Rehberg: Keine Schnellschüsse

Die Spieler von Borussia Mönchengladbach erklärten sich schnell bereit, auf Teile ihres Gehalts zu verzichten.  Foto: dpa

Profifußball und Corona: Warum man einzelne, irritierende Aussagen von Watzke, Heldt und Co. nicht zu hoch hängen sollte, erklärt Kolumnist Reinhard Rehberg.

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. Der Profifußball geht in der Öffentlichkeit wohltuend unaufgeregt um mit der Corona-Krise. Von Ausnahmen abgesehen. Die Verlautbarungen von DFL, DFB, der Mehrzahl der Klubvertreter, den Trainern und Sportlern signalisieren Besorgnis, das aber wohltuend besonnen, ausgewogen, kämpferisch, alles andere als perspektivlos. Der Umgang mit der Epidemie im Anfangsstadium ist im gesamten Sportwesen geprägt von einem hohen Verantwortungsbewusstsein.

Irritierende Einzeläußerungen sollte man nicht zu hoch hängen. Was heute gesagt wird, das hat in der Bedeutung zum Teil eine Halbwertszeit von wenigen Stunden. Einschätzungen werden in rasendem Tempo überholt von neuen Fakten. Als es um das Thema Gehaltsverzicht von Bundesligafußballern ging, da sprach der Kölner Sportdirektor Horst Heldt von „Scheißausdrücken“. Einen Tag später kamen Meldungen, wonach Spielerabordnungen schon vorstellig geworden sind bei Klubführungen - mit dem Angebot, über eine Gehaltsreduzierung zu diskutieren. Beispiel: Borussia Mönchengladbach.

Der sehr emotionalisierte Heldt brachte auch die 50+1-Regel in die Diskussion. Man müsse darüber nachdenken, so der Köln-Manager, ob nicht das Geld von Investoren die sich anbahnende Finanzproblematik im Profifußball lindern helfe. Das mag einleuchtend klingen. Ist aber zu kurz gedacht. Der schlechteste Zeitpunkt, zu dem sich ein Fußballunternehmen mehrheitlich in die Hände eines Investors begeben könnte, ist der Moment, in dem der Klub unter Finanzdruck agiert, also keine stabile Werthaltigkeit ausweisen kann und mit Liquiditätsschwierigkeiten zu kämpfen hat.

Diese Klubs würden sich unter Wert verkaufen und in eine Abhängigkeit begeben. Und das vor dem Hintergrund, dass die Weltwirtschaft in der Corona-Krise auf eine Rezession zusteuert. Über mögliche Folgen für das Profifußballgeschäft lässt sich nur spekulieren. Das wollen wir hier unterlassen.

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Es war auch kein guter Zeitpunkt, zu dem Hans-Joachim Watzke für den Bundesligabetrieb den Solidargedanken in Frage gestellt hat. Klubs, die in den vergangenen Jahren nicht darauf geachtet hätten, etwas Speck anzusetzen, die dürften in der Krise nicht darauf hoffen, von der Gemeinschaft gerettet zu werden, sagte der Dortmund-Chef. Er hätte betonen sollen, dass sich seine Aussage ausdrücklich auf sorgloses Missmanagement bezieht. Und er hätte betonen sollen, dass es Klubs gibt, die wirtschaftlich gar keine Chance haben, nennenswerte Rücklagen zu bilden für mögliche schwere Zeiten.

Gerade wird berichtet vom Eigenkapital der Bundesligisten. Bis auf wenige Ausnahmen sieht das ganz gut aus. Aber man darf Eigenkapital oder die Eigenkapitalquote nicht verwechseln mit liquiden Mitteln, die abrufbereit auf einem Festgeldkonto liegen würden für jetzt nötige Überbrückungsfinanzierungen. Die Eigenkapitalquote ist eine komplizierte Berechnung, die dazu dient, die Kreditwürdigkeit eines Unternehmens darzustellen. Im Profifußball fließen in diese Berechnung zum Beispiel auch die Spielerwerte ein. Wie sich der Transfermarkt in den kommenden Monaten entwickeln wird, darüber lässt sich in diesem Moment nur spekulieren. Das wollen wir hier unterlassen.

Absehbar ist: Der Solidargedanke wird ab sofort eine große Rolle spielen im Profifußball. Der zu verteilende Kuchen wird kleiner. Wollten die Entscheider alles dem freien Spiel der Marktkräfte überlassen, dann könnte es eng werden für einige Klubs. „Wir sind auch Konkurrenten“, hat Watzke gesagt. Der BVB-Boss hätte anfügen sollen: … aber wir sitzen alle in einem Boot…