Justine S.K. und Kai B., Eltern des in Amsterdam getöteten Fitness-Influencers aus Wetzlar, haben sich erstmals in einer Pressemitteilung öffentlich geäußert.
WETZLAR. Erstmals hat sich am Mittwoch die Familie des in Amsterdam von Polizisten getöteten Sammy B. aus Wetzlar öffentlich zu Wort gemeldet. In einer Pressemitteilung üben Justine S.K. und Kai B., die Eltern des 23-jährigen Fitness-Influencers, scharfe Kritik an der Amsterdamer Polizei, sie fordern die lückenlose Aufklärung des Vorfalls, bei dem ihr Sohn vergangene Woche Donnerstag durch drei Schüsse der Beamten ums Leben gekommen war. Wörtlich heißt es in der Mitteilung: "Exzessive Gewalt durch Polizeikräfte ist ein global vielgestaltig präsentes Problem, welches nicht übergangen oder ignoriert werden darf."
Das Schreiben wurde am Mittwochnachmittag über den beauftragten Anwalt der Familie an verschiedene Medien verschickt. Justine S.K. und Kai B. schreiben darin:
"Fassungslos und erfüllt von tiefer Trauer im Angesicht dieses Unglücks können wir nicht begreifen, was geschehen ist.
Die Umstände, die zur Erschießung unseres Sohnes geführt haben, sind zum jetzigen Zeitpunkt noch weitgehend ungeklärt. Samuel fuhr am Montag, dem 10.8.2020 mit Freunden nach Amsterdam, um dort seinen 23. Geburtstag zu feiern. Seit Mittwoch, dem 12.8.2020 zeigte unser Sohn ein für ihn sehr untypisches Melde- und Antwort-/Zeit-Verhalten, das uns zunehmend große Sorgen bereitete. In seinen wenigen Botschaften an diesem Tag erschien er temporär wesensverändert, verwirrt und psychotisch, aber auch zeitweise hilfesuchend. Ein Zustand, der ganz und gar untypisch für seinen Charakter war.
In Kenntnis und Sorge dieser Wesensveränderung wandten wir uns bereits vor dem tragischen Ereignis hilfesuchend an die Amsterdamer Polizei. Insbesondere betonten wir dabei, dass unser Sohn aufgrund seines unerklärlichen und plötzlichen Verschwindens und seiner Wesensveränderung medizinische Hilfe und Betreuung benötige. Zwar bestanden vielversprechende Möglichkeiten, Samuel aufzufinden und in Sicherheit zu bringen, diese vereitelte die Amsterdamer Polizei allerdings durch ihr wiederholt unbedachtes Vorgehen.
Nie durch Gewalttaten auffällig geworden
Es ist für uns in Anbetracht aller bislang bekannten Umstände unerklärlich und unverzeihlich, wie die Amsterdamer Polizei die Situation in solch einer Art und Weise eskalieren lassen konnte. Die Polizisten wussten, dass Samuel sich in einem psychischen Ausnahmezustand befand und ärztliche Hilfe benötigte, ebenso war ihnen bekannt, dass Samuel zuvor nie durch Gewalttaten auffällig geworden war.
In den Momenten, die Samuels Tod unmittelbar vorausgingen, richtete er das Messer ausschließlich gegen sich selbst. Er griff weder die Polizisten an, noch gefährdete er Dritte. Die Polizisten waren ihm zahlenmäßig weit überlegen. Nach unserer Überzeugung muss es geschulten Sicherheitskräften möglich sein, eine solche Situation durch eine gezielte Entwaffnung aufzulösen. Stattdessen näherte man sich unserem Sohn aggressiv und gab aus kürzester Distanz drei tödliche Schüsse auf einem am Boden liegenden, hilfsbedürftigen Menschen ab. Wir empfinden tiefe Abscheu und sind schockiert über dieses brutale Vorgehen. Es ist uns unmöglich, hier eine verhältnismäßige Maßnahme zu erkennen. Hätte die Polizei nur ein wenig umsichtiger und behutsamer agiert, wäre unser Sohn noch am Leben.
Samuel erfreute sich sein gesamtes Leben über bester psychischer Gesundheit, fiel auf als ein kontrollierter, ruhiger und vernünftiger junger Mann. Sowohl privat als auch bei seinen öffentlichen Auftritten stellten die körperliche und geistige Gesundheit, das natürliche Bewusstsein für den eigenen Körper, gesunde Ernährung sowie eine optimistische und zielstrebige Mentalität die tragenden Säulen in seinem Leben dar. Der Konsum von Drogen widerspricht allem, wofür unser Sohn in seinem Leben stand. Es ist uns deshalb unmöglich, Samuels Zustand kurz vor seinem Tod zu verstehen oder gar zu erklären.
Seine Mitmenschen kannten Samuel als liebevollen, offenen und dem Leben zugewandten Menschen, dessen Leben und Handeln sich dadurch auszeichnete, dass er andere inspirieren wollte und sich gleichermaßen von seiner Umwelt inspirieren ließ.
Einen solchen wunderbaren Menschen zu verlieren, verursacht einen unbeschreiblichen Schmerz.
Wir bitten deshalb, dass das Leben, der Tod und das Andenken unseres Sohnes mit Respekt behandelt wird, dass uns - der Familie und den Freunden Samuels - angemessener Raum und die nötige Ruhe zum Trauern und zum Verarbeiten dieses schrecklichen Unglücks eingeräumt wird.
Gewalt darf nicht ignoriert werden
Gleichwohl ist es uns - gerade in Anbetracht jüngster Ereignisse und Debatten - ein dringendes Anliegen, dass Schicksale wie das unseres Sohnes nicht unbemerkt in der täglichen Informationsflut untergehen. Exzessive Gewalt durch Polizeikräfte ist ein global vielgestaltig präsentes Problem, welches nicht übergangen oder ignoriert werden darf.
Wir fordern die lückenlose Aufklärung der Umstände und Ereignisse, welche zur Erschießung unseres Sohnes führten.
Außerdem haben wir ein Spendenkonto eröffnet, um Gerechtigkeit für unseren Sohn zu bekommen und weiteren Opfern von Polizeigewalt sowie deren Angehörigen bei der Aufklärung und Bewältigung ihrer Fälle behilflich sein zu können."
Unter dem Titel "Justice für Sammy" soll zudem dem erschossenen Fitness-Influencers gedacht werden. Sammy B.s Freunde rufen dazu auf.