Was erwarten Wählerinnen und Wähler von der nächsten Bundesregierung? Heute spricht der Geflüchtete Hamid Saeed über Bürgernähe von Politikern und den Fachkräftemangel.
DILLENBURG. Noch darf Hamid Saeed nicht in Deutschland wählen. Der Pakistaner beschäftigt sich trotzdem viel mit der Politik in dem Land, in das er 2012 geflüchtet ist und dessen Staatsbürger er werden möchte. Von der künftigen Bundesregierung fordert er: „Die Berufsausbildung muss mehr unterstützt werden, um dem Fachkräftemangel zu begegnen.“
Der 33-Jährige fühlt sich integriert. Er hat eine Ausbildung gemacht, ist Fachkraft für Lagerlogistik und arbeitet bei der Isabellenhütte in Dillenburg. Er ist leidenschaftlicher Badmintonspieler und hat im TV 1843 Dillenburg seine sportliche Heimat und Freunde gefunden.
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„Ich habe viele tolle deutsche Freunde. Ohne sie und meinen Sport, hätte ich mich in den neun Jahren vermutlich nicht so gut integrieren können“, freut er sich. Durch seine offene, freundliche und zurückhaltende Art hat er sich seit seiner Flucht – fast 12.000 Kilometer zu Fuß, mit dem Auto oder mit dem Zug – eine Existenz aufgebaut.
Hamid Saeed ist durch seine Berufsausbildung in einem Dillenburger Kunststofftechnikunternehmen qualifiziert und darf dadurch früher die deutsche Staatsbürgerschaft beantragen. Für 2025 rechnet er damit, dass er den gewünschten Pass bekommt. Dann dürfte er zum ersten Mal den Bundestag und die Bundesregierung wählen.
Schule und Ausbildung sind die Themen, die ihn seit Jahren begleiten und beschäftigen. „Ausbildung muss mehr unterstützt werden. So kann dem Fachkräftemangel entgegengetreten werden“, sagt er. Es müsse in diesem Bereich dringend etwas getan werden, die neue Bundesregierung sollte dies auf der Agenda haben.
Die Förderung von Ausbildung beginnt für ihn nicht erst mit dem Eintritt in das Berufsleben. „Das fängt schon in der Schule an“, ergänzt Saeed. Schon da müssten Jugendliche unterstützt werden. Er selbst kann von der Berufsschule berichten, die er während seiner Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik besucht hat: „Klassen mit 25 Schülern – das sind zu viele, um ausführliche Unterstützung bekommen zu können.“
Den Pakistaner beschäftigen weitere Themen, denen sich die nächste Bundesregierung aus seiner Sicht zuwenden sollte. Saeed zählt auf: „Das Tempolimit muss kommen und die Strafen für zu schnelles Fahren sollten angehoben werden. Die Radwege und das Radwegenetz im ländlichen Raum sind nicht gut ausgebaut. Ich würde wieder mehr mit dem Fahrrad fahren, wenn die Wege besser wären.“
Bürgernähe erwünscht
Neben der Mobilität und der Fachkräftesituation hat Saeed, der in Dillenburg wohnt, auch Wünsche an Ministerien, beispielsweise an das Familienministerium. „Dort soll nicht so viel unterschieden werden. Toleranz und Integration – dafür muss in Kindergärten und in Schulen eine gute Atmosphäre geschaffen werden“, sagt der 33-Jährige.
Die neue Bundeskanzlerin oder der neue Bundeskanzler sollten seiner Meinung nach offen sein und etwas tun, damit das Land sich verbessere. „Kompromissbereit zu sein, ist sehr wichtig“, ergänzt Saeed im Hinblick auf mögliche Koalitionen.
Sich international gut bewegen und außenpolitisch vermitteln können und bürgernah sein - das sollte nach Meinung des jungen Pakistaners die künftige Regierungschefin oder der künftige Regierungschef auf jeden Fall können. Besonders Letzteres sei wichtig, hebt Saeed hervor: „Ein Regierungschef sollte wissen, was die Bürger beschäftigt. Deshalb ist Bürgernähe eine Eigenschaft, die man auf jeden Fall mitbringen sollte.“ In vier Jahren darf Saeed, wenn er die deutsche Staatsbürgerschaft hat, mitbestimmen. Es sei ihm wichtig, sagt er. Auch weil er Freiheiten dadurch bekomme, die er bisher nicht habe, sagt er.
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Von Katrin Weber