Gartenblogs: Notizen aus dem Grünen

Staudenbeet von einer „Beetschwester“. Foto: Beetschwestern

Immer mehr Hobbygärtner führen eigene Blogs. Ein kleiner Blick hinter die Kulissen.

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. Lasen Gartenfreunde früher Pflanzenbücher und trafen sich im Staudenverein, tauschen sie sich heute in sozialen Netzwerken aus. Und treffen sich dann auch ganz gern wieder en nature im klassisch analogen Leben.

Carolin und Marco sind seit zwei Jahren glückliche Schrebergartenbesitzer in Schwäbisch Gmünd. Die Idee dazu war aus einer Bierlaune entstanden. Warum nicht Gemüse selbst anpflanzen und einen Schrebergarten in einer Kleingartenanlage pachten? Mit Anfang dreißig gehören beide zu den jüngeren Schrebergartenbesitzern. Ein wenig Erfahrung mit Grün hatten die beiden schon auf ihrem Balkon gemacht. Aber was ist alles zu pflanzen, zu säen und zu pflegen im Garten?

Tipps holten sie sich von anderen Gartenfreunden im Internet. Einen Instagram-Account hatten sie schon vorher, auf dem sie auch gleich über ihre Erfolge und Misserfolge im Garten Fotos präsentierten. Dann kam die Idee, es zu einem Weblog auszubauen, so entstand „Parzelle14“, Carolins Blog. In den Kategorien Garten, saisonal/regional, DIY (Selber-mach-Tipps) und Rezepte postet Carolin, was ihr am Herzen liegt. Im Schrebergarten wird gesät, und was dort geerntet wird, verarbeitet sie in der Küche. Fotos zu den Rezepten wie Spargel-Tarte machen Lust, sie auszuprobieren.

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Warum aber die viele Mühe und nicht einfach für sich gärtnern? Carolin will andere junge Familien ebenfalls fürs Gärtnern im – wie sie findet – gar nicht spießigen Schrebergarten begeistern, weitergeben, was sie sich an Wissen angeeignet hat. Die Follower und Likes, die Währung des Internets, sind ihre Motivation weiterzumachen. Und die Community hält auch stets Kommentare und Tipps bereit. Längere Blogbeiträge schreibe sie am Wochenende, sagt Carolin, auf Instagram sei sie täglich unterwegs. Ihr Mann sei für die technische Seite des Blogs zuständig.

Etwas gelassener gehen es die „Beetschwestern“ an, hier verteilt sich die Schreibarbeit auf mehrere Schultern. Hinter dem gleichnamigen Blog stecken sechs Frauen der Generation Ü50. Sie haben sich auf einem Gartenseminar im Münsterland kennengelernt, einige waren schon vorher befreundet. Alle vier Wochen treffen sich die Frauen zum gemeinsamen Stammtisch. Hier entstehen Pläne zu Gartenreisen. Jede der Frauen hat ihr Spezialgebiet, Beate Kellermann organisiert die Offene Gartenpforte im Ennepe-Ruhr-Kreis, Carmen arbeitet als Gartentherapeutin, Birgit als Kräuterpädagogin, Annette imkert und befasst sich leidenschaftlich mit Gemüse im Garten, Gabi engagiert sich für insektenfreundliches Gärtnern, Conny verfügt über einen großen Bauerngarten. So viel Gartenwissen sollte publik gemacht werden, meinten die Frauen und planten ein Buchprojekt. Aber ein Buch ist irgendwann fertig und dann? So entstand die Idee für den Blog. Über das Akelei-Foto für ihr Logo waren sie sich schnell einig, denn wie die Pflanze guckten auch sie gerne über Gartenzäune, wanderten durch den Garten, seien tief verwurzelt und von unterschiedlicher Couleur, so Cornelia.

Die Online-Affinität war nicht bei allen gleich groß. Gemeinsam besuchten sie ein Seminar, um technische Details zu erlernen. Conny wurde zur Administratorin des Blogs, sie erledigt die technischen Aufgaben, Beiträge schreiben alle Gartenfreundinnen. Der Zeitaufwand liegt zwischen zwei und 20 Stunden für einen Post. Jede schreibt zu Themen, die sie interessiert, recherchiert dazu, fachlich genau soll es schon sein. Der Blog eröffnet einen überregionalen Dialog. An der Statistik sieht Conny, dass die Beetschwestern auch in Österreich, Italien, Namibia und den USA gelesen werden.

„Sibirisches Birnchen“ gedeiht auf dem Balkon

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Im Netz schreibt man sich freundschaftlich mit Vornamen oder Spitznamen an. Treffen in der realen Welt sind ebenso wichtig. So waren die Beetschwestern auch 2019 im August in Münster dabei, als eine Pflanzenzucht-Firma zum vierten Bloggertreffen auf ihr Blumenfeld am Kaldenhof einlud. Fast 40 Blogger aus ganz Deutschland trafen sich zu Führungen, Workshops und Koch-Events. Bloggertreffen sind wie Klassentreffen, es gibt ein ausgelassenes Hallo, da sich viele Teilnehmer schon online kennen. Jetzt sieht man von Angesicht zu Angesicht, wer hinter den Blogs steckt, Gartenblogger sind zu 90 Prozent weiblich.

Große Zahlen an Followern und Klicks im Internet machen auch die Grüne Branche aufmerksam. Sie organisiert Bloggertreffen, lobt Preise aus für den „Newcomer des Jahres“. Die Gartenbuch-Branche vergibt nicht nur Preise für die besten Gartenbücher, sondern auch für die besten Garten-Blogs.

Und manchmal wird eine Bloggerin dann doch zur Buchautorin. Ein Verlag hatte Melanie Öhlenbach angesprochen, ob sie ein Buch über das Gärtnern auf dem Balkon schreiben möchte: Melanie Öhlenbach von „Kistengrün“ bloggte da schon seit sechs Jahren über ihren Balkongarten. Das Buch heißt „Mein Stadtbalkon“. Über 40 verschiedene Kräuter, Gemüse und Blumen kultiviert die Bloggerin in Balkon- und Bäckerkisten, Kübeln und Reissäcken. Erde dazu beschafft sie sich vom Recyclinghof. Die Tomate „Sibirisches Birnchen“ gehört zu ihrem Lieblingsgemüse.

Die Journalistin hatte mit Gärtnern nichts zu tun, ist aber auf dem Land mit Nutzgarten und Streuobstwiese aufgewachsen. Seit das Gartenfieber sie gepackt hat, will sie wissen, wie es geht und was auf einem Balkon wachsen kann. Den Blog sieht sie als öffentliches Tagebuch, in dem sie über Themen schreiben kann, so lang und breit, wie sie mag. Auch bei ihr steht im Vordergrund, ihre Erfahrung zu teilen und sich auszutauschen. Sie freue sich, wenn sie Menschen mit Balkon in der Stadt motiviert, Blumen, Gemüse und Kräuter anzupflanzen, und das nachhaltig mit Blick auf Umwelt- und Artenschutz.

Von Heidi Lorey