Wir wollen in unserer Serie von Wählerinnen und Wählern wissen, was sie von der neuen Bundesregierung erwarten. Heute sagt Landwirt Volker Muth, 52, aus Wiesbaden, seine Meinung.
WIESBADEN. Was erwarten die Menschen in der Region von der Politik? Welche Drängenden Probleme müssen aus ihrer Sicht gelöst werden? Und was muss eine Kanzlerin oder ein Kanzler überhaupt können? Das wollen wir bis zur Bundestagswahl am 26. September täglich von einer Wählerin oder einem Wähler aus der Region wissen. Heute antwortet uns Volker Muth (52) aus Wiesbaden.
Dass sich die nächste Bundesregierung zur „heimischen Landwirtschaft bekennt, sie wertschätzt und respektiert“, das wünscht sich Volker Muth, Agrar-Ingenieur und Landwirt aus Wiesbaden. „Denn wir Landwirte sind ein großer Schatz und haben eine wertvolle Versorgungsrolle – die man nicht zerstören darf.“
Muth fühlt sich verraten: „Es muss fair sein“
Sein Beruf habe sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten stark verändert, sagt der 52-Jährige: Die Bürokratie nimmt zu, Daten müssen aufgearbeitet, immer mehr Richtlinien sowie Verpflichtungen gegenüber der EU erfüllt werden. Das sei so umfangreich, dass man es nicht mehr alleine schaffen könne. „Das kostet immens viel Zeit.“ Damit er sich um das „Urgeschäft“ kümmern kann, sei er zunehmend auf die Hilfe seiner Frau und der Familie angewiesen.
Die Familie des 52-Jährigen ist seit Generationen in der Landwirtschaft tätig. Er selbst studierte zunächst Maschinenbau, dann Agrarwissenschaften und arbeitete zehn Jahre als Ingenieur beim Automobilhersteller Opel. Er sei damals um die Welt geflogen, war mit dem Job aber nicht glücklich. Deshalb wechselte er die Branche und baute den Familienbetrieb auf einem Aussiedlerhof im Wiesbadener Vorort Bierstadt aus. Heute hat er Getreide, Zuckerrüben, Kartoffeln, hält Hühner und zwei Ziegen. „Mein Platz ist hier“, sagt Muth. Sein Beruf sei eine Erfüllung.
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Dass es in Deutschland hohe ökologische Auflagen gibt, findet er gut, sagt der Landwirt. Dass dabei aber mit zweierlei Maß gemessen werde – das ärgert ihn. „Denn die Bundesregierung ermöglicht gleichzeitig Importe, die nicht dieselben Standards erfüllen müssen, wie wir.“ Andere Länder könnten auf diese Weise günstiger produzieren – und deutsche Bauern ausstechen. Ob sie aber Regenwald abholzen, das werde nicht kontrolliert. Er fühle sich verraten, erklärt Muth. „Es muss fair sein.“
„Es ist nicht alles gut, nur weil die Regale im Discounter voll sind.“
In Supermärkten stehe heute Fertigsuppe aus Bangladesh und Wasser aus Italien – niemand frage dabei nach einer CO2-Bilanz, so Muth. Mit den heimischen Bauern gehe man hingegen hart ins Gericht, ernenne sie zum Schuldigen. Etwa für das Insektensterben. Dabei werde dann die Rolle der Industrie, des zunehmenden Wohnungs- und Straßenbaus vernachlässigt. „Mir fehlen oft die wissenschaftliche Basis und der Respekt für die Wichtigkeit des Berufs.“
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Das sei auch ein gesellschaftliches Problem, sagt er. „Wenn ich auf dem Feld arbeite, halten sich Kinder die Nase zu. Sie denken, wir sind böse und zerstören die Umwelt. Dabei: Wer ist nachhaltig, wenn nicht wir? Wir leben von und arbeiten seit Jahrhunderten mit der Natur.“ Doch es sei schwierig, gegen Vorurteile und die Entscheidungen der Politik anzukommen. „Man stellt uns vor vollendete Tatsachen.“
Muth beteiligt sich auch regelmäßig an Demonstrationen
Um vom „Umweltzerstörer-Image“ wegzukommen, wie er sagt – und den Mitbürgern zu zeigen, dass „nicht alles gut ist, nur weil die Regale im Discounter voll sind“, engagiert sich Muth in der Bauern-Initiative „Land schafft Verbindung“. Und er beteiligt sich regelmäßig an Demonstrationen. Davon erhofft er sich mehr Aufmerksamkeit für seinen Beruf und dass Politiker stärker das Gespräch mit Bauern suchen – statt sie nur mit Auflagen zu belegen. „Gemeinsam können wir Naturschutz erreichen.“
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Umwelt, Gesellschaft, Integration und Infrastruktur – für die nächsten Jahre habe die Bundesregierung viele wichtige Aufgaben vor sich, betont Muth. Und der nächste Bundeskanzler müsse „Entscheidungen treffen können, nicht rumeiern und Verantwortung übernehmen, statt sie auf andere abzuschieben. So einen Menschen – Mann oder Frau – hätte ich gerne an der Spitze.“ Denn aus seiner Sicht dauere vieles, was schnell entschieden werden müsse, einfach zu lang. Auch, weil sich Politiker immer absichern wollten.
Obwohl er sich über so einiges ärgert: Volker Muth würde sich immer wieder für seinen Beruf entscheiden. „Es ist der schönste, kreativste und abwechslungsreichste Beruf und eine Genugtuung für die Seele.“ Wenn er im Mai zuschaut, wie sich die grüne Wintergerste im Wind wiegt – er abends bei den Hühnern sitzt, die Ende Juni ihr mobiles Haus bezogen haben, dann verspürt er es: „ein Gefühl der Ruhe“.