Warum gingen Sie nach Deutschland, Herr Mansour?

Ahmad Mansour.

Der deutsch-israelische ­Psychologe Ahmad Mansour muss seit Jahren in Deutschland unter Polizeischutz leben. Er warnt vor der Unterwanderung durch den politischen Islam.

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Herr Mansour, Sie widmen Ihr neues Buch Ihren Personenschützern vom Landeskriminalamt. Wer bedroht Sie?

Das sind Islamisten und Leute aus diesem Umfeld. Sie versuchen manchmal, mich richtig anzugreifen, spucken und beschimpfen mich. Diese Motivation zur Gewalt kommt aber nicht aus dem Nichts, sondern hat Wegbereiter, Menschen, die mich und andere, die sich kritisch mit dem Islamismus auseinandersetzen, tagtäglich diffamieren.

Sie werden auch von der Linken angefeindet. Was wirft die Ihnen vor?

Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Linke Nicht-Muslime werfen einem Muslim, der kritisch mit bestimmten Aspekten seiner Religion umgeht, der Jugendarbeit betreibt und in Gefängnissen arbeitet, Rassismus und Islamophobie, also Islamhass, vor. Sie spielen sich als moralische Instanz auf.

Ahmad Mansour.
Ahmad Mansour. (© Heike Steinweg)

Sie stammen aus einer arabisch-israelischen Familie und sind als Jugendlicher in die Muslimbruderschaft geraten. War das Ihre Form der Revolte gegen Ihre Eltern?

Ich wurde in der Schule gemobbt, hatte Ängste und fand keinen Anschluss. Der Imam, der mich ansprach, merkte, dass es mir nicht gut ging, und wurde für mich zur Vaterfigur. Er brachte mich zu dieser ideologischen Gruppe. Und ja, das war ein Ablösungsprozess von meinen Eltern, die gar nicht religiös und auch nicht davon begeistert waren, dass ich mich dieser Gruppe anschloss.

Und wie kamen Sie da wieder heraus?

Ich habe nach der Schule in Tel Aviv studiert. Dort war ich alleine unter Juden. Das brachte mich zum Nachdenken. Ich merkte, dass die Vorurteile, die man mir mitgab, nicht stimmten. Ich fing an, Bücher zu lesen, die nicht nur mit dem Koran oder dem Islam zu tun hatten. So fing ich an zu zweifeln. Es folgten Distanzierung und Ausstieg. Das war ein harter Prozess, voller Angst und Vorwürfen des Verrats. Die Menschen, mit denen ich in den Moscheen groß wurde, stellten mich als unislamisch hin.

Nach einem Attentat 2004, das Sie miterlebten, verließen Sie Israel. Warum gingen Sie nach Deutschland?

Das war eine impulsive Entscheidung. Ich dachte, wenn ich in Israel bleibe, werde ich in einem Konflikt sterben, der nicht meiner ist. Ich war Israeli, aber palästinensischer Herkunft. Ich konnte beide Seiten verstehen, Täter und Opfer sein. Andere Länder erschienen mir schwierig, was Visum und die Fortsetzung meines Studiums anlangte. Da präsentierte mir eine Mitarbeiterin des Goethe-Instituts Deutschland als machbar. Als ich dann in Berlin landete, merkte ich schnell, dass das Leben und die Sprache viel schwieriger sind als gedacht. Vor allem die Bürokratie, mein Studium anerkennen zu lassen, war unglaublich schwierig.

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Themenwechsel: Im Fokus der aktuellen Islamkonferenz steht die Muslimfeindlichkeit. Wird da vor allem die Opfererzählung bemüht und der Islamismus verharmlost?

Das ist die Linie von SPD und Grünen. Man möchte weniger kontroverse Themen, sucht die Kooperation mit den konservativen Islamverbänden und dem politischen Islam. Wir liberalen Stimmen und ein Großteil der Muslime werden nicht gehört. Jugendliche, mit denen ich arbeite, haben andere Sorgen. Sie wünschen sich ein modernes Islamverständnis. Es ist naiv, aber auch gewollt, mit den Verbänden eine problematische, auslandsorientierte und undemokratische Minderheit zu legitimieren, im Namen der Mehrheit der Muslime zu sprechen.

Sie warnen vor der Unterwanderung Europas durch den politischen Islam. Übertreiben Sie da nicht?

Ich spreche nicht von einer Machtübernahme gleich morgen, aber die Dimension der Einflussnahme macht mir schon Angst. Der Verfassungsschutz spricht bei Scientology auch von Unterwanderungswillen. Scientology ist viel schwächer als die islamistischen Strukturen in Deutschland. An den Zuständen in Frankreich, Belgien oder Schweden sieht man, wie viel Macht und Einfluss der politische Islam dort auf lokaler Ebene schon hat. Auch in Neukölln haben nicht-muslimische Schüler heute schon Probleme, überhaupt anzukommen. Und in Köln, Düsseldorf oder Frankfurt gibt es auf lokaler Ebene Akteure mit unglaublich viel Machtverlangen, die schon jetzt viele Debatten zu ihren Gunsten entscheiden können.

Warum kooperiert der Staat mit den konservativen Islamverbänden, die offenbar eher politische als theologische Organisationen sind?

Man versucht, dem Islam kirchliche Strukturen aufzuzwingen, möchte ein, zwei Partner, um alle Fragen des Islams zu regeln. Die Verbände sind gut organisiert, viel stärker als Einzelpersonen, auch weil sie aus dem Ausland unterstützt werden. Es herrscht viel Na­ivität und Unkenntnis: Selbst Bundestags­abgeordnete denken, wenn sie sich mit Aiman Mazyek vom Zentralrat der Muslime fotografieren lassen, demonstrieren sie Toleranz. Obwohl der Zentralrat der Muslime hochproblematische Mitglieder hat, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Außerdem bedeutet Demokratie in Deutschland zunehmend Harmonie und Konsens. Stimmen, die auf Probleme hinweisen, gelten als Störenfriede. Akteure der Identitätspolitik haben ein enges Meinungsklima geschaffen. Wenn die AfD und andere rechtsradikale Gruppen etwas aufgreifen, greift man es nicht auf. Bei diesem Schwarz-Weiß-Denken ist man zudem davon beseelt, etwas moralisch Gutes zu tun.

Welche Rolle spielen die Kirchen?

Die Kirchen unterstützen die Islamverbände, weil sie damit ihre eigene Macht sichern wollen, wenn sie sich etwa für den Islamunterricht starkmachen. Vor allem die evangelische Kirche macht scheinbar jeden Trend mit. Und gerade ist es „in“, ausschließlich über Islamophobie zu sprechen, den Islam einzubürgern, egal welchen, und jede Kritik daran zu delegitimieren. Sie grenzen die Riesenunterschiede aus, wie der Islam theologisch und gesellschaftlich funktioniert. Ihrem großen Mitgliederschwund und dem religiösen Bedeutungsverlust begegnen sie, indem sie problematische Islamvereine eta­blieren – in Schulen, in der Seelsorge und sonst wo.

Warum wurde der Juden- und Israelhass, der nicht von Einheimischen stammt, hierzulande lange ignoriert?

Man möchte uns Muslime wie unmündige Kleinkinder beschützen. Wenn ich den muslimischen Antisemitismus anspreche, den es neben dem klassischen Antisemitismus selbstverständlich gibt, setzt sofort ein Schutzreflex ein: Darüber kann man nicht sprechen, weil die Muslime ja auch Probleme mit Rechtsradikalen haben. Das ist neuer Kolonialismus, der von links kommt. Da wird man bevormundet. Das erlebe ich tagtäglich: Wenn ich eine andere, bürgerlich-konserva­tive Position einnehme, gelte ich nur als „Marionette der Rechten“ und bin nicht in der Lage, meine Meinung auf meine Erfahrungen zu stützen. Diese Relativierung, das Gegeneinander-Ausspielen verschiedener extremis­tischer Erscheinungen, zeigt auch, wie unfähig zur Differenzierung wir geworden sind.

Wie sehen Sie die Debatte über Einwanderung und Einbürgerung?

Die verläuft sehr einseitig. Man möchte alles erleichtern, aber nicht über die Heraus­forderungen sprechen. Integration bedeutet nicht nur Sprache plus Arbeit minus Kriminalität, dazu gehört auch, die Grundwerte dieser Gesellschaft zu verinnerlichen. Man spricht über Asylbewerber, aber nicht über Abschiebung; über die Vielfalt, aber nicht über negative Begleiterscheinungen wie Messerangriffe, patriarchalische Strukturen, die Ablehnung anderer Religionen oder Antisemitismus. Man spricht schon gar nicht mehr von Integration, sondern von Teilhabe. Damit überträgt man die Verantwortung für das Ankommen auf die Mehrheitsgesellschaft. Rassismusbekämpfung und Anti­diskriminierung sind wichtig, aber Inte­gration bedeutet auch eine Bringschuld der Zugewanderten.

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