Der Darmstädter Pfarrer Andreas Schwöbel zur christlichen Botschaft und zur Bedeutung von Liebe, Gerechtigkeit und Solidarität in Zeiten der Corona-Krise.
Von Andreas Schwöbel
Gebete und Gedanken zum Mitnehmen gibt es an der der Kirchentür der Matthäusgemeinde in der Heimstättensiedlung. Foto: Torsten Boor
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DARMSTADT - Was gibt Halt und wer gibt Trost - auch über diesen Tag hinaus? Wer hätte gedacht, dass Menschen sich an Ostern nicht versammeln dürfen - zu keinen Gottesdiensten, zu keinen Familienfeiern und Festen, zu keinen Osterspaziergängen? Wer hätte gedacht, dass wir uns ganz plötzlich in einer Lage befinden, in der Begriffe wie Versammlungsfreiheit so kostbar sind, weil dieses Recht und das Leben aus diesen Freiheiten radikal eingeschränkt ist?
Die Not ist groß. Jeder und jede einzelne spürt die äußere Not, die zur inneren wird: Kontakt vermeiden, Abstand halten, Vereinzelung statt Gemeinschaft. So oder ähnlich heißen die Stichworte in unserer Zeit.
Die Not ist groß
Die Not ist groß auf den griechischen Inseln, in Syrien, in der Türkei, in Afghanistan, in Kriegsgebieten dieser Welt. In Moria leben Geflüchtete auf engstem Raum - von Abstand halten keine Spur; wer wird sich nun um diese Menschen kümmern, sie versorgen? Kein europäisches Land wird sie nun aufnehmen. Diese Menschen werden leicht vergessen. Wir dürfen sie nicht vergessen! Sie brauchen auch heute unsere innere und äußere Solidarität - genauso wie vor fünf Jahren. Unter dem Lichtwort "Wir schaffen das" brach eine große Welle der Solidarität los - die immer noch anhält und die auch am Leben erhalten werden muss - trotz so vieler Lichter, die auch wieder ausgegangen sind.
ZUR PERSON
Andreas Schwöbel (61) ist seit 2012 Pfarrer in der evangelischen Matthäusgemeinde in der Heimstättensiedlung. Zuvor war er unter anderem erster männlicher Gleichstellungsbeauftragter der EKHN und Pfarrer im ökumenischen Kirchenladen Kirche & Co. Seit 2015 engagiert er sich auch in der Arbeit mit Geflüchteten. (jon)
Die Not ist groß - die Anzahl der Verstorbenen steigt in dieser Zeit immens an. Wer ist bei den Sterbenden? Wie wird es den Angehörigen ergehen? Einsame Beerdigungsfeiern. Die Not ist groß - in Krankenhäusern, Intensivstationen. Ärztinnen und Ärzte, Pflegerinnen und Pfleger arbeiten rund um die Uhr. Vielfach muss entschieden werden, wem geholfen werden kann und wem nicht.
Die Not ist groß - kleine Betriebe bangen um ihre Existenz. Was wird in vier oder acht Wochen sein? Können die staatlichen wirtschaftlichen Hilfen greifen? Sicherlich nicht für jeden kleinen Betrieb, nicht für jede Selbstständige. Wie viele Geschäfte werden Insolvenz anmelden müssen?
Die Solidarität ist groß - Nachbarschaft wird plötzlich wieder großgeschrieben; für einander wird eingekauft und vor die Türe gestellt. Menschen haben Zeit, wieder miteinander zu telefonieren. Menschen skypen und können sich hören und sehen. Briefe werden geschrieben für Menschen, die über gar keine Technik verfügen. Italiener singen auf Balkonen zu festen Uhrzeiten - eine ganz neue Art der Gemeinschaft; in Köln hatte man miteinander geklatscht und aneinander gedacht; Kerzen des Friedens werden zu festen Zeiten ins Fenster gestellt - ein wenig wird das Leben und die Stimmung am Abend erhellt. Moderne Medien werden eingesetzt und helfen für eine gewisse Zeit über die Not hinweg - bei Schülerinnen und Schülern; Homeoffice kann über so manche Not hinweghelfen.
Die Liebe ist stärker als der Tod
Mit Ostern sagen und singen wir es als Christinnen und Christen: Gott hat sich auf diese Welt eingelassen, in seinem Sohn Jesus Christus alles hingegeben. Gott geht darin nicht unter, sondern steht auf. Er steht zu uns. Die Liebe ist stärker als der Tod - diese Botschaft wird in anderen Religionen bestätigt.
Die Liebe ist stärker als der Tod. Liebe tröstet Einsame - hoffentlich. Ich hoffe sehr, dass Liebe stärker als die Angst ist, die nach uns allen greift. Liebe ermutigt alle, die sich den Vergessenen zuwenden und es ist eine Mahnung an uns alle: Wen vergessen wir? Viele Menschen machen sich Gedanken, welche Botschaft in diesen Krisenzeiten wieder vermittelt werden kann - sich wieder stärker auf das besinnen, was wirklich zählt im Leben: nämlich Liebe, Gerechtigkeit und Solidarität. Ohne Solidarität keine stabile Gesellschaft und lebendige Demokratie. Liebe geht nicht an der Not vorüber, sondern steht zu den Not-Leidenden. Liebe steht auf und verhilft den Schwächeren zu ihrem Recht - ein leuchtendes Zeichen der christlichen Hoffnung, die eben auch in diesen Tagen nicht kräftig genug erinnert werden kann.
Was gibt Halt und wer gibt Trost - auch über diesen Tag hinaus? Gott steht zu uns - auch heute und morgen. Lassen wir uns von diesem Licht erleuchten - wir stehen zueinander in diesen Tagen und bringen es gemeinsam zum Leuchten: Die Liebe ist stärker als der Tod. Ihnen und uns allen eine gesegnete, behütete und liebevolle Zeit.
Dieser Artikel wurde ursprünglich am 11.04.2020 um 03:00 Uhr publiziert.