenstiel Award, den Lasker Award, der auch als Nobelpreis der USA bezeichnet wird, sowie gemeinsam mit Sahin und Türeci den Paul Ehrlich-Preis. Die Auszeichnungen gehören zu den bedeutendsten Ehrungen in der medizinischen Forschung.

Viele Preisträger bekamen später einen Nobelpreis. Und für Karikó und Weissman ging es in diesem Jahr weiter. So wurden sie im Juni mit dem hoch dotierten (Preisgeld umgerechnet rund eine Million Euro) und vom taiwanesischen Geschäftsmann Samuel Yin gestifteten Tang Prize ausgezeichnet, zum anderen erhielten Karikó und Weissman kürzlich den renommierten Canada Gairdner International Award. Ein Wissenschaftspreis, der in Kanada ebenfalls als "Vorbote des Nobelpreises" angesehen wird.

Sahin, Türeci und Karikó (gemeinsam mit Weissman) wurden zwar insbesondere in den Medien als Kandidaten für einen Nobelpreis gehandelt, in der maßgeblichen Prognose des US-Datenanalysekonzern Clarivate tauchten sie jedoch nicht auf. Jedes Jahr benennt das zum Konzern gehörende Institute for Scientific Information (ISI) Wissenschaftler als Nobelpreis-Favoriten, deren Arbeiten in hochrangigen wissenschaftlichen Publikationen besonders häufig veröffentlicht beziehungsweise zitiert wurden. Seit 2001 benannte das ISI mehr als 360 Favoriten (mehrere pro Kategorie), von denen 59 dann einen Nobelpreis erhielten.

Anzeige

Wer in diesem Jahr die bedeutendste wissenschaftliche Auszeichnung erhält, entscheidet sich in dieser Woche. Den Anfang machte am Montag der Medizin-Nobelpreis. Am Dienstag, 4. Oktober folgt der Physik- (ab 11.45 Uhr), am 5. Oktober der Chemienobelpreis (ab 11.45 Uhr). Zudem folgt am Donnerstag (ab 13 Uhr) die Bekanntgabe des Literaturnobelpreises, am Freitag (11 Uhr) der Friedensnobelpreis. Die Wirtschaftswissenschaften beschließen den diesjährigen Nobelreigen dann am darauffolgenden Montag (ab 11.45 Uhr). Vergangenes Jahr waren mit Klaus Hasselmann in Physik und mit Benjamin List in Chemie zwei Deutsche unter den Preisträgern gewesen.