
Höhere Förderung, lange Übergangsfristen, Härtefallklausel für Mieter: Die Ampel-Koalition hat sich auf wichtige Details geeinigt, bleibt aber immer noch einige Antworten schuldig.
Region. Das oberste Ziel steht schon lange fest: Neu eingebaute Heizungen sollen künftig zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden – was klassische Gas- und Ölheizungen nicht schaffen. Was bedeutet das nun für jeden Einzelnen? Nach monatelangem Streit haben sich die Fraktionen von SPD, Grünen und FDP auf das Kleingedruckte in ihrem Heizungsgesetz geeinigt, wobei einige Fragen noch immer offen sind. Doch der Nebel lichtet sich: Womit müssen Eigenheimbesitzer, Mieter und Vermieter rechnen? Ein Überblick.
Gibt es eine Pflicht zum Heizungstausch?
Funktionierende Öl- und Gasheizungen müssen nicht ausgetauscht werden, außerdem dürfen defekte Heizungen repariert werden. Ist das nicht mehr möglich und gelten die neuen Bestimmungen, bleiben dem Hauseigentümer mindestens drei Jahre, um eine neue Heizung einzubauen, die das 65-Prozent-Ziel erreicht, es sind also Zwischenlösungen erlaubt. Für Mehrfamilienhäuser gelten teilweise Fristen von bis zu zehn Jahren. Zudem gibt es Ausnahmen für Sozialhilfeempfänger oder für den Fall, dass die Umstellung in einem Gebäude technisch und ökonomisch keinen Sinn macht. Eine weitere Frist ergibt sich aus dem geltenden Klimaschutzgesetz, das vorschreibt, dass alle Heizungen ab 2045 klimaneutral arbeiten müssen.
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Was gilt beim Einbau einer neuen Heizung?
Die 65-Prozent-Vorgabe wirkt in der Praxis ab 2024 zunächst nur bei Neubauten. Erfüllt wird die Anforderung von einer Wärmepumpe, die dort heute schon die erste Wahl ist, oder von einer Pelletheizung. Erlaubt ist aber auch eine Gasheizung, wenn sie später auf Wasserstoff umgerüstet werden kann. Oder der Neubau wird an ein klimaverträglich arbeitendes Nah- oder Fernwärmenetz angeschlossen.
Bei bestehenden Gebäuden greift bei einem anstehenden Heizungstausch die 65-Prozent-Vorgabe erst dann, wenn im Wohnort eine kommunale Wärmeplanung existiert. Diese soll Alternativen zur individuellen Heizung aufzeigen und die Umrüstung des vorhandenen Erdgasnetzes auf klimaneutrale Gase oder den Aufbau eines neuen Wasserstoffnetzes konkretisieren. In Großstädten soll die Wärmeplanung bis spätestens Ende 2026 vorliegen, in kleineren Städten und Gemeinden bis Ende 2028. Details dazu regelt allerdings ein eigenes Gesetz, das frühestens im Herbst beschlossen wird.
Was gilt, wenn ich in einem bestehenden Gebäude eine neue Heizung einbauen muss, es aber noch keine kommunale Wärmeplanung gibt?
Dann kann auch eine neue Gasheizung eingebaut werden. Allerdings muss diese ab 2029 mit mindestens 15 Prozent „grünen Gasen“ betrieben werden. Dieser Anteil soll auf 30 Prozent 2035 und 60 Prozent 2040 steigen. Als Brennstoff kommen hierbei Biogas und Wasserstoff infrage. Beim Einbau einer neuen Gasheizung verbleiben also ab 2024 kalkulatorische Risiken: Es könnten Umrüstungskosten entstehen, außerdem muss der Netzbetreiber ab 2029 das vorgeschriebene „grüne Gas“ liefern können. Und wie sich der Gaspreis – inklusive CO2-Abgabe – entwickelt, darüber gehen die Vermutungen weit auseinander.
Wohl auch deshalb ist im Gesetz nun auch eine Beratungspflicht vorgesehen: Konventionelle Heizungen sollen ab Januar 2024 nicht mehr ohne professionelle und unabhängige Beratung eingebaut werden dürfen. Diese soll auf mögliche Auswirkungen der kommunalen Wärmeplanung und denkbare finanzielle Belastungen hinweisen. Weitere Details sind dazu bisher nicht bekannt.
Ob unter bestimmten Bedingungen ab 2024 auch neue Ölheizungen eingebaut werden können, blieb zunächst unklar. Allerdings ist die Frage wohl eher theoretischer Natur. Denn bei Ölheizungen dürfte es noch schwieriger sein als bei Gas, ab 2029 stufenweise auf „grünen Brennstoff“ umzustellen.
Falls es wieder eine Gasheizung sein soll – wie kommt der Wasserstoff zur Heizung?
Für den Einsatz von Wasserstoff müssen Netze um- oder neu gebaut werden. Es soll deshalb verpflichtende Vereinbarungen zwischen Kommune und Gasnetzbetreiber mit Zwischenzielen geben. Eine wichtige Rolle soll dabei die Bundesnetzagentur spielen. Welche Bedeutung „grüner“ Wasserstoff in Zukunft im Wärmebereich haben wird, ist aber auch aus Kostengründen offen. Dazu kommt, dass große Mengen bei der Umstellung der Industrieproduktion benötigt werden. Die Grünen sind hier sehr skeptisch, der FDP ist diese „Technologieoffenheit“ extrem wichtig.
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Mit welcher Förderung können Eigenheimbesitzer bei einem Heizungstausch rechnen?
Hier war bisher sehr wenig klar. Jetzt heißt es, dass unter bestimmten Voraussetzungen bis zu 70 Prozent der Investition beim Kauf einer klimafreundlicheren Heizung vom Staat übernommen werden – das ist deutlich mehr als bisher diskutiert. Geplant ist ein einheitlicher Fördersatz von 30 Prozent einkommensunabhängig für alle Haushalte. Für solche mit einem zu versteuernden Einkommen unter 40.000 Euro gibt es 30 Prozent Förderung zusätzlich. Außerdem ist ein „Geschwindigkeitsbonus“ von maximal 20 Prozent geplant: Ihn bekommt, wer bis Ende 2027 umrüstet; ab 2028 soll der Bonus alle zwei Jahre um drei Prozentpunkte sinken. Insgesamt werde die Förderung bei 70 Prozent gedeckelt, heißt es. Zusätzlich zum Geld für die neue Heizung gibt es die bestehenden Förderungen für die energetische Sanierung des Gebäudes.
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Was gilt für Vermieter und Mieter?
Auch hier haben sich die Ampel-Fraktionen auf Präzisierungen der „Leitplanken“ zum Heizungsgesetz verständigt. Zum einen wird die Höchstgrenze der Modernisierungsumlage, mit denen Mieter an den Kosten beteiligt werden, von acht auf zehn Prozent angehoben. Voraussetzung ist, dass der Vermieter die staatliche Förderung für einen Heizungstausch in Anspruch nimmt und diese vom Kostenanteil des Mieters abzieht. Vermieter können also zehn Prozent ihrer Investitionskosten auf die Jahresmiete schlagen – wobei sich die Modernisierung in der Regel nicht auf den Einbau einer neuen Heizung beschränkt.
Zugleich gilt aber eine Kappungsgrenze: Die Monatsmiete darf durch den Heizungstausch nur um maximal 50 Cent pro Quadratmeter steigen; kommen weitere Modernisierungsarbeiten dazu, etwa neue Fenster oder Isolierung, sind es bis zu drei Euro. Steigt die Miete durch die Modernisierungen auf mehr als 30 Prozent des Haushaltseinkommens, soll es durch eine Härtefallklausel nur eine beschränkte Umlagefähigkeit geben.
Die sich abzeichnende Aufteilung der Kosten zwischen Vermietern und Mietern wurde vom Präsidenten des Mieterbundes, Lukas Siebenkotten, am Mittwoch ausdrücklich begrüßt, insbesondere die Härtefallregelung. Eigentümervertreter kritisieren hingegen, die Lasten würden ungleich verteilt. Die Vermieter müssten beim Heizungstausch den größten Teil des Kostenrisikos tragen. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sagte, Mieterinnen und Mieter würden durch das Heizungsgesetz „Profiteure der Wärmewende“.
Und wie wird daraus nun ein Gesetz?
Der Entwurf des Gebäudeenergiegesetzes wird derzeit im Wirtschaftsministerium nach den Vorgaben der Ampel-Fraktionen überarbeitet. Am Freitag soll er dann an Experten in Verbänden weitergeleitet werden, damit diese am Montag bei der Anhörung im Energieausschuss des Bundestags dazu Stellung nehmen können. Wegen dieser extrem kurzen Vorbereitungszeit gibt es scharfe Kritik am Verfahren. Die Koalition will das Gesetz dann in der ersten Juliwoche vom Bundestag verabschieden lassen, also noch vor der Sommerpause des Parlaments.
Das Gesetz muss auch den Bundesrat passieren. Dieser muss aber formal nicht zustimmen – sein Einfluss ist damit vergleichsweise gering.
In Kraft treten soll das Gebäudeenergiegesetz zum 1. Januar 2024. Deshalb muss auch das Gesetz zur kommunalen Wärmeplanung bis dahin verabschiedet sein. Hier steht die Koalition allerdings noch ganz am Anfang ihrer Beratungen.