Recherche: Kommunen schlecht auf Hitze und Dürre vorbereitet
Eine Befragung aller Städte und Landkreise zeigt: Koordinierte Maßnahmen zur Klimaanpassung sind noch die Ausnahme. Ein neues Gesetz soll die Kommunen in die Pflicht nehmen.
Region/Berlin. Hitze, Trockenheit, Überschwemmungen – längst sind die Auswirkungen des Klimawandels spürbar. Doch wie gehen Städte und Gemeinden damit um? Welche Strategien der Anpassung verfolgen sie? Eine umfangreiche Recherche der VRM-Medien mit dem Journalistennetzwerk Correctiv, NDR, BR und WDR zeigt: Fast alle Städte und Landkreise in Deutschland rechnen in den kommenden Jahren mit weiter steigenden Belastungen durch Klima-Folgen wie Wetterextreme. Doch konkrete Pläne, darauf zu reagieren, sind noch die Ausnahme. Ein neues Gesetz soll die Kommunen jetzt zum Handeln verpflichten.
Umweltministerin Lemke verlangt Anpassungskonzepte von Städten und Kreisen
Dazu brachte das Bundeskabinett am Donnerstag ein „Klimaanpassungsgesetz“ von Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) auf den Weg. Mit dem Gesetz sollen alle Städte und Landkreise verpflichtet werden, ein „integriertes Klimaanpassungskonzept“ zu erarbeiten. „Schon heute verursacht die Klimaerhitzung in Deutschland und Europa enorme Schäden“, sagte Lemke gestern in Berlin. „Mit Risikovorsorge, die weiter als bisher in die Zukunft blickt, können wir nicht nur Schäden abmildern, sondern auch die Lebensqualität in der Stadt und auf dem Land erheblich verbessern.“
Der Bund will seinerseits bis Ende September 2025 eine nationale Anpassungsstrategie vorlegen. Es gehe darum, „einen verbindlichen Rahmen für die Zusammenarbeit von Bund, Ländern und anderen Verwaltungsträgern zu schaffen“, heißt es der Begründung zum Gesetz. Mit Blick auf steigende Temperaturen, zunehmende Dürreperioden und häufigere Extremwetterereignisse müssten „Anpassungsfähigkeit und Widerstandskraft“ gestärkt werden.
Ein Schwerpunkt ihres Klimaanpassungsgesetzes ist auch, dass künftig beim Planen und Entscheiden immer geschaut werden soll, welche Auswirkungen des Klimawandels dabei zu beachten sind. Es soll beispielsweise vor dem Bau von Gebäuden geprüft werden, ob dort Überschwemmungen drohen könnten. Nach dem Beschluss durch das Kabinett muss der Entwurf noch in den Bundesrat und Bundestag; beraten wird er dort erst nach der Sommerpause.
86 Prozent der Kommunen erwarten finanzielle Schäden durch den Klimawandel
Bei der Recherche zum Stand Klimaanpassung in den Kommunen wurden alle 400 deutschen Landkreise und kreisfreien Städte gefragt, ob sie bereits ein Konzept zur Klimaanpassung erarbeitet haben; außerdem wurde nach konkreten Maßnahmen zum Schutz vor Hitze, Dürre und Überschwemmungen gefragt. 329 Kommunen haben geantwortet – davon hatten nach eigenen Angaben nur 87 ausformulierte Konzepte zur Klimaanpassung. Bisher ist die Erarbeitung solcher Anpassungspläne freiwillig – mit dem neuen Gesetz würde sich das ändern.
Laut Recherche erwarten 86 Prozent der Stadt- und Kreisverwaltungen, die die Umfrage beantwortet haben, bis 2050 finanzielle Schäden durch Klimawandel-Folgen. Doch gerade an den Finanzen scheitert oft die Anpassung: Viele gaben an, Maßnahmen für notwendig zu erachten, dafür allerdings noch keine Finanzierung zu haben.
Der Verband kommunaler Unternehmen begrüßt das Gesetz, drängt aber auf Tempo bei der Frage der Finanzierung. „Hier besteht dringender Handlungsbedarf bei Bund und Ländern, denn es kommen in den nächsten Jahren immense Kosten für die Klimaanpassung auf uns zu“, sagte Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing. Im Bundesumweltministerium hieß es dazu, die Verantwortung für die Finanzierung solcher Maßnahmen liege zwar zunächst bei Kommunen und Ländern. Die Aufgabe sei aber „zu umfangreich, als dass sie ohne Hilfe des Bundes bewältigt werden könnte“. Deshalb solle die Verteilung der Lasten auf der nächsten Umweltministerkonferenz diskutiert werden.