Seit Dienstag ist die Corona-Warn-App für Smartphones verfügbar. Wie sie funktioniert, wie sicher unsere Daten sind und was sie leisten kann. Ein Überblick.
BERLIN. Für den Weg aus der Corona-Krise in die Normalität hoffen viele Menschen auch auf die seit Monaten angekündigte Corona-Warn-App. Sie soll dabei helfen, die Infektionsketten frühzeitig zu erkennen und zu durchbrechen. Die App gibt es für Apple iPhone und Google Android. Wir erklären, wie die App funktionieren soll.
Was leistet die App?
Die Corona-Warn-App soll dabei helfen, Infektionsketten schnell zu durchbrechen. Sie macht das Smartphone quasi zu einem Warnsystem. Dies funktioniert, indem die App den Nutzer informiert, wenn er in den vergangenen 14 Tagen näheren Kontakt zu einem nachweislich mit dem Coronavirus Infizierten hatte. Außerdem soll die App die Arbeit der Gesundheitsämter auf diese Weise erleichtern, da die Rückverfolgung von Kontakten oft sehr schwierig ist. Durch die Digitalisierung der Kontaktverfolgung könne man voraussichtlich bis zu vier Tage bei den Benachrichtigungen an Zeit gewinnen. Was die App nicht ersetze, seien jedoch vernünftiges Verhalten und aufeinander acht zu geben, sagte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bei der Pressekonferenz.
Wie funktioniert das?
Mit der App verwandelt sich ein Smartphone in einen kleinen „Bluetooth-Leuchtturm“, der ständig eine Identifikationsnummer in die nähere Umgebung funkt. Gleichzeitig lauscht das Telefon, ob es Bluetooth-Signale von anderen empfangen kann. Halten sich Personen, die beide die App nutzen, für eine bestimmte Zeit nebeneinander auf, tauschen die Smartphones ihre IDs aus.
Woher erfährt die App, dass jemand infiziert ist?
Wer positiv auf das Coronavirus getestet wurde, trägt diesen Status selbst in die App ein. Um einen Missbrauch zu verhindern, muss dieser Status offiziell bestätigt werden. Das geschieht zum einen über einen QR-Code, den man vom Testlabor erhält. Alternativ kann man auch eine TAN eingeben, die man von einer Telefon-Hotline bekommt, da noch nicht alle Labore in der Lage sind, QR-Codes zu generieren. Letzteres wird aktuell noch als eine der Schwachstellen des Systems gesehen – und es macht auch die Arbeit für die Hotlines aufwändig. Nur etwa 20_Prozent der Labore sind momentan in der Lage, digital zu arbeiten. In den kommenden vier Wochen sollen aber möglichst alle anderen Testlabore und Gesundheitsämter in Deutschland ebenfalls in die Lage versetzt werden, digital zu arbeiten, sodass die Hilfskonstruktion der Bestätigung einer Infektion über die Hotline an Bedeutung nachlassen soll.
Mit den folgenden beiden Grafiken erklären wir nochmal genau, wie das alles funktioniert
Wie werde ich als Nutzer informiert, dass ich mich testen lassen sollte?
Hat sich in den vergangenen 14 Tage eine Kontaktperson infiziert, erhält man über die App einen Hinweis, dass ein Test sinnvoll ist. Bei der Alarmierung spielt bei der Beurteilung des Riskofaktors neben der Dauer des Kontaktes sowie des Abstands zu der anderen Person auch der Zeitpunkt des Kontaktes eine Rolle. Bei der Berechnung eines Risikowertes wird nämlich auch berücksichtigt, dass Infizierte unmittelbar vor dem Ausbruch der Krankheitssymptome besonders ansteckend sind. Wichtig ist: Es gibt keine Echtzeitwarnung über infizierte Personen in der Nähe durch die App, sondern alle Warnungen erhält man im Nachhinein.
Welche Angaben zum Risikostatus gibt es?
Es gibt drei verschiedene Stufen, die angezeigt werden. Bei einem „niedrigen Risiko“ gab es in den vergangenen zwei Wochen keine Begegnungen mit einer positiv getesteten Person oder die Begegnung entsprach nicht den formulierten Kriterien, was etwa Abstand und Dauer betrifft. Bei einem „erhöhten Risiko“ wird man informiert, dass es in den vergangenen 14 Tagen mindestens eine Begegnung mit einer positiv getesteten Person gab und man erhält entsprechende Verhaltenshinweise. Der Status „unbekanntes Risiko“ weist lediglich darauf hin, dass die Risiko-Ermittlung noch nicht lange genug für eine Berechnung des Risikos aktiviert war – etwa direkt nach dem Installieren der App.
Kann man auch einen Fehlalarm durch die App erhalten?
Die Corona-Warn-App wurde in den vergangenen Wochen umfänglich getestet. Es wurden unter anderem Cocktailpartys oder Besuche in Restaurants nachgestellt. Aber auch eine Fahrt im ICE oder das Warten in einer Schlange im Supermarkt gehörten zu den Testszenarien. Hierbei wurde festgestellt, dass 80 Prozent der Begegnungen von der App korrekt eingeschätzt werden konnten. Die Fehlerquote liegt demnach bei 20 Prozent. Manchmal wurden nahe Kontakte doch nicht erkannt, manchmal waren die Personen etwas weiter weg als im vorgegebenen Radius. Gesundheitsminister Spahn sieht die Fehlerquote jedoch gelassen. Schließlich gebe es auch bei den Gedächtnisprotokollen von Infizierten bei der Nachverfolgung über die Gesundheitsämter durchaus Lücken. Außerdem vertritt er die Devise: Lieber einmal zuviel getestet als zu wenig.
Wird die Warn-App von Google und Apple automatisch aktiviert?
Nein, der Austausch der anonymisierten Kontakt-IDs via Bluetooth findet nur dann statt, wenn man die Corona-Warn-App freiwillig installiert und dem Datenaustausch aktiv zustimmt.
Ist die Warn-App Pflicht?
Nein. Die Nutzung der App ist freiwillig. Darauf wurde auch bei der Präsentation der Corona-Warn-App noch einmal hingewiesen. Es ist auch nicht geplant, die Nutzung der App an bestimmte Veranstaltungen oder Zugänge, etwa zu einem Freibad, zu koppeln. Darüber hinaus ist man auch nicht dazu verpflichtet, ein positives Testergebnis mitzuteilen – auch wenn man die App installiert hat.
Gefährdet die App meine Privatsphäre?
Es werden nicht die Identitäten der Anwender ausgetauscht, sondern anonymisierte IDs, die sich mehrfach in der Stunde ändern. Die IDs der Kontaktpersonen werden nicht zentral gespeichert, sondern dezentral auf den jeweiligen Smartphones. Nur die Liste der anonymisierten IDs der Infizierten wird auf einem zentralen Server vorgehalten. Der Abgleich findet aber ausschließlich auf den einzelnen Smartphones statt.
Auf welchen Smartphones kann die App installiert werden?
Beim iPhone ist das aktuelle iOS 13.5 Mindestvoraussetzung. Das gibt es für Geräte ab dem iPhone 6s oder dem iPhone SE. Ein altes iPhone 5, 5S oder 6 reicht nicht aus.
Bei Android-Handys ist die Lage etwas unübersichtlicher. Hier muss zum einen Bluetooth LE (siehe unten) unterstützt werden. Das ist ab Android 6 der Fall. Zum anderen müssen aber auch die Google Play Services laufen. Android-Handys ohne Google Play Services, wie die neuesten Huawei-Modelle, bleiben außen vor.
Wie viel Akku verbraucht die App?
Die App wird Bluetooth LE nutzen. LE steht für Low Engergy (geringer Strombedarf). Die Entwickler der App versprechen, dass die Anwendung längst nicht so viel Strom verbraucht wie das Streamen von Musik auf einen Bluetooth-Lautsprecher.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat gesagt, die App müsse auch beim „Musikhören auf dem Handy“ noch laufen können – was ist da das technische Problem?
„Musikhören auf dem Handy“ steht stellvertretend für Anwendungen, die parallel zur Warn-App laufen. Das könnte auch Google Maps oder eine andere App sein. Insbesondere beim iPhone bestand die Herausforderung, dass Apple einem Programm bislang nicht gestattet hat, ständig Bluetooth-Signale im Hintergrund zu senden und zu empfangen.
Für die Corona-Warn-App macht Apple nun eine gezielte Ausnahme. Und auch bei Google wird der Parallelbetrieb der Apps optimiert.
Wie viel Traffic erzeugt die App?
Die Provider haben sich darauf geeinigt, dass der Traffic der Corona-Warn-App den Kunden nicht angerechnet wird. Mehr dazu hier.
Besteht die Gefahr, dass die Corona-Warn-App nicht doch heimlich zur Überwachung der Bevölkerung eingesetzt wird?
Nein, das ist quasi ausgeschlossen. Der Quell-Code der App kann auf der Plattform GitHub transparent eingesehen werden. Bei etlichen Analysen des Codes wurden keine Hintertüren oder andere Anomalien entdeckt.
Gibt es für die Warn-App eine eigene gesetzliche Grundlage?
Nein, die Bundesregierung glaubt, dass die bestehenden Datenschutzgesetze ausreichen und wird im Bundestag dabei von der FDP unterstützt. Die Grünen und Linken fordern dagegen, dass der Einsatz der App durch ein Gesetz geregelt wird.
So müsse nicht nur die Installation der App freiwillig sein. Es dürfe auch keine Verpflichtung geben, ein Smartphone mit laufender App mit sich zu führen und bei Restaurantbesuchen, beim Einkaufen oder Veranstaltungen vorzuzeigen.
Gibt es alternative Warn-Apps in Deutschland?
Nach den Vorgaben von Google und Apple kann es pro Land nur eine offizielle Tracing-App geben, die mögliche infektiöse Kontakte nachverfolgt. Das ist die Corona-Warn-App des Robert Koch-Instituts (RKI), die von SAP und Deutscher Telekom entwickelt wurde.
Welche Apps werden im Ausland genutzt?
Apps in asiatischen Ländern wie China, Singapur, Südkorea oder Indien erfüllen nicht die deutschen Datenschutzanforderungen, weil sie beispielsweise die Nutzer bloßstellen oder durch die Analyse der GPS-Signale ein Bewegungsprofil erstellen können. Die App in Frankreich ähnelt dem Ansatz in Deutschland, besteht aber auf einer zentralen Speicherung der Kontaktdaten.
Wie viele Menschen müssen die App nutzen, damit der gewünschte Effekt eintritt?
Eine Studie aus Oxford sagt, dass der volle Effekt erst dann erreicht wird, wenn sich 60 Prozent der Bevölkerung oder mehr beteiligen. Dann wären keine weiteren Restriktionen nötig. Das wird aber vermutlich nicht zu erreichen sein.
Wie sicher kann die Warn-App gegen Fehlalarme sein?
Da die Bluetooth-Technik nicht für das Messen von Abständen entwickelt wurde, wird es sicherlich auch Fehlalarme geben. Es kann auch sein, dass sich Infizierte hinter einer Glaswand befunden haben und einen Alarm auslösen, obwohl durch den „Kontakt“ keine Infektionsgefahr ausging.
Daher verweisen selbst die Entwickler darauf, dass die App nur einen begrenzten Beitrag zur Normalisierung liefern kann. Sie ist keine Wunderwaffe. Wer sich und andere vor einer Infektion schützen will, sollte auch mit der App Abstand wahren und eine Maske tragen.
Wie unterscheidet sich die Corona-Warn-App von anderen Corona-Programmen?
Nach den Vorgaben von Google und Apple kann es pro Land nur eine offizielle Tracing-App geben, die mögliche infektiöse Kontakte nachverfolgt. Das ist die Corona-Warn-App des Robert Koch-Instituts (RKI), die von SAP und Telekom entwickelt wird.
Es gibt parallel dazu andere Anwendungen mit anderen Zielen: Die Datenspende-App des RKI etwa sammelt Informationen von Fitness-Trackern ein, um zu sehen, ob es in den Regionen Auffälligkeiten gibt. Andere Apps überwachen, wie viele Menschen sich in einem bestimmten Bereich befinden, etwa an einem Strandabschnitt an der Ostsee.