
Auf der Plattform Tiktok gibt es einen neuen Trend: Booktok. Literaturliebhaberin Jessica Sauerwald aus Ehringshausen tauscht sich dort über Bücher aus. Aber wie funktioniert das?
Frankfurt / Gießen. Die Social-Media-Plattform Tiktok ist in diesem Jahr zum ersten Mal auf der Frankfurter Buchmesse vertreten. Der Grund: das Phänomen Booktok. Auf Tiktok treffen sich vor allem junge Menschen, um sich über Bücher auszutauschen. So wie Jessica Sauerwald aus Ehringshausen bei Wetzlar.
Sie ist auf Tiktok, aber auch auf Instagram und Youtube unter dem Namen „Miss. Nerdstagram“ aktiv und gibt auf Fotos, in kurzen Texten und in Videos Tipps für Fantasy-Bücher und Liebesgeschichten. Ihre Karriere in den sozialen Medien hat die 25-Jährige auf Instagram gestartet. „Ich war deprimiert, weil sich in meinem Umfeld niemand für Bücher interessiert hat“, erzählt sie. Dann hat Sauerwald ein Foto von einem Buch geschossen und es zusammen mit ihrer Rezension auf Instagram veröffentlicht. Ihr Ziel: Mit Gleichgesinnten in Kontakt zu kommen. Das hat geklappt. Sauerwald hat die Bücher-Community im Internet entdeckt, gesehen, was andere veröffentlichen, wie sie Fotos und Texte gestalten, und versucht, das nachzuahmen. Es folgten Videos auf Youtube. In der Pandemie hat sich die Studentin auf Tiktok angemeldet.
„Anfangs hatte ich nicht so Lust drauf“, gibt Sauerwald zu. Die Plattform ist vor allem bekannt für Tanzvideos, habe sie gedacht. Im englisch-sprachigen Raum aber sei Booktok auf Tiktok schon länger auch ein Ort für Buchvorstellungen und Rezensionen.
Hugendubel als Vorbild für witzige Videos
Die junge Frau teilt auf den Plattformen nur das, worauf sie Lust hat, sagt sie. Ihre Strategie kommt gut an, auf Instagram folgen „Miss.Nerdstagram“ 13.900 Menschen, auf Tiktok 12.500. Zehn Stunden und mehr verwendet sie pro Woche, um Fotos zu schießen, Videos aufzunehmen und Texte zu verfassen. Für einen aufwändigen Film benötigt sie schon mal drei Stunden für den Dreh und drei für die Bearbeitung, erzählt sie.
Wenn sie nicht liest, ihre Posts vorbereitet oder mit Fans schreibt, studiert sie in Gießen Social Media System und arbeitet nebenbei für einen Verlag als Content Creatorin, also als Inhalte-Erstellerin für die sozialen Medien. Eines ihrer Vorbilder ist das Social-Media-Team von Hugendubel, weil es so lustige Videos erstelle. Booktok als Vollzeitjob? Jessica Sauerwald kann sich das für die Zukunft gut vorstellen.
Vor allem jüngere Leute nutzen Tiktok, wischen über das Handydisplay, um ein Video nach dem anderen zu sehen. Es ist schnelllebig, sagt Saskia Papen, Booktokerin aus der Nähe von Kleve. „Man kann über Nacht berühmt werden.“ Autoren und Verlage nutzen Tiktok als Plattform, um Werbung für ihre Produkte zu machen. Aber auch Papen verdient Geld mit ihrem Account „Pastellpages“ – es sei aber nur ein Nebenjob. Die Einnahmen stecke sie wieder in Tiktok, um bessere Inhalte zu liefern, erläutert sie. „Meine Miete zahle ich damit nicht.“
Hier gehts zum Instagram-Reel von „Miss.Nerdstagram” zur Buchmesse
Sie habe vor zwei Jahren in der Pandemie damit angefangen, erzählt die 23-Jährige. Damals arbeitete sie als Buchhändlerin, spezialisiert auf Kinder- und Jugendliteratur. Um sich auch im Lockdown weiterhin mit Menschen über Bücher auszutauschen, legte sie sich den Account zu. Inzwischen folgen ihr auf Tiktok mehr als 28.100 Menschen. Über ihren Erfolg sagt Papen: „Ich habe im richtigen Moment angefangen und ich hatte die richtigen Bücher“: Fantasy, New Adult Romance und Young Adult Romance.
Podcasts, Instagram und auch Tiktok seien essenzielle Medien für die Vermarktung von Büchern, teilt die Frankfurter Buchmesse auf Anfrage mit. Damit ließen sich besonders für Genre-Literatur wie Young Adult, Thriller, Horror oder Romance Ziel- und Altersgruppen erreichen.
Verlage investieren in Influencer-Kooperationen
Die Verlage dieser Genres hätten das längst erkannt, Marketing-Budgets dafür erhöht und ihre Influencer-Kooperationen ausgeweitet. „In diesen Kanälen sprechen die Leser auch miteinander über ihre Bücher, geben Empfehlungen ab oder starten Challenges zu ihren Lieblingsbüchern. Kurzum: Auf diesen Plattformen wird Literatur leidenschaftlich gelebt“, berichtet Frank Krings, PR-Manager der Buchmesse.
Schauen Sie, was der ukrainische Präsident bei der Frankfurter Buchmesse gesagt hat:
Damit seien Booktok auf Tiktok, Bookstagram auf Instagram und Booktube auf Youtube den alten Literatursalons und Leseclubs recht ähnlich. Die neuen Communitys decken seiner Ansicht nach bisher allerdings weder die ganze Bandbreite der Weltliteratur ab, noch sprechen sie alle Altersgruppen an. Rezensionen in den klassischen Medien und die von Expertise bestimmte Literaturkritik blieben für die Branche wichtig.
VRM-Reporter unterwegs auf der Frankfurter Buchmesse. Schauen Sie selbst: