Rammstein-Skandal: Änderungen im Konzertbetrieb?

Till Lindemann, Frontsänger von Rammstein, 2019 bei einem Konzert der Band im Berliner Olympiastadion.
© picture alliance/dpa

Bundesfamilienministerin Paus fordert angesichts des Rammstein-Skandals Schutzzonen für Frauen bei Konzerten. Eine bekannte Youtuberin bekräftigt die Vorwürfe gegen Till Lindemann.

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Berlin. Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) hat sich in den Skandal rund um die Band Rammstein und deren Frontmann Till Lindemann (60) eingeschaltet. Angesichts der von mehreren Frauen erhobenen Vorwürfe, bei denen es um Aufforderungen zum Sex, Machtmissbrauch, K.o.-Tropfen und ein dubioses Casting-System geht, fordert sie Änderungen im Konzertbetrieb. „Gerade junge Menschen müssen hier vor Übergriffen besser geschützt werden“, sagte die Ministerin der Nachrichtenagentur AFP in Berlin.

Familienministerin: „Row Zero“ abschaffen

Dazu gehört nach Ansicht der Ministerin die generelle Abschaffung der sogenannten „Row Zero“ – der allerersten Zuschauerreihe, aus der heraus junge Frauen bei Rammstein-Konzerten für sexuelle Handlungen rekrutiert worden sein sollen. Bei den kommenden Veranstaltungen im Münchner Olympiastadion, wo die Band vom 7. Juni an viermal auftritt, entfällt die „Row Zero“ auf einen Vorstoß der Münchner Stadtpolitik und der Olympiapark GmbH hin bereits.

Paus schlägt darüber hinaus Schutzbereiche für Frauen bei Konzerten sowie den Einsatz von Awareness-Teams als Ansprechpartner bei Verdacht auf sexuelle Übergriffe vor. Um solche Maßnahmen zu besprechen, fordert die Ministerin die Musikbranche dazu auf, dem von ihr angeführten Bündnis „Gemeinsam gegen Sexismus“ beizutreten. „Eine ernsthafte Debatte über die Verantwortung von Künstlern und Veranstaltern gegenüber ihren Fans ist sinnvoll“, so Paus.

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Auch Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) verurteilte Übergriffe und „patriarchales Mackertum“ im Konzertwesen. Die Vorwürfe gegen Lindemann seien „sehr ernst zu nehmen“, so die Ministerin, die sich ebenfalls für Awareness-Teams aussprach und einen Verhaltenskodex für die Musikbranche entwickeln will, gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. Mit mehr als 20 Millionen verkauften Alben gilt Rammstein als eine der erfolgreichsten deutschen Bands. Allein zu den vier Konzerten in München werden 240.000 Fans erwartet.

Youtuberin berichtet von „beängstigender“ Erfahrung

Unterdessen hat im Netz ein Video der bekannten Youtuberin Kayla Shyx für Aufsehen gesorgt, in dem diese die Vorwürfe gegen Lindemann bekräftigt. Sie selbst sei im Juni 2022 bei einem Rammstein-Konzert in der „Row Zero“ von der selbst ernannten „Casting-Direktorin“ Alena Makeeva angesprochen und zur Backstage-Party eingeladen worden. Was danach passierte, habe sie als „sehr beängstigend“ erlebt. Das Video mit dem Titel „Was wirklich bei Rammstein Afterpartys passiert“, das am 5. Juni abends hochgeladen wurde, hatte keinen Tag später schon fast 950.000 Zugriffe.

Shyx bezieht sich darin auf die Posts der nordirischen Konzertbesucherin Shelby Lynn im Kurznachrichtendienst Twitter, in denen diese mutmaßt, bei einem Rammstein-Konzert unter Drogen gesetzt worden zu sein, und von Verletzungen berichtet. Lynns Posts hatten den Skandal ins Rollen gebracht, seitdem haben sich viele Frauen mit ähnlichen Geschichten gemeldet. Immer wieder geht es dabei um ein dubioses „Casting-System“, über das Lindemann von der russischen Schauspielerin Makeeva junge Frauen zugeführt worden sein sollen.

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Shyx selbst erzählt im Video, in das sie Chat-Protokolle anderer Frauen einblendet, sie habe sich nach ihrer Konzerterfahrung schon im Juni 2022 an die Öffentlichkeit wenden wollen, sich zu diesem Zeitpunkt aber letztlich nicht getraut. „Ich fühle mich echt schuldig, dass ich es nicht früher getan habe“, so Shyx, nun wolle sie „ihre Plattform und ihre Reichweite“ nutzen, um über das Thema zu berichten.

Das Video der Youtuberin Kayla Shyx sehen Sie hier:

Shyx beschreibt im Video, wie sie und eine 18-jährige Bekannte nach der Rekrutierung durch Makeeva von Security-Mitarbeitern an der eigentlichen After-Party vorbei in einen umkleideartigen Raum gelotst worden sei, dort hätten acht Mädchen auf Sofas gesessen, viele von ihnen hätten benommen gewirkt. In diesem Moment sei die Stimmung für Shyx gekippt. Sie und ihre Bekannte seien schließlich aus dem Raum geflohen. Andere der Mädchen, die ihnen teils auch davon berichteten, für sexuelle Handlungen unter Druck gesetzt worden zu sein, hätten sich nicht getraut.

Es gehe bei dem System klar um Machtausübung, so Shyx in ihrem Video, zudem kontrolliere niemand Ausweise, um sicherzustellen, dass die Mädchen volljährig sind. Die Band hat sich bisher nicht konkret zu den Vorwürfen geäußert. Wie die „Welt“ erfahren hat, wurde der Band-Assistentin Makeeva inzwischen vom Management der Zugang zu Rammstein-Konzerten verweigert. Rammstein habe inzwischen auch eine PR-Agentur für Krisenkommunikation engagiert und will eine Anwaltskanzlei damit beauftragen, den Vorwürfen nachzugehen.