Atomkraft in Deutschland: War es das nun wirklich?

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Ein Bild mit Symbolkraft: Auch der zweite Kühlturm des 2011 abgeschalteten Atomkraftwerks in Biblis ist mittlerweile Geschichte – wie in wenigen Tagen die Stromproduktion mit Hilfe der Kernspaltung. Gesprengt wurde der Kühlturm am 23. Februar.
© Thorsten Gutschalk

Warum die verbleibenden drei AKW nicht noch ein paar Jahren weiterlaufen lassen, fragen sich viele Menschen. Reaktorsicherheitsexperte Michael Sailer hält von solchen Ideen nichts.

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Herr Sailer, in Deutschland gehen die drei letzten Atomkraftwerke vom Netz. War das eine kluge Entscheidung?

Aus meiner Sicht ja. Die Politik hat mehr als 20 Jahre darum gerungen. Atomkraftwerke bergen das Risiko großer Unfälle – das haben wir mehrmals gesehen, zum Glück nicht in Deutschland. Dass bei uns nichts Großes passiert ist, war eher ein Zufall.

Zufall?

Ja. Auch in den deutschen AKW waren viele schwere Fehler eingebaut, die wir teilweise erst nach Jahrzehnten gefunden haben. Und wir waren uns nach diesen Überprüfungen nie sicher, ob da vielleicht noch mehr ist.

Sie sprechen von Fehlern, die zu einer Havarie wie in Harrisburg, Tschernobyl oder Fukushima hätte hätten führen können?

Jedes der Atomkraftwerke, die wir in Deutschland gefahren haben, war prinzipiell in der Lage, eine Kernschmelze und damit einen großen Unfall zu kriegen. Und deshalb ist es gut, dass wir dieses Risiko nun loswerden.

Wir haben noch den strahlenden Atommüll.

Auch der ist gefährlich und wird uns noch Jahrzehnte beschäftigen, aber das ist eine andere Dimension und nicht zu vergleichen mit einer Reaktor-Havarie.

Michael Sailer, Mitbegründer des Darmstädter Öko-Instituts, war viele Jahre Mitglied der Reaktorsicherheitskommission der Bundesregierung.
Michael Sailer, Mitbegründer des Darmstädter Öko-Instituts, war viele Jahre Mitglied der Reaktorsicherheitskommission der Bundesregierung.
© Andreas Kelm

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Jenseits der grundsätzlichen Risiken – was spricht dagegen, die drei letzten AKW noch eine Weile laufen zu lassen?

Dass die Anlagen nicht mehr auf dem heutigen Stand der Technik sind. Wir haben uns im zurückliegenden Jahrzehnt einen doppelten Sicherheitsrabatt genehmigt. Eigentlich ist alle zehn Jahre eine sogenannte periodische Sicherheitsüberprüfung vorgesehen. Die Erfahrung zeigt, dass Sie dabei immer etwas Größeres finden: Konstruktions- und Materialschwächen, aber auch Denkfehler in Sicherheitsanalysen. 

Die noch laufenden AKW hätten 2019 auf Herz und Nieren geprüft werden müssen. Das wurde wegen der geringen Restlaufzeit nicht mehr gemacht.

Ja. Aber schon die Überprüfung zehn Jahre davor hatte nicht die notwendige Qualität. Es wurde nicht mehr umfassend nachgerüstet. Auch dahinter stand schon die Überlegung, dass sich das mit Blick auf die Restlaufzeit nicht mehr lohnt. Deshalb haben wir heute einen deutlich verschlechterten Sicherheitszustand in den Anlagen.

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Wäre die Nachrüstung von Isar 2, Neckarwestheim 2 und Emsland für einen Zyklus mit neuen Brennelementen darstellbar?

Wahrscheinlich nicht. Und zwar schon wegen der Frage, ob ich die Teile rechtzeitig geliefert bekomme. Die liegen nicht fertig im Regal der Industrie. Wir sprechen hier über mehrere Jahre Vorlaufzeit. Auch neue Brennelemente brauchen mehrere Jahre Vorlauf. 

Im Herbst war von maximal 18 Monaten die Rede.

Das sind Quatschzahlen, die von interessierter Seite genannt wurden. Man muss sich nur die bisherigen Bestellzyklen anschauen. Da wird schon Jahre vor dem Wechsel der Brennstäbe genau geplant, welches Element wie aussehen muss, mit welcher Anreicherung, für welchen Platz im Reaktor und so weiter.

Das Kernkraftwerk Emsland.
Das Kernkraftwerk Neckarwestheim.
Das Atomkraftwerk Isar 2 im bayerischen Essenbach.

Geht Deutschland bei der Atomenergie international einen Sonderweg?

Nun ist Deutschland mit seiner Abkehr von der Kernenergie international ziemlich isoliert. Was wissen wir besser als die anderen?

Zunächst einmal: So allein sind wir nicht. Es gibt etliche Länder, die keine Atomkraftwerke betreiben, darunter auch größere Industrienationen, in Europa zum Beispiel Italien oder Österreich. Was stimmt: Wir sind die mit dem stärksten Kernenergieprogramm, die jetzt gesagt haben, wir wollen nicht mehr. 

Es gibt Länder, die setzen weiter auf Kernkraft und kündigen den Bau neuer Meiler an.

Manche sagen das seit 30 Jahren. Gebaut wurde aber zumindest in Europa nur sehr wenig.

Was ist mit Frankreich? Dort hat Präsident Macron den Bau von sechs neuen Meilern angekündigt.

Auf mich wirkt das schizophren. Die Franzosen haben bei Überprüfungen systematische Fehler gefunden, zum Beispiel richtig dicke Risse in Rohrleitungen. Da die AKW in Frankreich in Serie gebaut wurden, mussten sie viele zur Überprüfung und Reparatur abschalten. Diese Anlagen stellen nicht nur ein Risiko dar, sondern eine Gefahr. Zugleich ist die französische Industrie nicht in der Lage, rechtzeitig und zu vernünftigen Kosten eine neue AKW-Generation hinzustellen. Zwei neue Meiler in der Normandie werden seit 15 Jahren nicht fertig. Und jetzt sollen sie weitere sechs neu bauen? Fakt ist: Frankreich wird noch Jahre Strom aus anderen Ländern importieren müssen. 

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In der Klimadebatte gibt es das Argument, dass Kernkraft eine viel bessere CO2-Bilanz aufweise als Kohle oder Gas. Können wir uns den Abschied aus der Kernkraft mit Blick aufs Klima wirklich leisten?

Zur CO2-Bilanz gehört nicht nur die Energieproduktion. Selbst wenn es gut läuft, schaffen Sie mit der Kernkraft nur einen kleinen Teil der notwendigen Einsparung.

Besser wenig als nichts.

Aber auf der anderen Seite haben wir das Risiko, das in dieser Technologie steckt. Ich meine das reale Risiko schwerer Unfälle. Der AKW-Park in Europa ist 30, 40, teilweise 50 Jahre am Netz. Das sind alte Maschinen, bei denen eine immer höhere Wahrscheinlichkeit des Versagens besteht. Wenn Kernkraft beim CO2-Sparen etwas bewirken soll, müssten Sie praktisch den kompletten AKW-Bestand erneuern. Das ist ein Irrweg. Forcierte Programme für Erneuerbare Energien und Energieeffizienz bringen viel mehr fürs Klima.

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Neue kleine Atomkraftwerke als Brücke in die Zukunft?

Spielen auch die enormen Kosten neuer Kernkraftwerke eine Rolle?

Sicher. Geld verdienen kann man eigentlich nur mit AKW, die schon gebaut sind. Alle neuen Projekte sind ökonomisch nicht rentabel, weil sich Kosten und Bauzeiten vervielfacht haben. Deshalb haben private Investoren schon lange keine Lust mehr auf neue Atomkraftwerke. Wo gebaut wird, ist der Staat der Investor oder garantiert für massive finanzielle Zuschüsse.

Befürworter setzen große Hoffnung auf SMR (Small Modular Reactors), also kleinere modular aufgebaute Reaktoren. Damit soll eine Havarie ausgeschlossen werden. Könnten sie das Blatt noch einmal wenden?

Glaube ich nicht. Ein AKW, das bei einem schweren Unfall oder einem kriegerischen Angriff keine Radioaktivität freisetzen soll, müsste ein sehr kleines sein. Da reden wir von 10 oder 15 Megawatt elektrische Leistung. Zum Vergleich: Die großen Reaktoren in Deutschland oder Frankreich haben 1300 Megawatt. 

Man braucht also 100 SMR, um ein altes AKW zu ersetzen.

Ja, und das halte ich für unrealistisch. Es gibt auch SMR-Modelle mit 500 Megawatt Leistung, allerdings ist da nichts mehr „small“. Teilweise sollen diese SMR mit Flüssigmetallen als Kühlmittel arbeiten, die zu Brand neigen. Außerdem gibt es bisher keine Prototypen, sondern nur Papierskizzen. Die technische Erfahrung zeigt aber, dass bei der Umsetzung die wirklichen Probleme erst auftauchen.  

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Vor mehr als 20 Jahren hat die damalige rot-grüne Bundesregierung den ersten Ausstiegsbeschluss gefasst. Glauben Sie, dass nun wirklich Schluss ist mit der Atomenergie in Deutschland? 

Sicher ist nichts, aber ich glaube, mit dem 15. April ist Ende. Sie können die AKW, die wir noch haben, danach nicht mehr betreiben. Der Rückbau ist seit Jahren geplant und wird bald beginnen. Sie haben kein Fachpersonal mehr zum Fahren solcher Anlagen. Sie haben keine Unternehmen mehr, die neue AKW bauen wollen und dazu in der Lage wären. In Deutschland ist es eine auslaufende Technik.

Hat das Datum für Sie persönlich eine Bedeutung?

Es ist schon eine Zäsur, weil damit zumindest das Risiko eines schweren Reaktorunfalls in Deutschland endet. Was uns bleibt, sind die AKW in der Nachbarschaft und die Zwischenlager mit dem hochradioaktiven Müll.