Die Verfahren der hessischen Justiz dauern vielfach zu lange. Die einen meinen, die Ursache dafür sei der Personalmangel in der Justiz. Andere, wie Hessens Justizministerin Eva Kühne-Hörmann, sind überzeugt: Die Verfahren selbst sind ineffizient geworden.
Von Christoph Cuntz
Redakteur Politik
„Die Verfahren sind nicht mehr effizient“, sagt Hessens Justizministerin Eva Kühne-Hörmann.
(Foto: dpa)
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WIESBADEN - Es gibt in Deutschland Strafverfahren, die sind so aufwendig und langwierig, dass die Beschuldigten schon längst gestorben sind, wenn Anklage erhoben ist. Das 2012 eingeleitete Cum-Ex-Verfahren gehört dazu, in dem die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt im Herbst 2017 Anklage gegen sechs Männer erhoben hat: Der Immobilienmogul, der Nutznießer dieser mutmaßlichen Wirtschaftskriminalität gewesen sein soll, war da schon tot. Ob die Anklage zulässig ist, ist bis heute nicht entschieden.
Konfliktverteidiger verlängern Strafprozesse
Solche Fälle zeigen: Der Rechtsstaat, den Hessens Justizministerin Eva Kühne-Hörmann „ein Stück deutscher Identität“ nennt, ist reformbedürftig. „Die Verfahren sind nicht mehr effizient“, sagt die CDU-Politikerin. Die Vorschriften der Straf- und Zivilprozesse sowie der Verwaltungsgerichtsverfahren müssten überprüft werden, mit dem Ziel, diese zu beschleunigen. Der Strafjustiz machten „Konfliktverteidiger“ zu schaffen, deren Strategie darauf abzielt, durch Ausschöpfen der Strafprozessordnung ein Verfahren undurchführbar zu machen. Zivilprozesse wiederum litten darunter, dass einer der Beteiligten kein Interesse an einem kurzen Prozess hat. Auch werde der Rechtsstaat immer häufiger in Anspruch genommen, so Hessens Justizministerin. Geklagt werde mittlerweile wegen allem möglichen, auch wegen schlechter Noten.
Bei dieser Analyse erstaunt Kühne-Hörmanns Schlussfolgerung, es gebe in Hessens Justiz „nirgendwo große Lücken beim Personal“. Dabei hat ihr eigenes Ministerium publik gemacht, dass beim Oberlandesgericht Frankfurt beispielsweise der Bedarf bei 169 Richterstellen liegt – dort aber nur 149 Richter urteilen. Und Roman Poseck, Präsident des Oberlandesgerichtes, hat dieser Zeitung gesagt: „Wir blicken neidisch auf andere vergleichbare Oberlandesgerichte, die personell erheblich besser ausgestattet sind“.
Forderungen nach mehr Personal gehören für die Ministerin indes zum guten Ton eines jeden Gerichtspräsidenten. Dabei habe Hessen schon 2014 angefangen, in der Justiz über 500 neue Stellen zu schaffen. Mit dem Justizaufbauprogramm, das seit 2017 und noch in diesem Jahr läuft, investiere das Land mehr als 55 Millionen Euro in die Rechtsprechung. Der Richterbund Hessen begrüßt zwar, dass sich die Personallücke verringert hat. Sie sei aber „immer noch beträchtlich“. Wenn der Personalmangel nicht kompensiert werde, könnten „Schnelligkeit oder Gründlichkeit der richterlichen und staatsanwaltlichen Arbeit“ leiden.
So hat jetzt auch die SPD im Landtag kritisiert, es mangele Hessens Justiz an Personal, was die Landesregierung zu verantworten habe. Der SPD-Abgeordnete Gerald Kummer spricht von einem nur „minimalen Stellenaufbau“ der vergangenen Jahre. Und er fürchtet, unter diesem Mangel könnte das Ansehen des Rechtsstaates leiden. Denn Gerichtsverfahren seien nach wie vor langwierig. Damit aber entstehe Frust bei Personal und Bürgern.
Für den AfD-Abgeordneten Gerhard Schenk ist es die Zuwanderung, die zur „Erosion des Rechtsstaates“ geführt hat. Mit den neu geschaffenen Stellen in der Justiz sei die „kollektive Verwahrlosung dieses Landes“ nicht mehr aufzuhalten.