Blockade-Aktionen der Letzten Generation: Wer zahlt?

Klimaaktivisten der „Letzten Generation“ beschmieren die gläserne Grundgesetz-Skulptur im Regierungsviertel und kleben Plakate darauf.

Klima-Aktivisten müssen aus dem Asphalt gefräst werden, schütten Beton auf Brücken oder fällen symbolisch einen Baum vor dem Kanzleramt: Wer muss nun dafür bezahlen?

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Region. Es geht um den Kampf für den Klimaschutz, den die Aktivisten der Letzten Generation mittlerweile immer erbitterter kämpfen. Aber mittlerweile geht es auch um Geld. Geld für die Schäden, die bei den immer drastischeren Aktionen entstehen – längst geht es nicht mehr nur um die Kosten für die Polizeieinsätze bei Straßenblockaden. Es geht auch um Geld für die Strafzahlungen, die Gerichte derzeit angesichts der immer dichteren Taktung der Aktionen mittlerweile nahezu täglich verhängen. Um welche Summen es konkret geht, welche Strafen die Aktivisten erwarten und wie sich die Letzte Generation finanziert – ein Überblick.

Wer muss für Schäden bei Aktionen der Letzten Generation bezahlen?

Wenn bei den Aktionen Sachschäden entstehen – das können beispielsweise der gefällte Baum vor dem Kanzleramt, der rausgefräste Asphalt auf der Mainzer Saarstraße oder der Mitte Februar auf die Berliner Mühlendammbrücke geschüttete Beton sein –, müssen die betroffenen Kommunen die Höhe des Schadens ermitteln und dann bei den Aktivisten einfordern. In einem Großteil der Fälle werden die Personalien der Verursacher vor Ort von der Polizei festgestellt, zum Teil werden die Aktivisten auch in Gewahrsam genommen. Deshalb ist hier, anders als beispielsweise in Fällen von Vandalismus, keine Ermittlungsarbeit nötig, um Täter zu identifizieren.

Gebührenbescheide können dann einfach zugestellt werden. Das kann in einigen Fällen ziemlich teuer werden. Im Fall des vor dem Berliner Kanzleramts gefällten Jungbaumes (sechs Personen beteiligt; „Wirtschaft & Politik sägen an den Ästen, auf denen die Zivilisation sitzt”) beziffert das Bezirksamt Mitte den Schaden für den Rot-Ahorn auf rund 10.000 Euro – obendrauf kommen noch mutmaßlich Geldstrafen, eine Strafanzeige ist bereits gestellt. Wie viel die Erneuerung des herausgefrästen Asphalts in Mainz kosten wird und ob der Schaden bereits ermittelt wurde, dazu konnte die rheinland-pfälzische Landeshauptstadt auch nach anderthalb Wochen auf Anfrage keine Auskunft geben.

Müssen die Polizeieinsätze ebenfalls von den Klimaaktivisten bezahlt werden?

Ja. Die Polizei ermittelt, wie viel der Einsatz gekostet hat und wie hoch der Anteil der jeweiligen beteiligten Personen ist. Dafür werden alle Umstände des Polizeieinsatzes von Anfang bis Ende dokumentiert, vor allem die Stundenzahl der eingesetzten Beamten sowie die Menge und Kosten der Einsatzmittel. Dies kann beispielsweise das Öl sein, welches zum Ablösen des Klebers verwendet wird – aber beispielsweise auch die Kosten für größere Maschinen wie Hubleitern im Danneröder Forst, um die Aktivisten aus den Bäumen zu holen. So wurden etwa in Hessen nach Angaben des Innenministeriums bislang insgesamt gegenüber 13 Personen, die im Zusammenhang mit Klebeaktionen stehen, Kosten für „polizeiliche Amtshandlungen“ erhoben: insgesamt 2800 Euro. Das ist ein ähnlicher Satz, der beispielsweise auch in München oder Berlin von der Polizei angesetzt wird, meist sind es um die 250 Euro pro Kopf. Darüber hinaus gebe es in Hessen weitere sieben Verfahren, bei denen die Kosten derzeit erhoben werden.

In Österreich haben Letzte-Generation-Aktivisten kürzlich eine saftige Rechnung für eine Klebe-Aktion erhalten: Rund 1500 Euro pro Kopf sollen die vier Personen für den Polizeieinsatz in Wien zahlen. Penibel wird aufgelistet, wie sich der Betrag zusammensetzt. 49 Polizisten zum Stundensatz von 34 Euro waren zwei Stunden im Einsatz, 15 Euro jeweils für eine Stunde: 3842 Euro. Hinzu kommt der Einsatz eines Polizeihubschraubers, der pro Flugminute 53 Euro kostet. Macht 2385 Euro für 45 Minuten.

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Welche Strafen erwarten die Aktivisten?

Neben den Einsatzkosten kommen in der Regel auch Geldstrafen oder Sozialstunden im Jugendstrafrecht, beispielsweise wegen Nötigung oder Widerstand gegen Polizeibeamte, auf die Aktivisten zu. Darüber entscheiden derzeit bundesweit Gerichte. Am Montag hat das Amtsgericht Heilbronn fünf Klima-Aktivisten zu verschiedenen Haft- und Geldstrafen verurteilt: Zwei Männer bekamen wegen Nötigung je eine Freiheitsstrafe von drei beziehungsweise zwei Monaten. Ohne Bewährung, weil sie schon mehrfach wegen ähnlicher Delikte aufgefallen seien. Die drei anderen Letzte-Generation-Aktivisten müssen jeweils mehrere Tausend Euro zahlen.

Die Höhe der Tagessätze orientiert sich am Einkommen des Beschuldigten, die Anzahl nach der Schwere des Vergehens. So wurde beispielsweise der bekannte Aktivist Christian Bläul gerade in Berlin für sieben Straßenblockaden zur Zahlung von insgesamt 2700 Euro verurteilt, insgesamt hat er bereits Strafbefehle von mehr als 20.000 Euro erhalten. Für Aktionen an der Hauptverkehrsader Münchner Stachus wurden Aktivisten kürzlich zu Geld­stra­fen in Höhe von je­weils 30 Ta­ges­sät­zen zu je 15 Euro ver­ur­teilt. Es wären in „besonders schweren Fällen von Nötigung“ auch Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren möglich – solche Fälle wurden aber bislang nicht bekannt.

In der Bundeshauptstadt wurden aufgrund der häufigen Klebe-Aktionen „Beschränkungsverfügungen nach dem Versammlungsgesetz“ erlassen. Sprich: Die Polizei verhängt gegen Wiederholungstäter, die mindestens acht Mal bei Blockaden dabei waren, Klebeverbote. Sie dürfen sich ein halbes Jahr lang nicht mehr bei Klimablockaden festkleben. Wer dagegen verstößt, dem droht ein Zwangsgeld in Höhe von 2000 Euro. Begründet werden die Klebeverbote damit, dass die öffentliche Sicherheit „unmittelbar gefährdet“ sei. Allerdings haben innerhalb von wenigen Wochen bereits fünf Klimaaktivisten gegen das Klebeverbot verstoßen – sie müssen jetzt das Zwangsgeld zahlen.

Auch München hatte den Umgang mit den Klimaaktivisten verschärft und im Winter ein Versammlungsverbot verhängt für „Straßenblockaden, bei denen sich Teilnehmende fest mit der Fahrbahn verbinden“, sofern keine Versammlung vorher angemeldet wurde. Auch die Organisation und Teilnahme an solchen Protesten ist dann strafbar. Zudem wird in Bayern das umstrittene Instrument des „Präventivgewahrsams“ genutzt: Nach Angaben des bayerischen Innenministeriums waren von Dezember bis Januar 20 Klimaaktivisten in Bayern nach Protestaktionen in und um München sowie am Flughafen der Landeshauptstadt in längere Präventivgewahrsam genommen worden, einige von ihnen mehrfach.

Raúl Semmler muss in Mainz sogar aus dem Asphalt gefräst werden – das Video der Protestaktion sehen Sie hier:

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Wie finanziert sich die Letzte Generation?

Geldstrafen müssen die Aktivisten generell selbst zahlen, viele haben aber Spendenaktionen ins Leben gerufen, und einige finanzieren über Privatspenden auch ihren Kampf für das Klima, beziehungsweise ihre Lebenshaltungskosten. In einem kürzlich veröffentlichten Transparenzbericht wird deutlich, dass die Letzte Generation einigen Vollzeit-Aktivisten aus Spendengeldern finanzielle Zuwendungen für die Lebenshaltungskosten zahlt. Diese würden beispielsweise Bildungsarbeit für die Letzte Generation machen, Vorträgen und Trainings organisieren oder Werbematerialien erstellen.

Im Jahr 2022 erhielt die Gruppe rund 900.000 Euro an Spenden und gab insgesamt etwa 535.000 Euro aus. Die Hälfte davon floss in Mieten von Veranstaltungsräumen, Wohnungen für Demonstranten sowie Autos, weitere 100.000 Euro in Material wie Sekundenkleber, Transparente, Warnwesten und Sitzkissen. Das Geld kommt zum Teil von Tausenden privaten Spendern. Der Großteil der Spenden aber stammt aus dem „Climate Emergency Fund“, der weltweit viele Klima­organisationen unterstützt. Das Stiftungsvermögen stammt von Philanthropen wie Aileen Getty, Enkelin des Erdöl-Tycoons Jean Paul Getty. Die Aktivisten vermuten hinter dem Engagement eine Art „Wiedergutmachung”.

Unseren Podcast zur Letzten Generation hören Sie hier: