Der Hamburger SV ist im Kampf um die Rückkehr in die Bundesliga erneut gescheitert - gegen den SV Sandhausen gab es eine 1:5-Blamage. Reinhard Rehberg geht der Sache nach. Denn...
. Der letzte Urlaubstag an der Ostsee. Eckernförde. Am Nachmittag hat der Hamburger SV alles verspielt. Wieder kein Aufstieg in die Bundesliga. Beim Spaziergang über einen der vielen großen Campingplätze an der Küste fällt auf: Die Fahnen mit der HSV-Raute wehen unverdrossen im Wind - aber die Leute sind wütend. Das Top-Thema: Der HSV hat versagt!
Die populärste Firma in Eckernförde stellt Schusswaffen her. Der Wahlspruch von Sig Sauer, fett aufgetragen auf der Wand neben dem Haupteingang: „When it counts.“ Was so viel heißen soll, wie: In Momenten, in denen es zählt, sollte man gut bewaffnet sein. Wer in Zeiten groß geworden ist, in denen man den „Frieden schaffen ohne Waffen“-Aufkleber auf der Sporttasche kleben hatte, dem läuft ein gruseliger Schauer über den Rücken. Aber übertragen wir den Gedanken mal auf die psychische Situation in einem entscheidenden Wettkampf-Moment.
Dem ruhmreichen HSV hätte am letzten Spieltag im Heimspiel gegen den Tabellenzehnten aus Sandhausen ein Pünktchen genügt, um gegen Werder Bremen die Aufstiegsrelegation bestreiten zu dürfen. Offensichtlich waren die Spieler von Trainer Dieter Hecking überhaupt nicht gut vorbereitet auf diese Situation, in der sich Druckgefühle und Versagensängste mischen mit der schönen Aussicht auf eine große letzte Chance. Ergebnis: 1:5. Der Auftrag lautete: Leistung mobilisieren, wenn es zählt. Aber es ging gar nichts.
HSV ist kein Einzelfall
Ähnlich erging es Fortuna Düsseldorf eine Etage höher. Ein Sieg bei Union Berlin, und das nächste Jahr Bundesliga wäre gesichert gewesen. Nichts lief bei der Fortuna. Gar nichts. 0:3. Keine Chance. Ähnlich erging es dem traditionsreichen 1. FC Nürnberg, der nun in der Relegation gegen den Absturz in die Drittklassigkeit anspielen muss. Systemausfall. Kein Zugriff mehr auf die leistungsmobilisierenden Daten. Festplatte gelöscht.
Es gibt eine Logik des Misslingens. Wenn Trainer und Betreuerstab die Gefahr des Scheiterns am Stichtag einfach nur ausblenden wollen. Wenn den Spielern keine Antworten gegeben werden auf Fragen, die automatisch in den Kopf schießen am Entscheidungstag. Dann fühlen sich Hochleistungssportler zuweilen matt und müde, dann reagieren die psychomotorischen Zusammenhänge unter Druck wie eine systemimmanente Selbstabschaltung. Die Folgen: Angstgefühle, mangelnde Zuversicht, mangelnde Konzentration, keine Konsequenz im Handeln, schlechte Entscheidungen, verlangsamtes Reaktionsvermögen, Leichtsinn, Lethargie, Annahme falscher Ausgangslagen (z.B. das Denken: Für den Gegner geht es doch um nichts mehr…) – und die Gruppe fällt Schritt für Schritt auseinander.
Alles Kopfsache im Fußball
Vielleicht tappt die Mannschaft in diesem Moment auch in die Kompetenzfalle: Wir sind doch viel zu gut, als dass wir das nicht noch geregelt bekommen könnten… Nicht ausgeschlossen, dass insbesondere den HSV dieses Gefühl eine komplette Saison über begleitet hat.
Die Floskel lautet: Alles Kopfsache im Fußball. Und da ist etwas dran. Aber was tun die Verantwortlichen strukturiert für die Köpfe ihrer Spieler und für die innere Sprache des Kollektivs im Verlauf der Saison und in den Momenten, wenn es zählt? Wahrscheinlich viel zu wenig. Und das ist erstaunlich in Zeiten, in denen der Profifußball mehr und mehr verwissenschaftlicht wird. Physisch. Psyche und Gemeinschaftsgefühl erscheinen oft erst im kleingedruckten Anhang.