Nach einem desolaten Auftritt der Schalker Mannschaft gegen den 1. FC Köln wird Alexander Nübel als der große Buhmann dargestellt und ihm eine Formkrise unterstellt....
. Auch das ist das Verhalten von Fußballfans. Die Kölner Anhänger sangen Alexander Nübels Namen genussvoll, das war die pure Häme. Die Schalker Anhänger brüllten den Namen ihres Torwarts wütend: „Nübel raus, Nübel raus, Nübel raus…!“ Dem Schlussmann des FC Schalke 04 war beim 0:3 in Köln ein harmloser Flankenschuss aus den Händen geglitten, der Ball rutschte über die Torlinie. Mit der Niederlage von S04 hatte das wenig zu tun. Die Mannschaft von David Wagner trat physisch, spielerisch und taktisch derart desaströs auf, dass der Torwartfehler gar nicht erwähnenswert war in der Beschreibung der Schalker Unterlegenheit und Chancenlosigkeit.
Vielen Fans war das egal. Die Kölner hatten ihre Trottelfigur gefunden, die Schalker ihren Sündenbock. Auf ihn mit Gebrüll. Macht ihn fertig. Reißt ihn seelisch runter bis in den Keller. Dieser Umgang mit einem jungen Kerl wurde ausgelöst von Fans aus beiden Lagern, die für sich den wahren, den ehrlichen, den authentischen Fußball reklamieren. Auch an diesem Standort wäre es wünschenswert gewesen, wenn sich Verantwortliche beider Klubs deutlich distanziert hätten von diesem jede Sensibilität missachtenden Fanverhalten. Alexander Nübel verließ das Feld mit Tränen in den Augen.
Nübel der neue Matthäus?
An diesem Dienstagabend tritt Schalke 04 zu Hause im DFB-Pokal gegen den FC Bayern an. Die Frage wurde dem Trainer schon unmittelbar nach dem Schlusspfiff gestellt: Kann er den jungen Torwart überhaupt noch mal aufstellen? Wagner wand sich geschickt raus aus dem Thema. Er habe im Moment noch keinen Kopf für die Torwartfrage, sagte Wagner, das müsse zunächst mal in aller Ruhe durchdacht werden. Was möchte man dem Trainer raten aus der Entfernung? Wenn Wagner der Meinung ist, dass Nübel nach dem üblen Erlebnis in Köln der nächsten Aufgabe mental und emotional gewachsen ist, dann sollte der 23-Jährige auch im Pokalspiel im Kasten stehen.
Nübel hatte beim 0:5 in Gelsenkirchen gegen RB Leipzig zwei, drei Unsicherheiten. Nun der Patzer in Köln. Das genügt nicht, um einem Torwart eine Formkrise zu attestieren. Dass Nübel ab dem 1. Juli Angestellter des FC Bayern ist, das sollte bei dieser Entscheidung überhaupt keine Rolle spielen. Diese Konstellation gab es vor Nübel – und die wird es immer wieder geben. Wir erinnern uns: Der junge Lothar Matthäus hat in seinem letzten Spiel für Borussia Mönchengladbach in einem DFB-Pokalfinale gegen seinen künftigen Klub FC Bayern einen entscheidenden Elfmeter verschossen. Daran zerbrochen ist er nicht. Im Gegenteil. Matthäus entwickelte sich in München in kürzester Zeit zum Weltklassespieler.
Pokalspiel kann Nübels Startrampe werden
Sollte Nübel im Gespräch mit Wagner Signale senden, dass er seelisch angeknackst ist, dann erübrigt sich diese Diskussion. Dann steht Markus Schubert zwischen den Pfosten. Der 22-Jährige wird von den S04-Anhängern gefeiert werden. Fans lieben das Schwarz-Weiß-Denkschema. Da spielt es dann auch keine Rolle, dass Schubert kürzlich beim 0:5 in München einen ähnlichen Klamauk-Gegentreffer auf seine Kappe nehmen musste wie Nübel in Köln. Und da spielt es auch keine Rolle, dass Schubert als großes Talent gilt, von vielen Klubs beobachtet und womöglich auch nicht mehr lange auf Schalke aktiv sein wird.
Wenn sich Alexander Nübel stark fühlt - und der Trainer stellt ihn aus sportlichen Erwägungen heraus auf -, dann sollte der Torwart diese Herausforderung mit voller Überzeugung annehmen. Wenn das Toptalent mal einer der überragenden deutschen Keeper werden will, dann ist das der Abend, an dem er wachsen kann. Gejohle, Pfiffe von den eigenen Fans, auf der Gegenseite der in überragender Form aufspielende künftige Klubkonkurrent Manuel Neuer und dazu eine Sturmreihe, die aktuell jedem Gegner die Bude einreißt: Exakt diese Momente sind nicht selten die Startrampe für eine ganz große Karriere.