Jürgen Klopp ist der erfolgreichste Fußballtrainer auf diesem Erdball. Dabei hat der 53-Jährige bislang nur in drei Klubs gewirkt. Pep Guardiola kommt heran an diese...
. Im Alter von sechs Jahren machte Jürgen Klopp sein erstes Fußballspiel. Für die E-Jugend des SV Glatten. Er wurde von einem Gegenspieler hart attackiert und brach sich beim Aufprall das Schlüsselbein. Nur eine Woche später stand der Bub schon wieder am Trainingsplatz. Ein Arm steckte in einer Schlinge, mit dem freien Arm sammelte er unermüdlich die Bälle ein, die übers Tor flogen. Die Begeisterung für den Sport und sehr viel Ehrgeiz waren offensichtlich schon in den Genen des jungen Klopp angelegt.
Der Vater baute darauf auf. Norbert Klopp war in den Kindertagen des Sohnes dessen strenger, immer wettkampforientierter Fußball-, Tennis- und Ski-Trainer. Die Übungsformen waren hart. Beide stellten sich zum Beispiel an der Torauslinie auf zum Sprint-Wettkampf, der Vater gewährte dem Jungen den maximalen Vorsprung - und holte ihn jedes Mal wieder ein. „Das war weit davon entfernt, Spaß zu machen“, hat Jürgen Klopp mal erzählt. Wenn der Vater mal nicht meckerte, dann blieb das die größte Anerkennung. „Nix geschwätzt ischt Lob genug.“ Das ereignete sich über viele Jahre, so lange, bis der Sohn schneller war als der Vater. Ähnlich verbissen ging es zu auf dem Tennisplatz. Der Vater fegte den Buben regelmäßig vom Platz. Den Kleinen mal gewinnen lassen? Norbert Klopp gestattete das nicht, selbst als er einmal unter einem Hitzeschlag nebst starkem Schüttelfrost litt. Klopp hat seinen Vater, von dem er auch das rhetorische Talent geerbt hat, geliebt.
Wenige Monate, bevor Jürgen Klopp in Mainz Trainer wurde, ist der Vater gestorben. 20 Jahre später ist der Sohn der erfolgreichste Fußballtrainer auf diesem Erdball. Outstanding, sagen die Engländer. Einzigartig. In zwei langen Saisons in der knüppelarten Premier League hat Klopp mit dem FC Liverpool nur drei Spiele verloren. Die bis heute letzte Heimniederlage in der Liga? Daran kann sich an der Anfield Road kaum noch jemand erinnern. Das war ein 1:2 gegen Crystal Palace - im April 2017.
Der 53-Jährige hat bislang nur in drei Klubs gewirkt. Klopp übernimmt Mannschaften, die gerade am Boden liegen. Irgendwann blüht der Standort auf und neue Knospen sprießen, sprießen und sprießen. Mainz: zwei knapp verpasste Aufstiege, Einzug in die Bundesliga 2004, drei erlebnisreiche Erstligajahre. Dortmund: Deutscher Meister 2011 und 2012, DFB-Pokalsieger 2012, Champions-League-Finalist 2013. Liverpool: Europa-League-Finalist 2016, CL-Finalist 2018, CL-Sieger 2019. Und 2020: Englischer Meister – das hat die Stadt seit 30 Jahren nicht mehr erlebt.
Im Februar 2001 hatte Mainz-Manager Christian Heidel dem ins Alter gekommen Spieler das Traineramt angetragen mit den Worten: „Du bist intelligent, du bist eloquent, du kapierst das Spiel. Willst du nicht mal probieren, ob das geht?“ Heidel hätte noch anfügen können: Du bist ehrgeizig ohne Ende, du bist ein harter Arbeiter und du kannst Menschen begeistern... Das Erfolgssystem Klopp.
Pep Guardiola kommt heran an diese Erfolgsserien. Kein anderer Trainer in Europa. Beider Arbeitsweisen und Spielstile könnten nicht unterschiedlicher sein. Guardiola führt Weltklassespieler zu Triumphen. Klopp entwickelt Weltklassespieler und lässt sie Schritt für Schritt Titel gewinnen. Guardiola liebt die technisch feine Ballbesitz-Symphonie. Klopp liebt das aggressive Heavy-Metal-Getöse mit Pressing, Gegenpressing und tempogeladenen Umschaltzügen.
Wenn Klopp seinen Spielern und seiner Mannschaft eine bestimmte Haltung zum Wettkampfsport plus die Überzeugung in das gemeinsame Tun eingeimpft hat, dann reiht sich Sieg an Sieg. Ab dem Tag, an dem die Spieler mit tiefem Vertrauen in den Vordenker sagen, dass sie individuell und zusammen genauso Fußball trainieren und spielen wollen, jeden Tag, und niemals mehr anders, rollt die Maschine. Die Motivation speist sich aus dem als erforderlich verinnerlichten physischen und mentalen Aufwand für die Dominanz im Spiel mittels ständiger sekundenschneller Rückeroberung der Kugel nebst der folgenden Offensivattacke. Eng zusammenbleiben, in der Kabine und auf dem Platz.
Ist dieser Zustand erreicht, dann ist Klopp nicht mehr der begnadete Wochenend-Animateur. Muss er gar nicht mehr sein. Dann ist er der Stratege, der seinen Spielern „nur“ noch Respekt vor jedem Gegner und spezielle Lösungswege für die anstehende Aufgabe mitgeben muss. Und danach ist er ist ein Meister darin, Probleme zu behandeln, die noch gar nicht aufgetreten sind.