Die Ständige Impfkommission hat ihre Impfempfehlung für Kinder ausgeweitet. Gesundheitsminister Lauterbach schloss sich an, bekräftigte aber die Entscheidungshoheit der Eltern.
BERLIN. Nach sehr vielen Infektionen in der Omikronwelle und mit Blick auf den Herbst hat die Ständige Impfkommission (Stiko) ihre Empfehlung für die Covid-19-Impfung für Kinder zwischen fünf und elf Jahren am Dienstag aktualisiert: Das Gremium gibt nun eine allgemeine Impfempfehlung für diese Altersgruppe heraus – mit zunächst allerdings nur einer Impfdosis. Kinder mit Vorerkrankungen sollen hingegen weiter eine Grundimmunisierung mit zwei Impfungen sowie einen Booster erhalten. Ebenfalls eine Grundimmunisierung mit zwei Impfdosen sollen zudem gesunde Kinder bekommen, wenn sich in ihrem Umfeld enge Kontaktpersonen befinden, die ein hohes Risiko für einen schweren Corona-Verlauf haben und sich selbst nicht durch eine Impfung schützen können.
Gesunde Kinder, die bereits zwei Corona-Impfungen erhalten haben, sollen zunächst nicht erneut geimpft werden. Stattdessen soll für alle Kinder „die Frage der Notwendigkeit einer Vervollständigung der Grundimmunisierung beziehungsweise einer Auffrischimpfung im Spätsommer beziehungsweise vor Wiederanstieg der Infektionszahlen erneut evaluiert“ werden, heißt es in der Empfehlung der Stiko. 19 Prozent der Kinder zwischen fünf und elf Jahren sind in Deutschland bislang zweimal geimpft. Etwa zehn Prozent davon habe eine Indikation als Risikopatienten.
Hohe Basisimmunität gegen Corona als Ziel
Durch die aktualisierte Impfempfehlung für Kinder und Jugendliche wolle man im Sommer „eine möglichst gute Basisimmunität aufbauen“, erklärt Stiko-Mitglied Dr. Martin Terhardt. Darüber hinaus wolle man mit der einmaligen Impfung aber auch selten auftretende schwere Corona-Erkrankungen und mögliche Komplikationen verhindern. Auch die indirekten Folgen einer Sars-CoV-2-Infektion sollen auf diese Weise reduziert werden – etwa durch Isolations- und Quarantänephasen. Nach der Corona-Basis-Impfung mit zunächst einer Impfdosis könnte es dann mit großem Abstand später eine zweite Impfung geben. Wobei noch nicht sicher sei, welche dies dann sei und ob diese überhaupt nötig wäre, so Martin Terhardt. Der längere Abstand zu einer möglichen zweiten Impfung habe allerdings zwei Vorteile: Dieser sorge für einen besseren Immunschutz und reduziere noch einmal das Risiko von Komplikationen am Herzen, wobei dieses bei Kindern zwischen fünf und elf Jahren insgesamt verschwindend gering sei.
Für Kinder, die an Omikron erkrankt waren, empfiehlt die Stiko einen Mindestabstand von drei Monaten zwischen bekannter Infektion und der einmaligen Impfung. Auf diese Weise werde eine „hybride Immunität“ erreicht, die die Kinder besser vor einer erneuten Ansteckung mit Corona schütze und auch auf einige eventuelle neue Varianten besser vorbereite. Die Experten der Stiko gehen bei ihren Überlegungen von einer sehr hohen Quote an Kindern aus, die bereits eine Corona-Infektion durchgemacht haben – ob bewusst oder unbewusst. Man habe hier die höchste Durchseuchungsrate im Vergleich zu anderen Bevölkerungsgruppen, so Terhardt. Alleine bei den PCR-bestätigten Fällen komme man bei den Kindern zwischen fünf und elf Jahren (die Altersgruppe umfasst 5,2 Millionen Kinder) auf eine Quote von knapp 50 Prozent. Dazu gehe man von einer Dunkelziffer von fast dem Doppelten aus, ergänzt Terhardt. +
Aktuelle Modellierungen wiesen zudem darauf hin, dass in Deutschland der Anteil der Fünf- bis Elfjährigen, die bereits mindestens einen Kontakt mit dem Sars-CoV-2-Antigen hatten, Ende März 2022 bei 77,5 Prozent lag. Aber selbst wenn ein Kind in dieser Altersgruppe tatsächlich noch gar keine Corona-Infektion hatte, würde die einmalige Impfung bereits vor schweren Verläufen schützen, erklärt Prof. Tim Niehues, Chefarzt des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin am Helios Klinikum Krefeld. Die Stiko präferiert zudem die einmalige Impfung mit dem für die Altersgruppe angepassten Impfstoff Comirnaty von Biontech, weil dieser bei Kindern weltweit deutlich häufiger als der Impfstoff Spikevax von Moderna verimpft worden sei und die Datenlage daher deutlich besser ist.
Die Aktualisierung der Impfempfehlung hänge stark damit zusammen, dass Omikron viel verändert habe, erklärte Martin Terhardt. Man müsse daher immer wieder auf neue Situationen reagieren. Bei anderen Impfempfehlungen habe es die Stiko einfacher. Aber bei Corona gebe es kein Beispiel und keine Blaupause. „Wir müssen von Monat zu Monat entscheiden und das wird so weitergehen.“
Nach der erweiterten Empfehlung der Stiko für Corona-Schutzimpfungen für Kinder hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) die Entscheidungshoheit der Eltern betont. "Die Eltern müssen das frei entscheiden", sagte Lauterbach am Dienstag am Rande des Deutschen Ärztetages in Bremen bei einer Pressekonferenz. Er schließe sich aber der Empfehlung vollumfänglich an und hoffe, dass die Impfung gut angenommen werden. Es dürfe aber kein Druck ausgeübt werden.