Zwischen Kontaktsperre und dem fatalen Kick

aus Coronavirus-Pandemie

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Nimmt der zwanghafte Griff zu Alkohol und anderen Suchtmitteln in Zeiten von Corona ganz besonders zu? Die Caritas-Suchtberatung hat auf jeden Fall ein offenes Ohr. Archivfoto: dpa/Hildenbrand

Suchtberatung der Binger Caritas sieht sich in Corona-Zeiten mit einer ganzen Reihe von Schwierigkeiten konfrontiert.

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BINGEN. Normalerweise ist in der Suchtberatung der Caritas der direkte Kontakt mit Menschen, die mit Suchtproblemen zu kämpfen haben, zentral. Wöchentlich gibt es eine offene Sprechstunde, außerdem werden die ganze Woche über im „caritas-zentrum St. Elisabeth“ auf Termin persönliche Gespräche geführt. Auch das hat sich, wie so vieles, jetzt radikal geändert. Die Beratungen finden zurzeit telefonisch statt, berichten Irmtraud Fleckenstein-Gerster und Gernot Scherer. Eine Umstellung, ausgerechnet in einer Zeit, in der zu befürchten ist, dass sich Suchterkrankungen verschärfen und neue Suchtproblematiken entstehen. „Wir haben natürlich für diesen Ausnahmezustand keinerlei Vergleichswerte”, geben die beiden Caritas-Suchtberater zu bedenken. „Aber wir wissen, dass Einsamkeit den Umgang mit der Sucht erschweren oder auch dazu führen kann, dass Menschen noch stärker die Kontrolle über sowieso bereits problematisches Verhalten verlieren.” Wenn es überhaupt eine Zeit gebe, die Anhaltspunkte für die Schwierigkeiten während des derzeitigen weitgehenden Kontaktverbots in der Öffentlichkeit liefere, dann sei das die zwischen Weihnachten und Neujahr. „Und da bemerkt man auch immer eine Spitze, das ist eine Zeit, in der man besonders wachsam sein muss. Die Menschen, die dann alleine sind, fühlen sich richtig alleine.” Verschärfend komme hinzu, dass Suchtkrankheiten und Depressionen oft eine starke Korrelation aufwiesen. „Und auch Depressionen kann die derzeitige Lage natürlich verstärken oder auslösen”, erläutert Fleckenstein-Gerster.

Deshalb sei es der Caritas nun auch so wichtig, an die Öffentlichkeit zu gehen und zu sagen: „Wir sind weiter da. Wer ein Problem hat, kann sich an uns wenden.” Häufig sei das Telefon ein Weg des Erstkontaktes zur Caritas-Suchtberatung, berichtet Scherer. „Da kann es schon einmal passieren, dass mitten in der Nacht ein Anruf kommt, weil jemand sich endlich überwunden hat, mit seinem Problem Hilfe zu suchen.” Alle Anrufe würden derzeit nach Möglichkeit direkt beantwortet, außerdem werde die Mailbox regelmäßig abgehört und man rufe in jedem Fall zurück, wenn ein Anruf verpasst wurde.

Das Spektrum derer, die sich gewöhnlich an die Suchtberatung der Caritas wenden, sei sehr breit gestreut, berichten Scherer und Fleckenstein-Gerster. „Alkohol ist immer noch ein dominantes Thema. Außerdem verschiedene illegale Drogen, Eltern, die sich Sorgen um den Cannabiskonsum ihrer Kinder machen, aber auch Spielsüchtige, die wir normalerweise an spezielle Beratungsstellen weitervermitteln”. Auch die Motivation sei ganz unterschiedlich. „Da gibt es Menschen, die Auflagen eines Gerichtes zu erfüllen haben, Menschen, die von der Arbeitsagentur vermittelt werden, ebenso wie solche, die selbst schon länger darüber nachdenken, Hilfe zu suchen und sich endlich entschlossen haben.” Einer der ersten Schritte der Beratung sei es eigentlich immer, zu vermitteln zwischen dem Willen der Person, etwas zu ändern und der Lust, der Sucht nachzugeben. Da laufe regelrecht ein innerer Dialog ab, in den die Beratung sich einklinke. Außerdem helfe man dabei, passende Angebote wie Therapien, Entgiftungen oder auch Selbsthilfegruppen zu finden. Das wiederum sei während der Corona-Krise ein weiteres Problem: „Die Selbsthilfegruppen haben ihre Treffen ja alle eingestellt.“ Auch die Krankenhäuser, wo normalerweise Entgiftungen durchgeführt werden, sind derzeit mit anderen Dingen beschäftigt. Die Suchtberatung der Caritas ist also derzeit eines der letzten Angebote, an das sich Menschen mit Suchtproblemen wenden können.

Die Suchtberatung der Caritas ist erreichbar unter Telefon 06721-91 77 33 oder -37 oder per E-Mail g.scherer@caritas-bingen.de und i.gerster@caritas-bingen.de.