Natürlich fühlt sich die Fußball-Bundesliga ohne Zuschauer anders an - auch für die Spieler. Wieso dies aber keine Ausrede für Niederlagen ist, erklärt Reinhard Rehberg.
. Die Berichterstattung über den ersten Spieltag in der „Geisterspiel-Runde“ geriet fast schon ein wenig euphorisch. Da hätte man fast schon auf den Gedanken kommen können: Klappt doch prima ohne Zuschauer... Die technische und taktische Qualität des Fußballs hat tatsächlich nicht gelitten. Auch die physischen Daten sollen bei allen Bundesliga-Mannschaften keinen signifikanten Unterschied ausgewiesen haben im Vergleich zu den Vor-Corona-Spielen in voll besetzten Stadien.
An mir selbst habe ich als TV-Konsument festgestellt: Bei Spielen zwischen Mannschaften, zu denen ich keinen emotionalen Bezug habe, ist mir die Stille in der Arena aufgefallen, da hat auch meine Konzentration nachgelassen im Verlauf der 90 Minuten – bei den beiden Partien mit den beiden Mannschaften, die ich seit Jahrzehnten mental und emotional favorisiere, war die fehlende Stadion-Atmosphäre für mich fast überhaupt kein Faktor. Man wird, weil man das positive Ergebnis für das eigene Team haben will, in das Geschehen reingezogen. Ich vermute, das haben viele Menschen ähnlich wahrgenommen. Was aber nicht heißen soll, dass Arena-Stimmung in diesen Fällen gar keine Rolle spielen würde am Bildschirm. Im Gegenteil. Alles ist schöner, mitreißender und spannender mit stimmgewaltigen Zuschauern.
Auswärtsvorteil für individuell stärkere Teams?
Die Annahme, dass favorisierte, individuell bessere, spielerisch überlegene Mannschaften insbesondere auswärts einen Vorteil haben in leeren Stadien, weil der Außenseiter mehr angewiesen ist auf eine wilde Akustik, in der die Außenseiter-Fans zum berühmten zwölften Mann werden können, scheint sich am ersten „Corona-Spieltag“ bestätigt zu haben. Nehmen wir als Beispiel die Bremer. Das 1:0 für die Gäste aus Leverkusen entfaltete keine große Wirkung. Werder gelang nach einem Eckball zügig der Ausgleich. Aber auch das hatte keine große Wirkung. Die Bremer wirkten nicht beseelt von dieser guten Reaktion auf den Rückschlag. In einem atmosphärisch aufgeladenen Weser-Stadion hätte dieses Tor zum 1:1 womöglich eine Welle erzeugt im Team von Florian Kohfeldt, da hätte sich womöglich ein gemeinschaftliches Widerstandsgefühl entwickelt in der Beziehung zwischen den Spielern und den Fans. Diesmal: ein stilles 1:4.
Auf der anderen Seite halten wir fest: Werder hat gerade das siebte Heimspiel hintereinander verloren – davon sechs in einem voll besetzten und lauten Weser-Stadion. Wir dürfen annehmen, dass die Kohfeldt-Elf durch die vielen Misserfolge mental, emotional und sportlich einen Zustand erreicht hat, der sich mit und ohne Zuschauer nicht mehr entscheidend drehen lässt.
Union Berlin macht es vor
Dass man auch in einem Geisterspiel als Außenseiter eine leidenschaftliche Leistung bis an die Grenzen der eigenen Möglichkeiten mobilisieren kann, das zeigte Union Berlin. Der individuell haushoch überlegene FC Bayern hatte große Probleme an der Wuhlheide, seine außergewöhnliche spielerische Qualität durchzusetzen und mit Mühe 2:0 zu gewinnen. Union schaffte es auch ohne Anhängerschaft auf den Tribünen und auch ohne den charismatischen Trainer Urs Fischer am Seitenrand, extrem eklig zu sein. Auch die Bremer sind sehr viel gelaufen. Aber Union hat in den Zweikämpfen die Funken sprühen lassen – und Union hat sehr gut organisiert und kompromisslos verteidigt. Das war der entscheidende Unterschied zum trostlosen Werder-Auftritt.
Unabhängig von Corona ist erkennbar, dass die Mannschaften, die schon vor der Liga-Unterbrechung in einer Negativspirale gesteckt haben, auch zum Re-Start sich nicht neu aufschwingen konnten. Siehe Schalke 04. Das 0:4 in Dortmund geriet ernüchternd, farblos, leidenschaftslos. Oder betrachten wir uns den FC Augsburg: Der neue Trainer Heiko Herrlich tappte in die Ausgehsperre-Falle -und sein führungsloses Team blieb nach dem Heim-1:2 gegen den VfL Wolfsburg in der Nähe der Abstiegszone stecken. Eine ähnliche Tendenz weisen auch RB Leipzig und die Frankfurter Eintracht aus. Wir werden sehen, wer alsbald die Pandemie-Problematik als Alibi ins Feld führt. Es werden immer nur die Verlierer sein.